Angesichts eines Kopf-an-Kopf-Rennens in den Umfragen reißen sich Israels Politiker um die knapp sechs Millionen Wahlberechtigten und versuchen, selbst potenziellen Verbündeten Stimmen abzuluchsen. Die kleineren Parteien könnten entscheiden, wer künftig regiert. In Umfragen lag die Likud-Partei des amtierenden Ministerpräsidenten Netanjahu vier Sitze hinter der gemäßigten Zionistischen Union des Führers der Arbeitspartei, Herzog. Doch Netanjahu scheint die besseren Bündnisoptionen zur Koalitionsbildung zu haben.
Ihr Stil und Auftreten könnten unterschiedlicher kaum sein. Aber in den zentralen politischen Fragen liegen die beiden aussichtsreichsten Kandidaten nicht weiter auseinander als die Vorsitzenden der großen sozialdemokratischen und konservativen Parteien in den westlichen Demokratien.
Der Amtsinhaber
Netanjahu ist seit 2009 ununterbrochen Ministerpräsident, so lange wie keiner seit Staatsgründer David Ben Gurion. In diesem Wahlkampf präsentierte sich Netanjahu als "Sicherheitsgarantie" für Israel, als Bollwerk gegen den selbsterklärten Erzfeind Iran und den erstarkten extremistischen Islamismus im Nahen und Mittleren Osten. Er baute in seiner Kampagne ausschließlich auf das Thema Sicherheit. Wenig Beachtung schenkte seine konservative Likud-Partei sozialen Themen.
Netanjahu besuchte gestern demonstrativ die jüdische Siedlung Har Homa im Südosten Jerusalems. Dieses große Neubauviertel ist besonders umstritten, weil es erst nach dem Oslo-Abkommen wie ein Riegel zwischen Jerusalem und ihrer historischen Schwesterstadt Bethlehem errichtet wurde. In Har Homa versprach Netanjahu für den Fall seiner Wiederwahl: "Wir werden in Jerusalem tausende Neubauwohnungen errichten und trotz des internationalen Drucks unsere ewige Hauptstadt vergrößern."
Der Herausforderer
Herzog ist erst seit 16 Monaten an der Spitze der Arbeitspartei. Er hat mit der liberalen Parteichefin Zipi Livni das Listenbündnis Zionistische Union gebildet. Zuvor war er Kabinettssekretär seines politischen Ziehvaters Ehud Barak, der es 1999 als letzter Chef der Arbeitspartei geschafft hatte, das Amt des Ministerpräsidenten zu erobern. Seit 2003 ist er Parlamentsabgeordneter.
In der Knesset profilierte sich Herzog als Sozialpolitiker. Er initiierte erfolgreiche Gesetzesvorlagen zur Besserstellung von Behinderten, von Opfern sexueller Gewalt und von Holocaust-Überlebenden. In der Großen Koalition ab 2005 bekleidete er mehrere Ministerämter.
Außenpolitisch hat er sich immer für territoriale Zugeständnisse an die Palästinenser ausgesprochen. Er befürwortet die Zwei-Staaten-Lösung als Grundlage eines Friedensabkommens. Gelingt es Herzog das Amt des Ministerpräsidenten zu übernehmen, würde das in die Familienchronik passen. Die Herzogs werden oft als die israelischen Kennedys beschrieben, auch weil beide Clans ursprünglich aus Irland stammen. Großvater Jizchak war nach der Staatsgründung 1948 der erste Großrabbiner der aus Europa stammenden aschkenasischen Juden. Vater Chaim Herzog war Staatschef von 1983 bis 1993. Und Onkel Abba Eban war Außenminister zu Zeiten des Sechstagekriegs 1967.
Rabbiner: Keine Partei in Israel wählbar
Der strengreligiöse Rabbiner Schmuel Auerbach hat im Vorfeld der Parlamentswahl erklärt, er werde nicht wählen gehen. Keine der antretenden Parteien sei wählbar, sagte Auerbach nach israelischen Medienberichten. Er werde seine Anhänger auch nicht anweisen, an der Wahl teilzunehmen. Laut Bericht wird erwartet, dass Auerbachs Anhänger die Wahl boykottieren werden.
(sdö/swe)