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Parteienlandschaft
"Wir brauchen keinen Populismus"

Die Tonlage in der Politik ist in den vergangenen Monaten schärfer geworden. Der Historiker Paul Nolte meint: Es tut Deutschland vielleicht ganz gut, sich von zu viel Konsens zu verabschieden. Populismus sei aber eher gefährlich als notwendig, sagte Nolte im DLF. Dabei gehe es nämlich nicht um politische Positionen, sondern um diffuse Ängste und Misstrauen.

Paul Nolte im Gespräch mit Burkhard Müller-Ulrich |
    Zwei Menschen gehen in Merseburg in Sachsen-Anhalt an einem Wahlplakat der Alternative für Deutschland vorbei
    Der Hostoriker Paul Nolte spricht von einem Populismus, der in einer "Falle der Angst" sitzt. (imago stock and people)
    Nolte, Professor für Neuere Geschichte an der Freien Universität Berlin, erinnerte an die Zeit vor der Agenda 2010. Damals habe ein mindestens ebenso rauer Ton geherrscht wie heute, so der Historiker im Deutschlandfunk. Die "Sozis", wie es damals hieß, und die "Schwarzen" hätten sich nichts geschenkt. Seit einem guten Jahrzehnt könne man aber Züge einer "Hyper-großen Koalition" beobachten: Die Parteien hätten sich in die Mitte bewegt, neben den Unionsparteien und der SPD seien immer wieder auch Grüne und Linke einbezogen worden. Da sei es für viele Menschen schwierig, nachzuvollziehen, was sich politisch vollziehe.
    Diffuse Haltung der Ängste und des Verdachts
    Inzwischen spielten sich politische Auseinandersetzungen seltener zwischen den Parteien ab, sondern innerhalb von ihnen: "Die SPD ist sich nicht einig, wie es in der Flüchtlingspolitik weitergeht, die CDU auch nicht." Populismus sei aber keinesfalls die Lösung, betonte Nolte: "In dem, was wir jetzt erleben, geht es gar nicht darum, dass bestimmte politische Positionen besetzt werden. Es geht um eine diffuse Haltung der Ängste und des Verdachts und des Misstrauens." Ein solcher Populismus, der in der Falle der Angst sitze, sei gefährlich und nicht notwendig.
    Nolte steht im schwarzen Jackett und hellblauen Hemd vor einer weißen Wand, das Bild zeigt seinen Kopf und seine Schultern.
    Der Historiker und Autor Paul Nolte, seit 2005 Professor für Neuere Geschichte an der FU Berlin, aufgenommen am 14.10.2012 in Köln. ( Horst Galuschka / dpa)
    Es gebe einen Verdacht, von den Eliten nicht verstanden zu werden, so Nolte. Dabei lasse man es allerdings gar nicht erst darauf ankommen, mit den Menschen, die sich politisch engagierten, ins Gespräch zu kommen. "Meine Befürchtung ist, dass sich die Ängste und das Misstrauen gegen die Elite schon so tief eingefressen haben, dass das Problem eines Verstandenwerdens gar nicht mehr zur Debatte steht."
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.