In den Gängen des Kunst- und Musikgymnasiums in der Ebasani Straße von Tirana: Bereits zahlreiche Wähler haben sich jetzt am Morgen auf den Weg gemacht. Kein Wunder: Denn heute soll es mit bis zu 39 Grad der heißeste Junitag werden. Im Wahllokal Nummer 1728-1, einem der Unterrichtsräume, sitzen fünf Wahlhelfer, händigen den farbgedruckten Wahlzettel aus, auf denen die 18 zugelassenen Parteilisten stehen. Wie es bislang läuft? Einer der Wahlhelfer, der ein wenig deutsch kann, gibt zurück:
"Sehr, sehr gut. Alles Gute. 528 sind hier, und bis jetzt ist 22."
Reformen in Verwaltung, Justiz und Politik sind nötig
Vor dem Schuleingang hängen die langen Listen mit den Namen der Wahlberechtigten aus. 528 sind es hier, die in diesem Wahllokal ihre Stimme abgeben dürfen. Die beiden größten politischen Kräfte des Landes, die Sozialisten unter Regierungschef Edi, die auf Liste 2 antreten, und die Demokratische Partei unter Herausforderer Lulzim Basha auf Liste 6, warben bis zum Schluss mit dem Wahlkampfversprechen, die notwendigen Reformen in Verwaltung, Justiz und Politik durchzusetzen. Nur so könne der Weg Albaniens, das EU-Beitrittskandidat ist, in die Europäische Union gelingen.
"Meine Meinung ist: Es wäre besser, wenn es ein Gleichgewicht gäbe, dass nicht eine Partei alles gewinnt, sondern es eine Balance gibt, damit wir eine möglichst breite Koalition machen können. Das wäre eine Chance, weiter voranzugehen."
Dass eine der großen Parteien eine absolute Mehrheit erreicht, also mindestens 71 Mandate im 140 Sitze umfassenden Parlament, gilt als wenig wahrscheinlich. Demoskopen wollen dennoch einen recht deutlichen Vorsprung des amtierenden Ministerpräsidenten Edi Rama von der Sozialistischen Partei ausgemacht haben. Das Zünglein an der Waage spielte in den beiden vergangenen Koalitionsregierungen, die kleinere "Partei für Sozialismus und Integration". Deren Wahlbeobachter stehen heute vor dem Kunst- und Musikgymnasium:
"Wir schauen zu und überwachen, ob alles in Ordnung ist. Dass das Wahlgesetz ordentlich respektiert wird. Wenn es Unregelmäßigkeiten gibt, dann berichten wir das."
Brüssel und Berlin als Vorbilder
Die politische Perspektive dieser Parlamentswahlen lautet: Albanien in den nächsten vier Jahren weiter voranzubringen, um die Chancen für einen späteren EU-Beitritt zu erhöhen. Brüssel und Berlin seien da Vorbilder, sagt dieser ältere Mann:
"Wir brauchen von der EU und Deutschland, wo Deutsche heute hier präsent sind, ein paar Ideen und Anregungen für die Demokratie."
Bis 19 Uhr haben die rund 5.200 Wahllokale im Land geöffnet. Anschließend werden die Wahlurnen zu 90 regionalen Sammelstellen unter Polizeischutz transportiert – einer der Gründe bis zu 15.000 Polizisten heute im Einsatz sind. Mit ersten Ergebnissen wird nicht vor Montag gerechnet.