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Parlamentswahl in Tadschikistan
Alles bleibt beim Alten

Rund 4,8 Millionen Menschen sind aufgerufen, in der Ex-Sowjetrepublik Tadschikistan ein neues Parlament zu wählen. Doch eigentlich haben sie gar keine Wahl, denn eine Opposition gibt es nicht in dem von Staatschef Emomali Rahmon autoritär geführten Land an der Grenze zu Afghanistan.

Christina Nagel im Gespräch mit Britta Fecke |
Emomali Rahmon, seit 1994 Staatspräsident von Tadschikistan
Emomali Rahmon ist seit 1994 Staatspräsident von Tadschikistan (Imago / Alexei Druhhinin /Tass)
Britta Fecke: Schon die letzten Wahlen wurden von internationalen Beobachtern als "nicht frei und demokratisch" kritisiert. Geht Dauerpräsident Emomali Rahmon seitdem noch härter gegen die Opposition vor
Christina Nagel: Also, man muss schon sagen, dass die Opposition, die es noch gibt, extrem schwer hat. Also sie kämpfen immer wieder mit Anschuldigungen, sie seien Spione oder Extremisten. Viele, die sich auf Oppositionsseite engagieren, bekommen keine Jobs. Da wird dann eben gesagt "Ah ne, wenn du in der Partei bist, dann wirst du nicht eingestellt." Und trotzdem gibt es eine Partei, die als letzte existierende Oppositionspartei gilt - die tatsächlich zur Wahl zugelassen worden ist. Das ist die Sozialdemokratische Partei Tadschikistans. Allerdings muss man dazu sagen, ist sie erst auf den letzten Drücker zugelassen worden. Das heißt, die Zulassung gab es am 6. Februar. Jetzt am 1. März, wird halt direkt gewählt. Und das Geld für den Wahlkampf, das vom Staat gezahlt wird, haben sie erst am 14. Februar gekriegt. Das war also extrem wenig Zeit, um echten Wahlkampf zu betreiben. Und dann gibt es eben noch eine Besonderheit, die eben als Hebel dient, um die politische Konkurrenz kleinzuhalten: Es gibt nämlich die Regel, dass jeder Kandidat den man aufstellt, eine Kaution hinterlegen muss. Und die ist extrem hoch. Das heißt, die Sozialdemokratische Partei zum Beispiel hat es nur deshalb geschafft, überhaupt fünf Kandidaten zur Wahl zu bringen, indem sie ihr Auto verpfändet hat - der Chef hat das getan - und er hat dann auch noch seine Wohnung verpfändet, um Wahlkampfmaterial drucken zu lassen. Da sieht man schon: die Opposition hat es alles andere als einfach.
Der Wahlsieger steht schon vorher fest
Fecke: Es steht außer der Sozialdemokratischen Partei noch irgendwer auf dem Wahlzettel?
Nagel: Es sind tatsächlich sieben Parteien, die antreten. Wobei sehr klar ist, wer da als Sieger vom Platz gehen wird. Das ist die Regierungspartei, das ist die Demokratische Volkspartei. Fünf andere Parteien, die dann noch mit auf dem Zettel stehen, von denen sagen eben viele hinter vorgehaltener Hand: "Na ja, das sind mehr oder weniger Marionettenparteien". Die unterscheiden sich von der Regierungspartei eigentlich nur in einzelnen Bereichen. Also, da gibt es zum Beispiel die Agrarpartei. Die unterscheidet sich dann eben von der Regierungspartei, indem sie ein etwas anderes Programm hat, was die landwirtschaftlichen Themen angeht. Das wird aber, ehrlich gesagt, nicht so wirklich ernst genommen.
Fecke: Wenn auch jetzt eigentlich schon fest steht, wer die Wahl gewinnt. Gab es überhaupt einen richtigen Wahlkampf? Beziehungsweise was waren die Themen, die Emomali Rahmon bedient hat oder womit er versucht, sein Volk weiterhin auf sich einzuschwören?
Nagel: Also, echten Wahlkampf, würde ich sagen, hat es nicht gegeben. Also, in Duschanbe hat man hin und wieder mal so kleinen DIN-A4-Zettel gesehen. Da war dann ein Foto von einem Kandidaten drauf, mit ein bisschen Text drum rum. Aber nicht so etwas, wie wir es kennen, mit großen Programmaufrufen, mit Wahlmaterial, was verteilt worden ist. Und diese sozialdemokratische Partei, die als Opposition gilt, hat gesagt: "Also, wir waren die einzigen, die tatsächlich wirklich auf das Land gefahren sind und mit den Leuten gesprochen haben." Die Regierungspartei hat immer ihre Vertrauenspersonen geschickt. Da ist also nicht der Kandidat selbst gekommen, sondern hat irgendjemand aus dem Dorf beauftragt, der ihm sehr wichtig ist in dem Dorf. Der hat dann erklärt, wer da antritt und was die Themen angeht. Da ging es in erster Linie dann immer wieder darum, dass man gesagt hat: "Wir wollen, dass dieses Land stabil ist. Wir wollen weiter für den Aufschwung des Landes sorgen und für das persönliche Glück eines jeden Tadschiken." Und dass ist immer das, was eben auch der Präsident Emomali Rahmon vor sich herträgt, dass er eben eine nationale Strategie entworfen hat, wo es immer wieder darum geht, dass er das Land aufbauen will. Es ist nämlich nach wie vor das ärmste in der zentralasiatischen Region.
Fecke: Kritisiert die Bevölkerung das autoritäre Regime, weil sie hat ja auch eigentlich niemand anders kennengelernt als diesen Präsidenten. Oder kritisiert die Bevölkerung er die wirtschaftliche Lage des Landes?
Der Präsident hat sich zum "Führer der Nation" erklärt
Nagel: Eigentlich hört man Kritik generell gar nicht. Also, das gilt natürlich auch darum, dass man einem ausländischen Korrespondenten jetzt nicht unbedingt auf die Nase bindet, was nicht gut läuft in diesem Land. Aber es gilt eben ganz besonders, dass man nicht den Präsidenten kritisiert. Da ist eher das Gegenteil der Fall. Er trägt ja mittlerweile auch den Ehrentitel "Führer der Nation". Das heißt, da wird bei jeder Gelegenheit, ob man danach fragt oder nicht, immer wieder gelobt, was man ihm alles zu verdanken hat, wie sehr er sich um alles kümmert. Das fängt an bei Straßenbauprojekt. Da geht es um Krankenhäuser, die entstanden sind, Wasserkraftwerke, die er immer mit viel Pomp, dann eröffnet. Und da wird immer wieder betont, dass er und seine politische Führung - was meint, in erster Linie seine Familie, seinen Clan - dass die dafür gesorgt haben, dass nach dem Bürgerkrieg, den man durchlitten hat, endlich wieder Stabilität ins Land gekommen ist, dass es langsam bergauf geht. Und das ist etwas, zu dem viele sagen, dass diese Stabilität, dieser Fortschritt, das ist alles viel wichtiger als irgendwelche Wahlprogramme, Wahlfreiheiten, Pressefreiheiten oder irgendwelche anderen Parteien, die da möglicherweise mit anderen Ideen kommen.
Fecke: Nun waren sie ja gerade da. Das eine ist das, was man Ihnen gesagt hat. Was haben Sie denn gesehen?
Nagel: Es ist tatsächlich so, dass im Land im Moment wahnsinnig viel gebaut wird. Es gibt viele Straßenbauprojekte, die am Entstehen sind, damit man eben auch zu den Nachbarstaaten, zu denen man im Moment besseres Verhältnis hat, wieder mehr Kontakt hat. Dass es einen Binnenmarkt geben kann. Das gilt eben auch für Afghanistan, das ja bei uns immer so ein Land ist, über das wir sagen "Um Gottes willen!" Aber Tadschikistan hat eben eine lange Grenze mit Afghanistan. Und da guckt man zwar schon mit einer gewissen Sorge und würde sich mehr Stabilität wünschen. Aber man hat da ein sehr pragmatisches Verhältnis, auch zu denen. Das heißt, da ist schon zu spüren, dass sich was tut im Land. Und das ist natürlich das, was die Regierungspartei - und in diesem Jahr wird ja auch noch der Präsident neu gewählt - was natürlich auch der Präsident selbst noch mal sehr unterstreicht und vor sich herträgt, dass es eben aufwärts geht: dass viel gebaut wird, dass viele Arbeitsmigranten eben zurückkommen können aus Russland und jetzt eine Arbeitsperspektive finden. Aber, und das muss man allerdings auch sagen, es gibt extrem viele junge Leute im Land, die eben keine Arbeit haben. Und das birgt trotz allem einen gewissen sozialen Sprengstoff.
Fecke: China ist der größte Investor im Land, wie ist das Verhältnis zu diesem Nachbarn?
Die Grenze zu China bleibt offen - zu Afghanistan nicht
Nagel: Ein, ja, sehr positiv ausgedrücktes Verhältnis. Also, Corona Virus hin oder her, die Grenze bleibt offen. Anders als zu Afghanistan hat man die Grenze im Moment zugemacht, weil man Angst vor dem Virus hat. Da merkt man schon, welchen großen Einfluss dieser große Nachbar eben hat. Und Investor Nummer eins heißt natürlich auch, dass China sich die Kredite, die man gibt, anders als der Westen, der da sehr zurückhaltend ist, dass sie sich das natürlich auch bezahlen lassen. Und die tadschikische Führung nimmt das zur Kenntnis, wiegelt aber öffentlich immer wieder ab und sagt, dass man diese Abhängigkeiten gut im Griff habe. Das würde ich so ein bisschen bezweifeln, denn viele dieser Infrastrukturprojekte, die China bezahlt hat, das haben sie sich gut bezahlen lassen. Sie haben zum Beispiel Lizenzen erhalten: für die Erschließung großer Silbervorkommen, auch für den Abbau Seltener Erden. Das heißt, da wird auch viel wieder abgezogen. Da gibt es neue Abhängigkeiten unter dem schönen Stichwort neue Seidenstraße. Trotz allem ist Tadschikistan auf China und diese Kredite angewiesen, um tatsächlich in irgendeiner Form voran zu kommen.