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Parteigründung vor 70 Jahren
Der BHE brachte Altnazis in die Bundesregierung

Der "Block der Heimatvertriebenen und Entrechteten" erhielt ab 1950 viel Zulauf von neuen Bürgern aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten. Das Spitzenpersonal der Partei hatte fast durchgehend eine NS-Vergangenheit, zwei ehemalige NSDAP-Mitglieder wurden zu Ministern unter Adenauer.

Von Bert-Oliver Manig |
    Theodor Oberländer am 26.04.1960 zu Beginn der CDU-Vorstandssitzung in Karlsruhe.
    Theodor Oberländer wurde als ehemaliges NSDAP-Mitglied unter Konrad Adenauer Bundesvertriebenenminister. Im November 1923 hatte er am gescheiterten Hitler-Ludendorff-Putsch teilgenommen. (dpa)
    1950 sprach niemand von einer "Flüchtlingskrise", dabei hätte der Begriff gepasst: In der Bundesrepublik zählte man damals mehr als acht Millionen Flüchtlinge und Vertriebene aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten. Fünf Jahre nach Kriegsende lebten viele noch immer in provisorischen Unterkünften, auch hatte die Arbeitslosigkeit unter den Flüchtlingen seit der Währungsreform rapide zugenommen.
    Eine Vertriebenenpartei existierte zunächst noch nicht – aus Sorge vor einer Radikalisierung hatten die Besatzungsmächte eine solche Gründung vor der ersten Bundestagswahl 1949 verhindert. Erst am 8. Januar 1950 kam es in Kiel zur Gründung einer Interessenpartei, die sich "Block der Heimatvertriebenen und Entrechteten", kurz BHE, nannte. Die Partei vertrat das Recht auf Rückkehr in die alte Heimat, vor allem aber forderte sie eine tiefgreifende Vermögensumverteilung zugunsten der Flüchtlinge, wie ihr Vorsitzender, Waldemar Kraft, betonte:
    "Hier scheint uns zur Bereinigung des Unrechtszustands ein Eingriff in die verbliebene Vermögenssubstanz unerlässlich. Wir glauben nicht, dass der innere Frieden in Deutschland gewahrt bleiben kann, dass keine soziale Gerechtigkeit bestehen wird und auch kein nachhaltiger wirtschaftlicher Aufschwung, wenn die Hälfte der Deutschen davon ausgeschaltet sind, am wirtschaftlichen Wiederaufbau mitzuarbeiten und wieder zu einer Existenz zu kommen, auf die sie Anspruch haben."
    Ehemalige NSDAP-Mitglieder in der Bundesregierung
    Bereits bei den Landtagswahlen in Schleswig-Holstein im Juni 1950 erreichte der BHE 23 Prozent der Wählerstimmen, zweistellige Wahlerfolge folgten in Baden-Württemberg, Bayern und Niedersachsen. Umso eiliger hatten es die Regierungsparteien in den Ländern, den BHE einzubinden. Dort ging die neue Partei pragmatisch unterschiedliche Koalitionen entweder mit der SPD oder mit den Unionsparteien ein.
    1953 zog der BHE mit 27 Abgeordneten in den Bundestag ein. Bundeskanzler Konrad Adenauer berief zwei BHE-Minister in sein Kabinett – Waldemar Kraft wurde Minister für besondere Aufgaben und Theodor Oberländer Bundesvertriebenenminister. Der Kanzler nahm in Kauf, dass die beiden die ersten ehemaligen NSDAP-Mitglieder im Bundeskabinett waren.
    Intern rechtfertigte Adenauer Oberländers Berufung: "Ich habe die Flüchtlingsverbände mehrmals gebeten, mir einen anderen Mann zu präsentieren, aber sie bestehen auf Oberländer."
    Tatsächlich wäre es dem BHE schwergefallen, einen unbelasteten Kandidaten zu präsentieren: Die meisten seiner Abgeordneten waren alte Parteigenossen, auch SS-Mitglieder waren keine Seltenheit. Doch in der politischen Praxis der 50er Jahre erwiesen sie sich als demokratietauglich. So war der BHE eine verlässliche Stütze der Adenauerschen Westintegrationspolitik.
    Integration in die CDU
    Doch im Juli 1955 kam es nach innerparteilicher Kritik an den Ministern zur Spaltung des BHE: Kraft und Oberländer traten gemeinsam mit sieben weiteren BHE-Abgeordneten aus der Fraktion aus. Oberländer erklärte: "Ich habe sowohl das Amt des Bundesvorsitzenden als auch die Mitgliedschaft im Bundesvorstand, die mir als Träger des Ministeramtes zusteht, niedergelegt, denn auch dieses Ministeramt habe ich ja zunächst in die Hand des Herrn Bundeskanzlers zurückgelegt."
    Wer genau zuhörte, konnte heraushören, dass Oberländer und Kraft ihre Ministerposten behalten sollten. Seit Monaten hatten sie Adenauers Zusage für erweiterte Ressortzuschnitte als Belohnung für das Überlaufen zur CDU in der Tasche. Doch auch der Rest-BHE blieb trotz nationaler Rhetorik zahm. Dafür sorgte schon der Umstand, dass die Partei finanziell auf Industriespenden angewiesen war, über deren Verteilung im Kanzleramt entschieden wurde.
    So konnte der BHE weiterhin an sozialpolitischen Verbesserungen zugunsten seiner Klientel mitwirken und in manchen Bundesländern recht geschickt das Zünglein an der Waage spielen. Doch als die Partei bei der Bundestagswahl 1957 an der Fünfprozentklausel scheiterte, war ihr Niedergang besiegelt. Die Flüchtlinge wählten inzwischen mehrheitlich die CDU, die schlicht der erfolgreichere Hebel zur Durchsetzung ihrer Interessen war. Das Lastenausgleichsgesetz von 1952 hatte ihre Wünsche zwar nicht völlig befriedigt, doch es verschaffte vielen ein Startkapital, um im Wirtschaftswunder der jungen Bundesrepublik Fuß zu fassen.