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Parlamentswahl in Spanien
"Aufsplitterung der Stimmen im Mitte-Rechts-Spektrum"

Die konservative spanische Volkspartei hat bei den Parlamentswahlen Stimmen verloren, unter anderem an die Rechtsaußenpartei Vox. Deren Erstarken etwa in Andalusien drücke ein "Gefühl des Abgehängtseins" ländlicher Regionen aus, sagte der CDU-Politiker Matern von Marschall im Dlf.

Matern von Marschall im Gespräch mit Jasper Barenberg | 29.04.2019
Matern von Marschall (CDU) spricht am 16.05.2018 im Bundestag
Vor allen Dingen könne man das Wahlergebnis in Spanien als eine politische Zersplitterung deuten, sagte der CDU-Politiker Matern von Marschall im Dlf (dpa / picture alliance / Kay Nietfeld)
Jasper Barenberg: Hart, aggressiv und oft auch schmutzig war der Wahlkampf in Spanien. Gewonnen hat ihn Ministerpräsident Sanchez mit seiner sozialistischen Arbeiterpartei. Die Wahl klar verloren haben die Konservativen, die ein Debakel erleben. Und dann gibt es ja auch noch die Rechtsaußenpartei Vox, die mit einer starken Formation ins Parlament einziehen wird. Eine Mehrheit für den Sozialdemokraten ist deshalb noch in weiter Ferne.
Hier live im Deutschlandfunk der CDU-Politiker Matern von Marschall, der für die Unions-Fraktion die politische Entwicklung in Spanien ganz besonders im Auge behält. Einen schönen guten Morgen, Herr von Marschall!
Matern von Marschall: Guten Morgen, Herr Barenberg.
Barenberg: Ein klarer Gewinner der Sozialdemokrat, Ministerpräsident Pedro Sanchez, und doch kein klarer Sieger. Kann man das Wahlergebnis so auf den Punkt bringen?
von Marschall: Ja. Vor allen Dingen kann man das Wahlergebnis deuten als eine politische Zersplitterung auch in Spanien. Lange Jahre, jahrzehntelang haben ja entweder die Sozialisten, oder die Konservativen das Land regiert. Jetzt gibt es sechs Parteien, sechs größere Parteien im spanischen Parlament. Das ist eine neue und eine schwierige Situation und ich glaube, Spanien muss lernen, koalitions- und kompromissfähig zu werden. Das ist jetzt die Aufgabe der Stunde.
"Die Aufgabe, eine Regierung zu bilden, ist sehr schwierig"
Barenberg: Aber immerhin gewonnen mit einem recht klaren Ergebnis und mit großem Abstand vor allen anderen haben die Sozialdemokraten. Muss man Pedro Sanchez beglückwünschen für diesen Sieg?
von Marschall: Das kann man jedenfalls tun, auch wenn die Aufgabe, eine Regierung zu bilden, jetzt sehr schwierig ist. Er hat im Grunde nur zwei Optionen, oder ob das Optionen sind, wird sich dann weisen: Einmal fortzusetzen die Regierung mit den Linkspopulisten, mit Podemos, und oder jedenfalls mit Unterstützung der katalanischen Nationalisten. Das ist ja aber schon mal schiefgegangen. Deswegen hat er ja jetzt Neuwahlen ausgerufen. Oder – und das ist eigentlich die für Spanien vielleicht beste Option – ein Bündnis mit den neuen, auch starken Kräften der Nationalliberalen, der Ciudadanos einzugehen, obwohl das bisher ja ein sehr feindselig geführter Wahlkampf gewesen ist und auch die Ciudadanos erst mal sich einen Ruck geben müssten, hier auf die Koalition zuzusteuern.
Barenberg: Die haben das ja ganz klar ausgeschlossen, wenn ich das richtig in Erinnerung habe. Was lässt Sie hoffen, dass die Führung von Ciudadanos da doch noch mal sich umstimmen lassen könnte?
von Marschall: Hoffen lässt mich – und das habe ich eingangs eben gesagt -, dass vielleicht Ciudadanos auch erkennt, dass jetzt nicht die Stunde von parteipolitischem Taktieren ist oder Partikularinteressen eine Rolle spielen sollten, sondern dass jetzt die Stunde für Spanien da ist, das gesamte Land im Auge zu behalten, dass im Interesse Spaniens jedenfalls dieses Bündnis wichtig ist, weil eine Fortführung einer Regierung, die sich abhängig macht von den katalanischen Nationalisten, sicher keine Stabilität verspricht.
Barenberg: Nun ist der Katalonien-Konflikt ja auch, was ein solches Bündnis angeht, eine große Hürde auf dem Weg zu einer gemeinsamen Regierung, die Sie sich wünschen würden. Denn Ciudadanos haben ja gerade die Möglichkeit ausgeschlossen, weil sie Pedro Sanchez vorwerfen, da einen falschen Kurs einzuschlagen.
von Marschall: Ja, das ist richtig. Auf der anderen Seite muss man ganz klar sagen, dass die Sozialisten in Spanien genauso wie alle anderen Parteien außerhalb Kataloniens für die Einheit Spaniens stehen, für einen Zusammenhalt des Landes, für die nationale Souveränität. Insofern, glaube ich, kann man bei gutem Willen jedenfalls da auch zusammenarbeiten. Und jetzt ein wenig die Polemik rauszukriegen und mit gutem Willen nach vorne zu gehen, glaube ich, das ist eine Aufgabe, der sollte sich auch der Vorsitzende der Ciudadanos Rivera unterziehen.
"Am Ende geht es ja wirklich nur ums Geld"
Barenberg: Und das heißt auch, Sie unterstützen Pedro Sanchez in dem Ansatz, mit den Separatisten in Katalonien zu verhandeln, statt sie immer nur zu verteufeln?
von Marschall: Das ist richtig, aber nicht zu verhandeln im Sinne einer Loslösung von Spanien. Das ist auch nach der Verfassung gar nicht denkbar. Und Verhandeln heißt – und ich glaube, da kommt es am Ende wirklich darauf an -, wie bekommt man in Spanien eine vernünftige Neuordnung der Beziehung zwischen den Regionen zustande. Am Ende geht es ja wirklich nur ums Geld. Wir kennen das in Deutschland auch, wenn es um den Länderfinanzausgleich geht, und das ist in Spanien nicht ganz unähnlich. Es gibt insbesondere eine Region, die große Privilegien, was die Autonomie bei der Steuererhebung angeht, hat. Das ist das Baskenland. Und ich glaube, diese großen Unterschiede in den Verhältnissen der Regionen zueinander, das muss mal auf den Prüfstand, und das ist übrigens auch eine Aufgabe, der sich die Ciudadanos selber stellen wollen. Da muss allerdings jeder, da müssen auch die Regionen selber Kompromissbereitschaft zeigen. Das ist bestimmt eine sehr schwierige Aufgabe.
Barenberg: Und wird unterm Strich herauskommen müssen, Herr von Marschall, dass es mehr Autonomie und damit, wie Sie gesagt haben, auch mehr Geld für Katalonien gibt? Der Preis, den Spanien wird bezahlen müssen, um diesen Konflikt zu befrieden.
von Marschall: Ja, nun! Ich meine, es können natürlich nicht alle mehr Geld bekommen. Das ist klar. So eine Rechnung kann nicht aufgehen. Ich will mal eines sagen und das hat in diesem Wahlkampf auch eine große Rolle gespielt. Es gibt viele Regionen in Spanien, die sehr stark unter Abwanderung, unter Landflucht leiden. Dieses Thema ist unter dem Begriff "La España vacía", das sich entvölkernde Spanien thematisiert worden. Ich glaube, um den Zusammenhalt des Landes zu stärken, muss die Politik sich sehr darauf konzentrieren, auch die ländlichen Räume zu stärken, und das wird natürlich auch bedeuten, dass diejenigen Regionen, die, weil sie wirtschaftlich stark sind, dazu beitragen können, das auch tun. Im Gegenteil glaube ich eher, dass für den Zusammenhalt des Landes die starken Regionen ein wenig auch auf die schwachen und auf die ländlichen werden zugehen müssen, denn das Erstarken von Vox in Andalusien ursprünglich, das ist ja auch ein Ausdruck des Gefühls des Abgehängtseins einer großen ländlichen Region, nämlich Andalusiens.
"Keine Partei in Spanien, die gegen die EU wäre"
Barenberg: Nun ist Vox mit 24 Abgeordneten künftig im Parlament in Madrid vertreten. Wie schätzen Sie die Zäsur für Spanien ein?
von Marschall: Ja! Vor allen Dingen ist das eine Zäsur, die natürlich die konservative Partei, die Volkspartei in Spanien betrifft, die ein ganz schlechtes Ergebnis erzielt hat. Sie hat allerdings Stimmen verloren, einerseits an die Nationalliberalen, an die Ciudadanos, andererseits eben auch an die Rechtsaußenpartei, die Vox, und übrigens im Bereich gemäßigter Wähler auch an die Sozialdemokraten oder die Sozialisten in Spanien. Das heißt, das ist vor allen Dingen eine Aufsplitterung der Stimmen im Mitte-Rechts-Spektrum des Landes. Und wie das sich in Zukunft auswirkt für die Positionierung der Volkspartei, das wird man erleben müssen.
Barenberg: Müssen sich die Konservativen, müssen sich die Christdemokraten in Spanien klar gegen Vox abgrenzen? Und wie würden Sie Vox überhaupt beschreiben? Ist das eine rechtspopulistische oder eine in der Tat rechtsextreme, ausländerfeindliche, frauenfeindliche Partei?
von Marschall: Ich glaube, eine Sache vorab, und die ist wichtig, auch wenn das uns vielleicht merkwürdig vorkommt. Es gibt keine Partei in Spanien und auch Vox nicht, die gegen die EU wäre. Das ist schon mal vielleicht ein Unterschied zu anderen rechtspopulistischen oder rechtsextremen Parteien in Europa, in der Europäischen Union. Aber Vox hat sicher auch, ich sage jetzt mal, vielleicht konservative Nostalgiker und sicher auch Altfrancisten in den eigenen Reihen. Das hängt vielleicht auch ein bisschen zusammen, dass Spanien sich dieser Aufarbeitung der eigenen Geschichte, die übrigens ja immer noch im Raume steht, nie wirklich gewidmet hat und dass deswegen ein Lagerdenken in Spanien so stark ist, dass sich Altnationalisten oder Francisten sozusagen immer noch sehr feindselig mit anderen Teilen der Gesellschaft gegenüberstehen. Ich glaube nicht, dass es zu einer Wiederbelebung des Francismus in Spanien kommt, aber jedenfalls Kräfte, die dort noch existieren, sind bestimmt auch in Vox versammelt und das ist schon etwas, was auch Anlass zur Sorge gibt.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.