"Landtag von Sachsen-Anhalt, Drucksache 7/2247": Ende vergangenen Jahres, vier Tage vor Heiligabend, startet die Magdeburger AfD-Fraktion eine Große Anfrage. Sie ist ungewöhnlich lang: Mit 236 Detailfragen erkundigen sich die Rechtspopulisten nach "Miteinander e.V." - einem regionalen Verein, der sich gegen Rassismus und Menschenfeindlichkeit engagiert.
"Ist es im Sinne der Landesregierung und der öffentlichen Förderung", fragt die AfD zum Beispiel, "dass der Verein eine demokratische Partei wie die 'Alternative für Deutschland' zum politischen Gegner erklärt und die Partei beleidigt und verunglimpft?"
Der Hintergrund: "Miteinander e.V." sieht bei den Rechtspopulisten geschichtsrevisionistische und antisemitische Positionen, "die Aussagen einiger Funktionsträger stehen denen neonazistischer Organisationen in Nichts nach". Nun möchte die AfD mit der parlamentarischen Anfrage die Finanzierung des Demokratievereins beleuchten. Fraktionschef André Poggenburg erklärt:
"Wir sind der Meinung: Rechts ist genauso wie Links und Mitte eine vertretbare politische Richtung, gegen die man sich zwar engagieren kann. Aber wenn man das tut, stellt sich die Frage, ob man dann noch durch Steuermittel finanziert werden darf."
Poggenburg gilt als Radikaler
Nach Ansicht von Poggenburg, der zugleich AfD-Landesvorsitzender ist, darf die schwarz-rot-grüne Landesregierung zwar den Kampf gegen Verfassungsfeinde finanzieren, aber nicht gegen eine gewählte Partei:
"Das geht nicht, das wäre eine Verfälschung des Wahlergebnisses."
André Poggenburg beklagt, "Miteinander e.V." rücke die AfD in die Nähe von "Extremisten". Doch der Abgeordnete gilt selbst in der eigenen Partei als besonders Radikaler. Im vergangenen Juni hatte der AfD-Bundesvorstand Poggenburg abgemahnt, denn er "rückt die Partei in die Nähe des Rechtsradikalismus".
"Trotzdem zähle ich mich nicht als Rechtsradikalen, ganz klar. 'Rechtspopulistisch' lasse ich mir sehr gerne gefallen, ich bin aber kein Rechtsradikaler."
Magdeburg ist kein Einzelfall: Im vergangenen Jahr hat die AfD ähnliche parlamentarische Anfragen zu zivilgesellschaftlichen Organisationen im Berliner Abgeordnetenhaus, im Thüringer Landtag sowie im Bundestag gestartet. In Baden-Württemberg wollten die Rechtspopulisten gar die Gelder für eine KZ-Gedenkstätte streichen, haben ihren Antrag aber wieder zurückgezogen - wegen eines angeblichen Irrtums.
AfD gegen Amadeu-Antonio-Stiftung
Berlin-Mitte. Auf einem Büro-Sofa sitzt eine rothaarige Frau mit blauem Kapuzenshirt und braunen Trekkingschuhen: Anetta Kahane. Neben ihr lümmelt Lili, ein graugescheckter Mops-Mischling. Kahane ist Chefin der Amadeu-Antonio-Stiftung, die – ähnlich wie der Magdeburger Verein "Miteinander" – gegen Rechtsextremismus kämpft. Die AfD sieht in der Stiftung eine Gefahr – und hat sie im Berliner Abgeordnetenhaus in Verbindung mit Linksextremisten gebracht. Eine gezielte Diffamierung, vermutet Kahane:
"Der Geldhahn soll zugedreht werden, die Leute sollen eingeschüchtert werden, die lokale Politik soll eingeschüchtert werden, und das Ziel ist tatsächlich, diese Organisationen mundtot zu machen, die sich für Migranten einsetzen, für Flüchtlinge, für all das, was die AfD so hasst."
Anetta Kahane zeigt eine ihrer Stiftungs-Broschüren: "Positionieren, konfrontieren, streiten: Handlungsempfehlungen zum Umgang mit der AfD". Darin finden sich auch unkonventionelle Sprüche wie: "Zu Risiken und Nebenwirkungen von Rechtspopulismus lesen Sie ein Geschichtsbuch oder fragen Sie Ihre Großeltern."
Die Amadeu-Antonio-Stiftung hatte 2017 einen Etat von rund drei Millionen Euro, die Hälfte davon stammt von der öffentlichen Hand. Die Broschüre über die AfD sei jedoch nicht mit Steuergeldern bezahlt worden, versichert Kahane. Aber andere, öffentlich finanzierte Publikationen dokumentierten ebenfalls rassistische und antisemitische Entgleisungen - ob aus dem linken oder rechten Spektrum:
"Wann immer gegen den Geist und den Sinn des Grundgesetzes verstoßen wird, werden wir uns auch dagegen wehren. Und wenn es halt die AfD ist, dann ist es halt die AfD!"
Bundesfamilienministerium hat andere Pläne
Kahane befürchtet, dass die AfD es schaffen könnte, die Unionsparteien mit ins Boot zu holen. Schließlich hatte die damalige CDU-Bundesfamilienministerin Kristina Schröder ab 2011 die Demokratie-Vereine bei der Mittelvergabe besonders kontrolliert – durch eine sogenannte Extremismusklausel. Schröders Nachfolgerin, die SPD-Ministerin Manuela Schwesig, schaffte die Klausel 2014 zwar wieder ab. Doch innerhalb der CDU gibt es offenbar nach wie vor Misstrauen gegenüber angeblich linken Demokratie-Vereinen. So brachte Sachsen-Anhalts CDU-Generalsekretär Sven Schulze im Dezember, kurz nach der großen AfD-Anfrage, ebenfalls einen Förderstopp für den Verein "Miteinander" ins Spiel.
Das Bundesfamilienministerium hat hingegen andere Pläne. Staatssekretär Ralf Kleindiek würde das hauseigene zivilgesellschaftliche Programm "Demokratie leben", das im vergangenen Jahr 100 Millionen Euro gekostet hat, unter einer neuen Bundesregierung am liebsten aufstocken:
"Es geht darum, dass wir mehr für unsere Demokratie tun müssen und nicht weniger. Und wer damit Probleme hat, der hat offensichtlich mit unserem demokratischen System Probleme."