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Parteienchaos in Italien
Fünf-Sterne-Bewegung auf dem Vormarsch

In Italien ist Silvio Berlusconis politisches Ende nun endgültig besiegelt und um seine Mitte-Rechts Partei "Forza Italia" ist es ebenso schlecht bestellt. Die Linke wiederum leidet darunter, dass sich der Linke-Ministerpräsident Matteo Renzi zunehmend als Alleinherrscher geriert. Von diesem Chaos profitiert dafür die Fünf-Sterne-Partei "Grillini".

Von Karl Hoffmann |
    Italiens Ministerpräsident Matteo Renzi gibt bei einer Pressekonferenz bekannt, dass er die Leichen des gesunkenen Flüchtlingsboots bergen lassen will.
    Matteo Renzi, italienischer Ministerpräsident, regiert als Linker bis heute nur mit Unterstützung rechter Abgeordneter. (dpa / picture alliance / Angelo Carconi)
    Italiens Rechte hatte, solange Silvio Berlusconi an der Regierung war eine wahre Blüte erleben dürfen, kam sogar auf Ministerposten. Doch nun ist seine politische Karriere endgültig zu Ende.
    "Berlusconi war dem Tod nahe. Er kam in sehr schlechtem Zustand ins Krankenhaus", erklärte der Herzchirurg Ottavio Palmeri am vergangenen Sonntag.
    Inzwischen ist Berlusconi operiert worden und auf dem Weg der Besserung. Doch der Zustand seiner Partei Forza Italia sei umso gravierender, meint Andrea Scanzi Politexperte der römischen Tageszeitung "Il fatto quotidiano"
    "Noch nie war Mitte-Rechts so unbedeutend wie jetzt. Ganz offensichtlich haben die letzten 20 Jahre unter Berlusconi einen Scherbenhaufen hinterlassen, im ganzen Land und speziell auch bei den Mitte-Rechts-Parteien, denn denen geht es nun wahrhaftig nicht gut."
    Pakt zwischen Renzi und Berlusconi
    Dramatisch schlecht war das Abschneiden beim ersten Durchgang der Kommunalwahlen in der Hauptstadt Rom. Trotz der in der Regel deutlich rechts orientierten Wählerschaft schaffte es die einstige Berlusconi-Vertraute Giorgia Melloni nicht einmal in die Stichwahl. Die ihr fehlenden Stimmen bekam ein zweiter konservativer Kandidat, den ausgerechnet Berlusconi eilig aufgestellt hatte. Das sorgte für böses Blut.
    "Ich sage das nicht ohne Verbitterung, dass wir am Ende doch noch unterlegen sind: Berlusconi muss wohl mal über seine unüberlegten Aktionen nachdenken, die er da an den Tag gelegt hat. Sein Kalkül war, dem Links -Kandidaten der Partei von Matteo Renzi in die Stichwahl zu verhelfen, um indirekt den Ministerpräsidenten zu unterstützen."
    Letzte Hoffnung des alternden Medienzars auf ein politisches Comeback an Renzis Seite? Ein heilloses Verwirrspiel herrscht zur Zeit in der politischen Landschaft Italiens. Rechts und links sind vielerorts nicht mehr zu unterscheiden. Am wenigsten im Parlament. Dort kann Matteo Renzi bis heute nur mit Unterstützung rechter Abgeordneter regieren, dank eines Paktes, den Renzi nach seiner Ernennung zum Ministerpräsidenten mit dem unterlegenen Berlusconi geschlossen hatte und letzterem vor allem den Erhalt seines Medien- und Wirtschaftsimperiums garantierte. Beispielsweise durch eine bis heute nicht vollzogene Verschärfung für Strafen bei Korruption und Steuervergehen. Berlusconi rechtfertigte den Pakt mit der Linken mit der üblichen Selbstdarstellung als Retter Italiens:
    "Wir hofften - auch weil Renzi nichts mehr mit der kommunistischen Ideologie zu tun hatte – mit ihm zusammenarbeiten zu können, um Italien auf Vordermann zu bringen. Und die nötigen Reformen gemeinsam durchzuführen. Aber so lief es nicht und wir haben eingesehen, dass man nicht mit jemandem zusammenarbeiten kann, der sich nicht an die Vereinbarungen hält."
    Fünf-Sterne-Partei wird immer populärer
    Renzi ist aus dem Ruder gelaufen. Ein Teil von Berlusconis einstigen Getreuen hat sich vollends auf die Seite des Sozialdemokraten geschlagen und unterstützt die von ihm massiv betriebene Verfassungsreform. Sie soll dem Regierungschef künftig eine stärkere Machtposition garantieren. Ausgerechnet Berlusconi, der sich selbst oft als Alleinherrscher gerierte, ahnt nun Böses:
    "Sollte diese Verfassungsreform stattfinden, dann gibt es nur noch einen Padrone in Italien. Ich weiß nicht, wie man das anders als mit dem Wort Regime bezeichnen soll."
    In diesem Machtkampf wird Italiens Rechte nun aufgerieben. Berlusconi, alt und krank, ist aus dem Spiel, Renzi setzt alles auf eine Karte. Doch beide haben die Rechnung ohne die Fünf-Sterne-Partei gemacht. In Rom werden die Grillini, benannt nach dem Parteigründer Beppe Grillo, am kommenden Sonntag möglicherweise die erste wichtige Bastion stürmen und Renzis Kandidaten in der Stichwahl schlagen.
    Renzi hat nach dem Motto "divide ed impera" Berlusconis Rechte neutralisiert, aber inzwischen einen viel gefährlicheren Gegner. Die Fünf-Sterne-Partei wird, seit sie den anfänglichen Populismus abgelegt hat, immer populärer. Sie zieht all jene Wähler an – rechte wie linke – die keinen Alleinherrscher wollen, ob er nun Berlusconi oder Renzi heißt. Die Rechte ist nach Berlusconis Abgang zerfallen. Weil ohne Renzi der Linken das gleiche Schicksal droht, sitzt ER– zumindest vorläufig noch – dafür fest im Sattel.