Der Arbeiterstadtteil Poble Nou etwas außerhalb von Barcelona an einem Samstagmorgen. Menschen gehen auf den Paseos spazieren, manche erledigen den Einkauf, andere frühstücken in einem der vielen Cafés. Beatriz Sanz erzählt, wie ihre Familie hier ankam - in den 60er-Jahren, aus Murcia, bettelarm. Wie später in den 70er-Jahren ihre älteren Brüder aus den vielen Kulturvereinen des Viertels mit der katalanischen Fahne gegen die Franco-Diktatur kämpften.
"Schau, das ist das Kasino, es heißt die Allianz. Der Name steht für die Arbeitertradition des Viertels. Das ist beispielhaft für mein Barcelona. Eine anarchistische Arbeiterstadt, in der die Leute sich nicht groß um die Regierung scheren und sich lieber selbst organisieren. Und dort drüben ist der Kulturverein, das Athenäum "zur Blume des Mai". Das ist natürlich auch ein sehr anarchistischer Name. Setzen wir uns!"
Der Stolz ist der Mittvierzigerin bei der kleinen Stadtteilführung anzusehen. Sie lacht viel, ihre dunklen Augen leuchten, die Hand zeigt auf die kunstvoll dekorierten Wohnhäuser am Paseo. Dort wohnten ursprünglich die Fabrikarbeiter, die Wohnungen waren klein. Beatriz fühlt sich in der katalanischen Arbeiterklasse tief verwurzelt, auch wenn sie als Kind das katalanische Bürgertum bewunderte.
"Ich gehörte zu den Spanischsprachigen. Hier gab es eine echte Zweiklassengesellschaft. Für mich als Kind waren die Einheimischen eine Elite, der ich angehören wollte. Ich wolle so sein wie die. Dabei gab es da auch arme Leute. Aber sie waren Katalanen. Das gab ihnen unter uns Kindern einen gewissen Status."
Um dazu zu gehören, traten die Arbeiter dem FC Barcelona bei. Ihre Kinder aber lernten katalanisch, so auch Beatriz, die heute mit ihrer Tochter fast nur katalanisch spricht. So herrscht bei Familienfeiern ein wunderbares sprachliches Durcheinander. Die einen sprechen katalanisch, die Großeltern spanisch, aber alle verstehen sich. In der Politik stehen die Zeichen hingegen auf Sturm:
"Ihr wisst, dass wir eine außergewöhnliche Situation erleben. Es ist nicht normal, dass das wirtschaftsstärkste Land eines Staats systematisch die wenigsten staatlichen Investitionen erhält."
Sagt der katalanische Regierungschef Artur Mas im Wahlkampf.
"Es ist auch nicht normal, dass wir im Namen der Solidarität seit 30 Jahren weniger zurückbekommen, als wir nach Madrid überweisen, was sich negativ auf das Leben hier auswirkt. Es ist auch nicht normal, dass uns ständig in unsere Kompetenzen hineinregiert wird. Und es ist auch nicht normal, dass man Angst um die Rechte der eigenen Sprache haben muss."
Nationalisten werfen Spanien finanzielle Benachteiligung vor
Katalonien werde von Spanien finanziell benachteiligt, die katalanische Kultur und Sprache missachtet, so der Vorwurf. Artur Mas hat darum die Regionalwahlen am Sonntag zu einer Abstimmung über die Unabhängigkeit erklärt. Seine konservativen Nationalisten treten diesmal gemeinsam mit der Republikanischen Linken und mehreren Parteilosen auf einer gemeinsamen Wahlliste an. Junts pel Sí ist ihr Name, zu Deutsch: Gemeinsam für das Ja. Einziger Programmpunkt: die Unabhängigkeit. Weil sich ideologisch so gegensätzliche Partner programmatisch kaum auf konkrete Politik einigen können, überwiegt im Wahlkampf das nationale Pathos:
"Wir haben eine Kraft, die sich nicht aufhalten lässt. Die Kraft unseres Glaubens an uns selbst, daran, was wir machen. Der Glaube an dieses Land, an die Demokratie, an die Mehrheit, an die Mobilisierung der Menschen, an den Sieg durch die Urnen."
Der Funke springt schnell über: Unabhängigkeit, Unabhängigkeit, rufen die Menschen bei den Wahlkampfveranstaltungen. Artur Mas ist eigentlich nur die Nummer vier auf der Einheitsliste, Spitzenkandidat ist ein ehemaliger Grüner. Doch Mas soll im Falle eines Wahlsiegs im Amt bestätigt werden, so die Absprachen innerhalb des separatistischen Lagers. Sofort nach der Wahl sollen die Weichen in Richtung Loslösung von Spanien gestellt, in acht Monaten notfalls auch einseitig die Unabhängigkeit erklärt werden. Welche konkrete Politik sie von der neuen Regierung erwarten, wie etwa der Haushalt Kataloniens für das nächste Jahr aussehen könnte, ist für die Anhänger zweitrangig:
- "Was diese Parteien und Vereinigungen eint, ist der Wunsch nach einem eigenen unabhängigen katalanischen Staat. Darum treten Rechte und Linke zusammen an. Hier ist wichtiger, was uns eint, als was uns trennt."
- "Der Haushalt wird kein Problem sein. Wir hätten ja dieselben Steuermittel wie bislang, müssten aber nicht mehr die vielen Milliarden nach Madrid zur Zentralregierung schicken wie jetzt noch. Nach dem 28. wird es für die katalanische Regierung viel leichter werden, einen Haushalt auszuarbeiten."
- "Der Haushalt wird kein Problem sein. Wir hätten ja dieselben Steuermittel wie bislang, müssten aber nicht mehr die vielen Milliarden nach Madrid zur Zentralregierung schicken wie jetzt noch. Nach dem 28. wird es für die katalanische Regierung viel leichter werden, einen Haushalt auszuarbeiten."
Je näher der Wahltermin rückt, umso schärfer wird der Ton. Artur Mas wirft den großen spanischen Parteien vor, den Konservativen, Sozialisten und Podemos, Katalonien wie ein Indianerreservat zu behandeln und fordert die Katalanen auf, ihren Vertretern den Mittelfinger zu zeigen.
Opposition wirft regierenden Nationalisten Haushaltskürzungen vor
Pablo Iglesias, Generalsekretär der linkspopulistischen Podemos, hält dagegen und konfrontiert Artur Mas mit den Haushaltskürzungen bei Schulen und Krankenhäusern, die in den Kompetenzbereich der Regionalregierung fallen:
"Warum sprechen wir nicht darüber, dass sie die Mehrwertsteuern für Schulbücher erhöht und Lehrer entlassen haben? Sie fragen uns nach unserer Fahne. Wir fragen, seid ihr für die katholischen Schulen des Opus Dei, die mit dem Geld der katalanischen Regierung errichtet worden sind, oder für die öffentlichen Schulen? Die Nation, das Vaterland, Katalonien baut man auch mit öffentlichen Schulen auf."
Die Katalanin Beatriz würde lieber über solche Sachthemen diskutieren. Denn im Zuge der Wirtschaftskrise hat die katalanische Regierung insbesondere bei Schulen und im Gesundheitsbereich stark gekürzt – so wie die Verwaltungen in allen anderen der hoch verschuldeten spanischen Regionen auch. Doch diese Debatte wird im lauten katalanischen Wahlkampf kaum geführt. Im Vordergrund steht das "Ja" oder "Nein" zur Unabhängigkeit. Diese Zuspitzung macht Beatriz wütend:
"Es ärgert mich sehr, dass die Leute so blind sind. Dieses Projekt der Unabhängigkeit wird doch von denselben Politikern vorangetrieben, die noch vor Kurzem so stark die sozialen Leistungen gekürzt haben, die korrupt sind und uns regelrecht bestohlen haben. Die wollt ihr jetzt wieder wählen? Wenn sie jetzt sagen, Madrid raubt uns aus, vergessen sie, dass sie dieses Land jahrzehntelang regiert und einfach schlecht verhandelt haben. Oder sie hatten eben andere Prioritäten."
Die Wahl findet zwei Wochen nach der Diada, dem katalanischen Nationalfeiertag, statt. Dem Tag, der an das Ende des Spanischen Erbfolgekriegs am 11. September 1714 erinnert, als das französische Königshaus der Bourbonen den Thron übernahm. Das Königreich Aragón, dem Katalonien angehörte, hatte vergeblich für eine Fortführung der spanischen Dynastie der Habsburger gekämpft. Vor allem England und Frankreich fochten diesen Krieg in ganz Europa aus.
Neuerdings wird er aber in Katalonien als Befreiungskrieg interpretiert, in dem die Region ihre Unabhängigkeit verloren habe und von Spanien besetzt worden sei. Zu den Kundgebungen zum Feiertag strömen seit Jahren mehr als eine Millionen Menschen nach Barcelona, in diesem Jahr ist sogar auch Bayern-München-Trainer Pep Guardiola mit einer Videobotschaft dabei. Geschichte und Wirtschaft – damit begründen auch bei der Diada junge Katalanen den Wunsch nach Unabhängigkeit:
- "Wir sind ein Volk, haben unsere Identität, unseren Glauben, unsere Geschichte. Wir wollen, was uns gehört. Unser Land. 1714 haben die Spanier es uns abgenommen, jetzt wollen wir es wieder haben. Hoch lebe Katalonien!"
- "Unsere Priorität ist die Unabhängigkeit. Wir sind uns sicher, dass wir uns viel besser selbst verwalten können. Wir zahlen so viele Steuern und bekommen vom Staat so wenig. Die Experten sagen uns, dass ein selbstständiges Katalonien viel reicher wäre. Nicht so wie heute."
- "Sie plündern uns aus, kommen von außen und nehmen uns unser Geld ab. Außerdem zwingen sie uns ihre Gesetze auf. Aber am wichtigsten ist das Geld. Was nicht geht, ist, dass sie die Hälfte von dem behalten, was wir erwirtschaften."
- "Unsere Priorität ist die Unabhängigkeit. Wir sind uns sicher, dass wir uns viel besser selbst verwalten können. Wir zahlen so viele Steuern und bekommen vom Staat so wenig. Die Experten sagen uns, dass ein selbstständiges Katalonien viel reicher wäre. Nicht so wie heute."
- "Sie plündern uns aus, kommen von außen und nehmen uns unser Geld ab. Außerdem zwingen sie uns ihre Gesetze auf. Aber am wichtigsten ist das Geld. Was nicht geht, ist, dass sie die Hälfte von dem behalten, was wir erwirtschaften."
Ähnlich argumentiert auch Alex Fenoll. Mit der Umverteilung der Steuereinnahmen behalte Spanien acht Prozent des katalanischen Bruttoinlandsprodukts für sich und boykottiere die Infrastruktur Kataloniens. Der 39-Jährige ist Unternehmer, auch er will am Sonntag für die Unabhängigkeit stimmen:
"Ich hatte vor Kurzem noch eine Firma, die Programme für Smartphones entwickelte. Wir hatten sie 2012 gegründet. Spanien hat uns nur Steine in den Weg gelegt. Das spanische Finanzamt hat uns einer Buchprüfung unterzogen, auch das Arbeitsamt führte eine Kontrolle durch. Sie versuchen ständig, uns irgendwelche Strafen aufzuerlegen. Nur hier in Katalonien, nirgends sonst gibt es so viele Kontrollen. Das ist die Art der Spanier, uns zu helfen."
Die katalanische Regionalregierung lud Alex Fenoll mit seinem jungen Unternehmen 2012 zum World Mobile Congress nach Barcelona ein, der größten Mobilfunkmesse in Europa. Als der damalige spanische Thronfolger Prinz Felipe, heute Spaniens Königs Felipe VI., die Messe besuchte, wurde Alex Fenoll berühmt.
"Als er sich näherte, verschränkte ich die Arme hinter meinem Rücken. Er fragte, ob ich ihm nicht die Hand geben wolle, und ich sagte: Nein. Warum? – Weil ihr uns nicht abstimmen lasst. Lasst uns abstimmen, und ich gebe dir die Hand. - Dann reichte ich dem katalanischen Regierungschef die Hand. Felipe drehte sich um und sagte: Alleine aus Gründen der Höflichkeit solltest du mir den Handschlag nicht verweigern. – Alleine aus Gründen der Höflichkeit solltet ihr uns über die Unabhängigkeit abstimmen lassen. Er sagte noch auf Katalanisch: Und wenn wir uns jetzt einfach die Hand reichen, mein Freund? Aber ich antwortete, dass wir keine Freunde sind. Wenn du Katalonien respektierst, können wir vielleicht Freunde sein."
Ein Handyvideo des Vorfalls kam ins Netz, seither ist Fenoll bekannt. Seinem Unternehmen hat das wenig genutzt, es wurde letztlich Opfer der tiefen Wirtschaftskrise, die ganz Spanien seit 2008 erschüttert. Doch ein kleines mittelständisches Familienunternehmen, in dem er ebenfalls tätig ist, entwickelt sich gut. In diesem Jahr machten sie 40 Prozent mehr Umsatz, freut er sich. Die Abspaltung bereitet ihm keine Sorgen, auch nicht, dass Katalonien dann vielleicht gar nicht Mitglied der Europäischen Union wäre und die katalanischen Banken nicht mit einer Finanzierung der Europäischen Zentralbank rechnen könnten.
"Viele Staaten sind nicht Mitglied der Europäischen Union. Das ist ja keine Wüste außerhalb der EU. Das wichtige in der Wirtschaft ist, wettbewerbsfähig zu sein. Das beste Produkt zum besten Preis zu haben. Alles andere ist zweitrangig. Wir können ja auch von außerhalb den europäischen, amerikanischen oder asiatischen Markt beliefern. Es wäre ja auch möglich, dass wir nach zwei Jahren in die EU aufgenommen werden. Und die Rechnungen stellen wir in Euro aus. Wie Unternehmen in Andorra auch."
Unabhängigkeitsbewegung wird auch mit Skepsis betrachtet
Auch Unternehmer Joan Llorach ist Katalane, sieht die Unabhängigkeitsbewegung jedoch mit großer Skepsis. Er hat gemeinsam mit dem ebenfalls katalanischen sozialistischen Politiker Josep Borell, ehemals Präsident des EU-Parlaments, die Zahlen nachgerechnet, mit denen die Anhänger eines eigenstaatlichen Kataloniens argumentieren. So etwa die Behauptung, die Regierung in Barcelona hätte dann 16 Milliarden Euro mehr für die Haushaltsplanung als jetzt. Man müsse ja nichts mehr nach Madrid überweisen.
"Diese 16 Milliarden berücksichtigen nicht die Aufgaben, die der Staat außerhalb von Katalonien wahrnimmt. Den diplomatischen Dienst, das Militär, die Gehälter von Steuerbeamten und so weiter. So, als wenn allein die Bürger Berlins für das Gehalt der deutschen Bundeskanzlerin aufkommen würden. Die Behauptung, ein unabhängiges Katalonien hätte 16 Milliarden mehr, setzt voraus, dass all diese staatlichen Aufgaben nichts kosten würden. Selbst der katalanische Finanzminister hat jetzt anerkannt, dass nur ein kleiner Rest von 2,4 Milliarden Euro übrig bleibt, wenn man von den katalanischen Steuern sämtliche regionalen und staatlichen Investitionen und Dienstleistungen abzieht."
Ohne Spanien blieben den Katalanen also nicht 16, sondern 2,4 Milliarden Euro übrig, nicht acht, sondern etwas mehr als ein Prozent des katalanischen Bruttoinlandprodukts.
Nach der spanischen Verfassung gibt es keine Möglichkeit zur Abspaltung eines Teils des Landes. Vor einem eigenstaatlichen Katalonien wäre also eine Verfassungsänderung notwendig mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit im spanischen Parlament. Sollte Spanien die Katalanen nicht ziehen lassen, werde man sich notfalls auch über die geltenden Gesetze hinwegsetzen, warnen die Anhänger der Unabhängigkeit wie Artur Mas. Das Volk stehe über den Gesetzen. Francesc Carreras kann darüber nur den Kopf schütteln. Er ist Verfassungsrechtsexperte an der Universität von Barcelona:
"Das haben im 20. Jahrhundert schon andere gesagt: Des Volkes Wille steht über dem Gesetz, das ist Carl Schmitt in Reinform. Das ist in Europa heute nicht zu akzeptieren. Demokratie und Rechtsstaat gehören zusammen. Das Volk über das Gesetz zu stellen ist Demokratie ohne Rechtsstaat. Das kann man nicht hinnehmen. Das ist nicht nur juristische Theorie, es steht auch in den Europäischen Verträgen. Als Grundprinzipien der Europäischen Union werden darin die Rechtsstaatlichkeit und der Respekt vor der territorialen Unversehrtheit genannt. Die Behauptung, die Demokratie befinde sich jenseits der Gesetze, kann kein Demokrat in Europa akzeptieren."
Weshalb der Jurist sich auch sicher ist, dass nach den Wahlen einfach zunächst gar nichts passieren werde, auch, wenn die Einheitsliste für die Unabhängigkeit knapp gewinnen sollte, wie es Umfragen vorhersagen. Eine unilaterale und damit widerrechtliche Unabhängigkeitserklärung werde auch international nicht akzeptiert werden, ist er sich sicher. Auch auf das Selbstbestimmungsrecht der Völker könne sich Katalonien nicht berufen. Die Katalanen würden ja nicht unterdrückt.
Referendum wurde von spanischer Regierung abgelehnt
Trotzdem hat Francesc Carreras schon vor vier Jahren zusammen mit weiteren Kollegen ein Referendum für Katalonien vorgeschlagen – im Einklang mit der Verfassung und den geltenden Gesetzen. Regierungschef Mariano Rajoy, der im spanischen Parlament eine absolute Mehrheit hinter sich weiß, war der Vorschlag damals zu riskant. Die Blockade könnte sich wohl erst nach den spanischen Parlamentswahlen im Dezember auflösen. Denn dann werden wohl zwei neue Parteien ins Parlament einziehen: die aus Katalonien stammende bürgerliche Ciudadanos und die linkpopulistische Podemos. Und vielleicht gibt es dann auch in Katalonien mehr Bereitschaft zum Dialog, hofft Carreras:
"Wir glauben, dass zur Lösung ein gegenseitiges Verständnis auf beiden Seiten nötig ist. Aber wir sind hier an einem Punkt angelangt ... Jeder der hier sagt, er will sich mit Madrid einigen, der wird ignoriert werden. Es müsste ein wenig Zeit verstreichen. Im Augenblick ist im öffentlichen Raum nur Platz für diejenigen, die die Unabhängigkeit wollen. Für niemanden sonst."
Bis dahin halten die Politiker jedoch an ihrem Konfrontationskurs fest. Niemand kann sagen, ob es nach den Wahlen für die Nationalisten überhaupt noch einen Weg zurück zu Verhandlungen gibt, zu viel haben sie ihren Wählern versprochen. Und auch Spaniens Regierung habe mit ihrer anhaltenden Kompromisslosigkeit alles dafür getan, in Katalonien als perfektes Feindbild zu gelten, erkennt auch Beatriz Sanz auf dem Paseo in Poble Nou an. Das Klima sei vergiftet. Wer nicht in das nationale Pathos mit einstimmen möchte, schweigt zum Thema Unabhängigkeit, auch in der eigenen Familie und bei Freunden:
"Letztes Jahr erlebte ich eine Freundin, die mit ihren Kindern, die ich auch sehr mag, bei der Demonstration zur Diada war. Sie schrie: Unabhängigkeit oder Tod. Ich dachte mir: Im Ernst? Du bist Mutter? Und rufst Unabhängigkeit oder Tod? Ich bin Mutter, für nichts in der Welt würde ich meine Kinder auf's Schlachtfeld schicken. Sind denn alle verrückt geworden? Ich vermeide das Thema. Ich finde keine Gesprächspartner, mit denen man in Ruhe argumentieren kann."