Nach Ansicht des Politikwissenschaftlers von Alemann war die Alternative für Deutschland (AfD) schon immer eine rechte, populistische Partei. Parteigründer Bernd Lucke habe davor die Augen verschlossen, sagte von Alemann im DLF. Es sei absehbar gewesen, dass es deshalb zu schweren Konflikten kommen würde.
Die Partei würde in Parlamenten nur überleben, wenn sie einen Kompromiss zwischen den beiden Lagern - rechtskonservativ und wirtschaftsliberal - hinbekomme. Wenn sich die AfD aber wie beim Parteitag in Essen als Pegida-Partei deklarieren wolle, habe die bürgerliche Seite keine Zukunft mehr.
Die Erfolgsaussichten einer neuen Partei, wie sie derzeit diskutiert wird, hält von Alemann für äußert gering. "Das kann eigentlich nicht gut gehen", sagte er. Dies wäre eine kleine Gruppe aus Europaabgeordneten. "Das wird eine verkopfte Professorenpartei werden."
Das Interview in voller Länge:
Dirk-Oliver Heckmann: Er hat seine Partei zu erstaunlichen Erfolgen geführt. Seit gestern Abend ist aber klar: Bernd Lucke ist längste Zeit Mitglied der AfD gewesen, der Partei, die er mitgegründet hat und von deren Vorsitz er am Wochenende verdrängt wurde beim Parteitag der AfD in Essen. Gestern gab Lucke in Straßburg bekannt, dass er der AfD am Freitag den Rücken kehren werde. Dazu spreche ich jetzt mit Ulrich von Alemann, Parteienforscher an der Uni Düsseldorf. Schönen guten Morgen, Herr Alemann!
Ulrich von Alemann: Guten Morgen, Herr Heckmann.
Heckmann: Ist damit die AfD aus Ihrer Sicht praktisch am Ende?
von Alemann: Die AfD ist damit tatsächlich schwer sozusagen amputiert und ob sie das als Partei überlebt, ist die Frage. Natürlich: Sie hat starke Positionen. In Brandenburg ist sie mit zwölf Prozent in den Landtag gewählt worden. Sie wird das nicht so schnell aufgeben.
Ob sie aber bei den Bundestagswahlen eine Chance hat, bei den nächsten Bundestagswahlen in den Bundestag zu kommen, das werde ich stark bezweifeln.
Ob sie aber bei den Bundestagswahlen eine Chance hat, bei den nächsten Bundestagswahlen in den Bundestag zu kommen, das werde ich stark bezweifeln.
"Eine populistische Partei ohne populistische Wähler ist nicht denkbar"
Heckmann: Bernd Lucke hat seinen Schritt ja unter anderem damit begründet, dass er gesagt hat, die islam- und ausländerfeindlichen Kräfte unter anderem, die hätten in der Partei die Oberhand gewonnen.
Ist das eigentlich eine realistische Zustandsbeschreibung, oder war diese Partei nicht immer schon so, wie sie war, und Bernd Lucke stellt das jetzt anders dar?
Ist das eigentlich eine realistische Zustandsbeschreibung, oder war diese Partei nicht immer schon so, wie sie war, und Bernd Lucke stellt das jetzt anders dar?
von Alemann: Ja ich glaube, Bernd Lucke stellt das so dar. Dass er jetzt nicht mehr der Vorsitzende ist und nicht mehr die Mehrheit hat, das ist das Problem, das eigentliche Problem.
Inhaltlich war das immer schon eine populistische Partei, eine rechte populistische Partei. Bernd Lucke hat die Mitläufer und die Wähler aus diesem Sektor gerne in Kauf genommen, solange er die Partei führte, und hat die Augen davor verschlossen, was für Wutbürger, wie er sie heute nennt, bei ihm mitgemacht haben.
In einer weiteren Erklärung steht, er wolle sich von den rechten Phrasendreschern, den Verschwörungstheoretikern, den Querulanten, den Intriganten, den Karrieristen, davon wolle er sich lösen.
Ich meine, die waren immer schon in der Partei und er hat sie aber nicht wirklich zur Kenntnis nehmen wollen. Und jetzt, wo er nicht mehr die Mehrheit hat und die Partei bestimmen kann, jetzt wirft er deswegen einfach die Flinte ins Korn. Das ist einfach inkonsequent. Es war immer eine populistische Partei. Nur eine populistische Partei ohne populistische Wähler ist nicht denkbar.
AfD-Spaltung war absehbar
Heckmann: Der wirtschaftsliberale Flügel ist jetzt unter die Räder gekommen. Wie ist das zu erklären? War das absehbar?
von Alemann: Ja es war absehbar, dass es dort zu schweren, schweren Konflikten kommt, und die Partei würde in den Parlamenten wahrscheinlich nur erfolgreich überleben, wenn sie es irgendwie geschafft hätte, hier zu einem Kompromiss zu kommen. Aber wenn tatsächlich Pegida-Unterstützer auf diesem Parteitag in Essen sich lautstark bemerkbar machten und diese Partei als die Partei für die Pegida-Unterstützer deklarieren wollen, dann hat diese bürgerliche Seite, diese konservativ-bürgerliche Seite keine Zukunft.
Deswegen war es wohl absehbar und unvermeidlich, dass sich die Partei spaltet, denn nicht nur Lucke ist ja ausgetreten. Es gibt schon eine neue Homepage von "Neustart 2015". Da sind auch die meisten der Europaabgeordneten. Diese Professoren und andere Prominente wie Henkel kündigen ihren Rücktritt an und fordern ganz offen zu einer Neugründung, und zwar der alten AfD, der ursprünglichen AfD. Die soll jetzt wieder neugegründet werden, als ob nichts gewesen wäre, und das kann eigentlich nicht gut gehen.
"Das wird eine verkopfte Professoren-Partei werden"
Heckmann: Bernd Lucke hat sich ja noch nicht entschieden, ob er dabei wäre bei der Neugründung einer Partei. Sie sagen gerade, das kann nicht gut gehen. Hätte die keine Aussichten auf Erfolg?
von Alemann: Nein, das glaube ich nicht. Das wäre eine kleine Gruppe, die tatsächlich aber schon aufruft, eine neue Partei zu gründen. Das ist schon wohl einen Schritt weitergegangen als gestern Abend. Da sind Hans-Olaf Henkel dabei, Joachim Starbatty, der Europaabgeordnete Bernd Kölmel und die Abgeordnete Ulrike Trebesius.
Das wird offensichtlich ganz konkret vorbereitet. Dass die aber irgendeine Mehrheitschance hat, eine Chance oberhalb der fünf Prozent, das kann ich mir nicht vorstellen. Das wird eine verkopfte Professorenpartei werden.
"Lucke war nicht charismatisch"
Heckmann: So schnell die AfD aufgestiegen ist, so schnell scheint ihr Abstieg jetzt sich zu vollziehen. Wie typisch ist diese Entwicklung für neue Parteien?
von Alemann: Man kann das bedauern, weil Leben im Parteiensystem natürlich im Grunde willkommen ist. Man kann es bedauern, aber es ist sehr, sehr häufig der Fall. Neue Parteigründungen, gerade wenn sie sich als Alternativen zu den alten Parteien verstehen, die ziehen die Querulanten von allen Ecken und Enden an, gerade aus den bisherigen Parteien, die dann ihre kleinen Fraktionskämpfe erst mal weiterführen. Und da zu einer Einigung zu kommen, dazu braucht es schon eine wirklich charismatische Führung, und diese hat Herr Lucke nicht an den Tag gelegt.
Heckmann: Bernd Lucke tritt aus der AfD aus, also aus der Partei, die er mitgegründet hat, und darüber haben wir gesprochen mit Ulrich von Alemann, parteienforscher an der Universität Düsseldorf. Herr Alemann, danke Ihnen für das Gespräch.
von Alemann: Ja vielen Dank.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.