Gut sieben Millionen Schweden sind wahlberechtigt und viele werden vom Wahlrecht Gebrauch machen. Das hat Tradition, vor vier Jahren waren es deutlich über 80 Prozent. Die Wahllokale öffnen früh um acht Uhr morgens und schließen spät, nämlich erst zwölf Stunden später, erste Ergebnisse werden deshalb am späteren Abend erwartet. Und zwar mit ungewöhnlicher Spannung.
Die schwedische Presse spricht von einer "Schicksalswahl", vom möglichen "Untergang der Sozialdemokratie", die das Land in vielen Jahrzehnten unangefochtener Vorherrschaft geprägt hat. Zwar liegen die Sozialdemokraten mit ihrem Vorsitzenden Stefan Löfven den meisten Umfragen zufolge vorn, aber nur noch mit um die 24 Prozent. Dicht gefolgt, womöglich am Ende sogar überholt von den populistischen Schwedendemokraten, denen zwischen 19 und vereinzelt sogar 25 Prozent vorhergesagt werden. Ihr Vorsitzender ist der 39-jährige Jimmie Åkesson, der sich aufgrund der Umfragen bereits als Sieger sieht und wenn schon nicht auch als neuen Regierungschef, dann zumindest als "Königsmacher". Motto: Ohne mich geht nichts im neuen Reichstag:
"Wer uns am meisten gibt und mit uns redet, hat die größte Chance, zu regieren. Es ist eine Sache, Regierungschef zu werden, eine andere, Politik im Reichstag durchzusetzen."
Politische Blöcke gleichauf
Es wird tatsächlich schwer, die Schwedendemokraten weiter wie bisher aus allen politischen Entscheidungsprozessen herauszuhalten. Denn der linke Block mit den bisher aus einer Minderheit heraus regierenden Sozialdemokraten und Grünen plus der Linkspartei liegt etwa gleichauf mit dem der bürgerlich-konservativen Vier-Parteien-Allianz. Keiner dieser Blöcke könnte allein eine neue Regierung bilden. Rot-Grün wäre - wie bisher - auf die Duldung durch die Allianz angewiesen, die Allianz wiederum auf die Duldung durch die Schwedendemokraten.
Jonas Sjöstedt, Chef der Vansterpartiet, macht in einer der letzten Fernsehdebatten der Spitzenkandidaten noch einmal Werbung fürs "Weiter so": "Werden die Rotgrünen größer als die bürgerlichen Parteien, bildet Löfven wieder eine linksorientierte Regierung. Jede andere Lösung baut darauf, dass die Schwedendemokraten direkten Einfluss auf die Regierungsbildung nehmen können, und das will ich nicht!"
"Sich abzeichnende krisenhafte Situation"
Ganz anders sieht das Ulf Kristersson, Chef der "Moderaten", der größten Allianzpartei: "Die Allianz ist Schwedens größte Regierungsalternative. Wenn Löfven nicht vorhat, sich von den Schwedendemokraten stützen zu lassen, um eine Allianzregierung auszuschließen, bin ich der Meinung, dass wir regieren sollten."
Vor der Wahl hatten aber beide Blöcke alle zumindest denkbaren Bündnisse, auch eine Große Koalition, strikt ausgeschlossen. Die Bildung einer Regierung neuen dürfte also schwierig werden und auch dementsprechend lange dauern, sagt Henrik Oscarsson, Professor für Staatswissenschaft an der Universität in Göteborg: "Nach der Wahl wird es so etwas wie einen Stellungskrieg von bisher ungekanntem Ausmaß geben. Die gewählten Reichstagsmitglieder haben dann die historische Aufgabe, den schwedischen Parlamentarismus neu zu erfinden. Sie müssen ganz neue Wege suchen, um die sich abzeichnende krisenhafte Situation zu lösen."