Die britische Regierung braucht für den Austritt aus der EU die Zustimmung des Parlaments. Das entschied das höchste britische Gericht, der Supreme Court. Gerichtspräsident David Neuberger sagte, die Regierung könne Artikel 50 des Lissabon-Vertrags für den EU-Austritt nicht auslösen, ohne das Parlament zu befragen. Acht der elf Richter unterstützten das Urteil. Die Regionalparlamente von Schottland, Wales und Nordirland erhalten derweil kein Mitspracherecht.
Die schottische Regierungschefin Nicola Sturgeon forderte, trotz der Entscheidung in den Austrittsprozess mit einbezogen zu werden. Zugleich drohte sie erneut mit einem Referendum über die schottische Unabhängigkeit. Es werde immer klarer, dass Schottland seine Zukunft "in die eigene Hand nehmen muss", sagte Sturgeon.
Die britische Regierung zeigte sich "enttäuscht" vom Ausgang des Prozesses. Sie werde aber trotzdem "alles Notwendige tun", um das Urteil umzusetzen. Das sagte Generalstaatsanwalt Jeremy Wright, der die Regierung in dem Prozess vertrat. Brexit-Minister David Davis sagte nach der Verkündung, die britische Regierung werde in Kürze einen Gesetzentwurf zum EU-Austritt ins Parlament einbringen. Er kündigte eine Vorlage "binnen Tagen an". Der Entwurf solle so einfach wie möglich ausfallen. Die Regierung werde sicherstellen, dass der Antrag auf Ausstieg aus der Europäischen Union wie geplant bis Ende März gestellt werden könne.
Die EU-Kommission wollte zum Urteil zunächst keine Stellung nehmen. Interne Rechtsfragen von Mitliedsstaaten kommentiere man nicht, sagte Kommissionssprecher Margaritis Schinas in Brüssel. Es sei an der britischen Regierung, die Konsequenzen zu ziehen: "Wir warten auf die Benachrichtigung der britischen Regierung."
May hatte bereits Zugeständnisse gemacht
Gleich am ersten Verhandlungstag hatte der Supreme Court daran erinnert, dass er nur dem Gesetz verpflichtet ist, "mögen die Emotionen im Land auch noch so hochgehen. Unsere Pflicht als Richter ist es, gemäß der Gesetze ein unabhängiges Urteil zu fällen." Der Fall ist auch deshalb so kompliziert, weil es in Großbritannien keine geschriebene Verfassung gibt - das lässt viel Spielraum für Interpretation.
Die britische Premierministerin May hatte im Vorfeld wohl mit einer weiteren Niederlage gerechnet, nachdem die Vorinstanz schon gegen die britische Regierung entschieden hatte. Sie gestand dem Parlament bereits das letzte Wort zu: "Beide Kammern unseres Parlaments müssen am Ende über eine Einigung mit der EU abstimmen, bevor der Austritt in Kraft treten kann."
Kläger sahen das Parlament übergangen
Geklagt hatte eine Gruppe um die politische Aktivistin Gina Miller. Sie will nach eigenen Worten den Brexit nicht stoppen, es geht ihr um die Art und Weise des Ausstiegs aus der EU. Ihr Argument: In einer parlamentarischen Demokratie müssten die Abgeordneten das letzte Wort haben, das Referendum sei nur eine Empfehlung.
Der High Court folgte dem und bestätigte das Mitspracherecht. Doch die Regierung legte Berufung beim höchsten britischen Gericht ein. Mays Argument: Das Votum beim Referendum sei ein klarer Handlungsauftrag durch das Volk und eine weitere Abstimmung unnötig.
Nur der Zeitplan und die Gestaltung sind fraglich
An dem geplanten Ausstieg aus der EU sei so oder so nicht mehr zu rütteln. "Brexit heißt Brexit", lautet das Mantra der Regierungschefin. Und auch der Vorsitzende Richter David Neuberger stellte klar, es sei nicht das Ziel, "das Ergebnis des Referendums zu kippen". Es gehe nur um rechtliche Fragen.
Die Regierung befürchtet aber, dass die Abgeordneten den geplanten Brexit verwässern und eine stärkere EU-Nähe einfordern könnten. Die Parlamentarier gelten als überwiegend EU-freundlich. Die Regierung verfügt über eine Mehrheit im Parlament. Die Weigerung Mays, Details aus der Strategie der Regierung zu veröffentlichen, stieß aber zum Teil auf Widerstand in den eigenen Reihen.
(nch/gwi/hba)