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Parlamentsentscheidung
Russland verstärkt Kontrolle über das Internet

Das russische Parlament stimmt für ein "autonomes Internet". Es soll ein von der restlichen Welt unabhängiges System entwickelt werden. Behörden sollen Zugang zu Daten bekommen, sie mitlesen und herausfiltern können. Kritiker befürchten Zensur und eine Abkopplung nach dem Vorbild Pekings.

Von Thielko Grieß |
In Moskau hät ein Demonstrant hält ein Plakat mit der Aufschrift "Rettet das Internet, rettet Russland".
"Rettet das Internet, rettet Russland", fordern die Demonstranten in Moskau. Sie protestieren gegen ein "nationales Internet" in Russland (dpa / Alexander Zemlianichenko)
Der Gesetzentwurf sieht vor allem Folgendes vor: Behörden bekommen an entscheidenden Punkten der Netz-Infrastruktur Zugang zum Datenverkehr. Darunter fallen die Netzknotenpunkte. Über die Glasfaserkabel zum Beispiel eines Knotens in Moskau läuft etwa die Hälfte des russischen Datenvolumens.
Behörden bekommen außerdem Zugang zur Infrastruktur von Providern. Denen wird auf Staatskosten eine technische Ausstattung zur Verfügung gestellt, die es ermöglicht, Daten mitzulesen und sie gezielt herauszufiltern. Diese Technik wird auch Deep Packet Inspection genannt.
Bedrohungen für das russische Internet abwehren
Hinzu kommen Auflagen für Betreiber grenzüberschreitender Infrastruktur, also jener Kabel, die das russische Internet mit dem Rest der Welt verbinden. Vorgesehen ist außerdem, eine russische Domain-Verwaltung aufzubauen und eine zentrale Steuerung des Internets durch eine Behörde zu ermöglichen. Dies soll dann geschehen, wenn das russische Internet bedroht werde – die Parlamentarier haben die USA in Verdacht, so etwas zu beabsichtigen.
Leonid Lewin von der Partei "Gerechtes Russland" heute in der Staatsduma: "Die Aufgabe dieses Gesetzentwurfes besteht darin, russischen Nutzern den Zugang zum Internet zu erhalten, dass elektronische staatliche Dienstleistungen und Online-Banking im vollen Umfang funktionieren. Und auch verschiedene kommerzielle Angebote, an die sich Bürger schon gewöhnt haben, sollen stabil bleiben."
Der Gesetzentwurf ist an mehreren Stellen ungenau. So soll nun erst die russische Regierung eine Liste von Bedrohungen erstellen. Auch ist unklar, wie die Medienkontrollbehörde Roskomnadsor das neue Gesetz anwenden wird, welchen Zugang Geheimdienste zu Inhalten bekommen und inwiefern diese Eingriffe in Privatsphäre und Kommunikationsfreiheiten richterlicher Kontrolle unterliegen.
Schon jetzt werden tausende Seiten gesperrt
Auch deshalb ist das Misstrauen von Seiten von Kritikern sehr groß. Sie befürchten eine neue Welle von Zensur, die das in Russland bislang verhältnismäßig freie Internet von Inhalten wird säubern können, die dem Staatsapparat nicht gefallen. Iwan Sassurskij, der Netz-Publizisten vertritt, sagte im Sender Echo Moskwy: "Ein autonomes Internet ergibt Sinn, wenn der Staat wirklich etwas befürchtet und eine einheitliche Strategie entwickelt, wie wir dann überleben können. So einen Gesetzentwurf, eine solche Strategie anzupreisen, wäre aus meiner Sicht möglich. Aber jetzt werden Bedingungen geschaffen, die denen in China ähnlich ist."
Von einer Abkopplung nach dem Vorbild Pekings ist Russlands allerdings auch technisch noch weit entfernt. Dennoch werden schon jetzt jährlich tausende Seiten gesperrt. Teils geht es um kriminelle Inhalte, aber auch der verschlüsselte Messenger Telegram sollte schon längst blockiert werden, was der Behörde allerdings bislang misslang. Das Gesetz schafft nach Einschätzung von Fachleuten nun bessere technische Möglichkeiten.
Das neue Gesetz soll Schätzungen zufolge Kosten von umgerechnet rund 400 Millionen Euro verursachen. Es soll in weiten Teilen im November in Kraft treten. Eine Zustimmung in der dritten Lesung und im Föderationsrat sowie die noch notwendige Unterschrift des russischen Präsidenten gelten als Formsache.