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Parlamentswahl in Slowenien
Gegen das Establishment

Die Slowenen wählen ein neues Parlament - zum zweiten Mal in drei Jahren. Als großer Favorit gilt der linksliberale Miro Cerar. Dessen genaues Programm ist zwar unklar, doch er weiß, wie er das Misstrauen der Bürger gegenüber der politischen Elite für sich nutzen kann.

Von Srdjan Govedarica |
    Dass Slowenien vor einem politischen Erdbeben steht, merkt man der Hauptstadt Ljubljana in diesen Tagen nicht an. Das Leben läuft seinen gewohnten Gang. Auch in der Markthalle im Stadtzentrum. Eine junge Frau steht hinter der reichbestückten Käsetheke. Freundlich und geduldig kassiert sie ein älteres Ehepaar ab. Auf die Wahlen angesprochen reagiert sie genervt.
    "Was soll sich schon ändern," sagt sie, "erst wenn wirklich alle Staatsbürger vor dem Gesetz gleich sind, dann kann es besser werden, bis das nicht getan ist, wird es nur die Elite gut haben."
    Dieses Misstrauen in die politische Elite teilen viele Slowenen. Denn der ehemalige EU-Musterknabe Slowenien hat nicht nur mit politischen Dauerfehden und einer tiefen Finanzkrise zu kämpfen, sondern auch immer wieder mit Korruptionsaffären.
    Favorit mit Saubermann-Image
    Miro Cerar tritt an, um das zu ändern. In einem Hotel im Zentrum Ljubljanas strahlt er inmitten seiner Anhänger und stimmt sie auf den Endspurt im Wahlkampf ein:
    "Wir haben bereits ein Image als ein Staat der Korruption, wir haben kein Ansehen mehr, wir sind auf Knien, wir sind auf dem Weg, eine leichte Beute für andere Staaten und große multinationalen Konzerne zu werden."
    Miro Cerar ist ein politischer Quereinsteiger mit Saubermann-Image. Seine linksliberale Partei gilt als Wahlfavorit, in den Umfragen liegt sie bei über 30 Prozent. Und das, obwohl sie erst Anfang Juni gegründet wurde. Der 51-jährige Miro Cerar hat sich als Verfassungsjurist in den vergangenen immer wieder zu Wort gemeldet und für mehr politische Moral appelliert. Den Wahlkampf führt Cerar mit unverfänglichen Parolen, sein Parteiprogramm bleibt ein Rätsel.
    Die größte Konkurrenz erfährt Cerar durch die Demokratische Partei Sloweniens SDS und ihren Vorsitzenden Janez Jansa. Er führt die slowenische Rechte schon seit über 20 Jahren und war auch schon Ministerpräsident. Es gehört zu den Kuriositäten dieser Wahl, dass Jansa als Spitzenkandidat im Gefängnis sitzt. Ende Juni hat er eine zweijährige Haftstrafe angetreten, wegen Verwicklungen in Schmiergeldzahlungen bei einem Rüstungsdeal. Jansa nutzt dieses vermeintliche Handicap im Wahlkampf sehr geschickt, weist jede Schuld von sich und inszeniert sich als Opfer einer Intrige. Bei seinem letzten öffentlichen Auftritt am Gefängnistor wird von seinen Anhängern als Held gefeiert.
    Wahl gegen das Establishment
    Dass die Slowenen sich zum zweiten Mal in drei Jahren für eine neue politische Option entscheiden müssen, liegt an internen Streitigkeiten der Regierungspartei "Positives Slowenien". In einer Kampfabstimmung wurde Anfang März die Ministerpräsidentin Alenka Bratusek von der Parteispitze geputscht und trat daraufhin von ihrem Regierungsamt zurück. Dabei hatte die 44-jährige Finanzexpertin einige wichtige Reformen angestoßen. Die Früchte ihrer Arbeit wird Alenka Bratusek bei dieser Wahl nicht ernten können - ihre Regierungskoalition ist zersplittert, drei von fünf Regierungsparteien müssen um den Einzug ins Parlament bangen. Das ist geradezu typisch für das Wahlverhalten der Slowenen in den vergangenen Jahren, sagt der Soziologe Gorazd Kovacic. Sie stimmen eben nicht für eine politische Idee, sondern gegen das Establishment.
    Als es den Menschen noch gut ging, haben sie einiges ertragen. Als die Krise kann, hat sich gezeigt, dass das gesamte System seine Legitimität eingebüßt hat. Die Leute haben angefangen, etwas Neues zu suchen. Und so kann es passieren, dass ein neues Gesicht auftritt, das Ehrlichkeit und Redlichkeit verspricht und dann aus dem Stand 30 und mehr Prozent erreicht.
    Dieses neue Gesicht ist das von Miro Cerar. Der Wahlsieg ist ihm wohl nicht zu nehmen. Noch ist aber völlig unklar, mit wem er koalieren wird und mit welchem Personal er sein Kabinett aufstellen kann. So oder so, eine Stabilisierung der politischen Verhältnisse in Slowenien ist wohl erst mal nicht in Sicht - darin sind sich Beobachter einig. Soziologe Gorazd Kovacic sieht es gelassen:
    "Das Spiel bleibt offen, und wir werden vielleicht in zwei, drei Jahren wieder Neuwahlen haben und wieder neue politischen neue Parteien, mit neuem Anstrich und neuen Propheten."