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Parteitag der CDU
Altmaier: Hätten besser auf Empfehlungen verzichtet

Vor der Wahl zum neuen CDU-Vorsitz hat Wirtschaftsminister Peter Altmaier seinen Parteikollegen Wolfgang Schäuble kritisiert, der sich für Friedrich Merz ausgesprochen hatte. "Ich persönlich hätte es begrüßt, wenn wir die Unabhängigkeit der Delegierten in den Vordergrund gestellt hätten", sagte Altmaier im Dlf.

Peter Altmaier im Gespräch mit Christoph Heinemann | 07.12.2018
    Altmaier mit offenen Armen vor Kramp-Karrenbauer
    "Mit AKK haben wir die besten Chancen": Auch Peter Altmaier sprach sich auf Twitter für Annegret Kramp-Karrenbauer aus. (imago/ Becker und Bredel)
    Christoph Heinemann: Manchmal ist der Blick von außen hilfreich. Der frühere Premierminister Jean-Pierre Raffarin bewertet den Diadochenkampf in der CDU aus französischer Sicht so: "Annegret Kramp-Karrenbauer wird in etwa den Kurs von Angela Merkel fortsetzen und Friedrich Merz vertritt Positionen, die sich nah an denen von Präsident Macron bewegen."
    "Tertium non datur", das heißt aus französischer Sicht kommt ein Dritter da offenbar nicht in Frage, werden sich die Stimmberechtigten zwischen ihr und oder ihm entscheiden. Wer weiß!
    Einige Nerven vibrieren offenbar in der CDU. Wolfgang Schäuble hat in einem langen Interview in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" leidenschaftlich für Friedrich Merz geworben. Seine Wahl wäre das Beste für das Land. Schäuble ist nicht irgendwer in der CDU.
    Mit dieser Forderung – so schrieb sinngemäß die "Süddeutsche Zeitung" – habe Schäuble nichts anderes gesagt als: Merkel muss weg.
    Peter Altmaier ist auch nicht irgendwer in der CDU. Er sagt, Schäuble habe den Damm gebrochen. Der Bundeswirtschaftsminister ist auch Mitglied des CDU-Bundesvorstandes. Guten Morgen.
    Peter Altmaier: Guten Morgen, Herr Heinemann.
    "Jeder hat natürlich das Recht sich auszusprechen"
    Heinemann: Herr Altmaier, welchen Damm meinten Sie?
    Altmaier: Wir haben eine demokratische Auswahl unter drei Kandidaten, die alle drei sich gut präsentiert haben. Es war ein Prozess, an dem zehntausende von CDU-Mitgliedern direkt oder indirekt teilgenommen haben. Ich hätte es eigentlich gut gefunden, wenn die führenden CDU-Repräsentanten, die Vertreter von Verfassungsorganen, Minister, Staatssekretäre, in dieser Auseinandersetzung vielleicht auch auf persönliche Empfehlungen verzichtet hätten. Das hat sich jetzt seit der Aussage von Wolfgang Schäuble verändert.
    Ich habe das im Übrigen nur konstatiert. Ich habe gesagt, na ja, es hat mich insofern verwundert, weil es so kurz vor dem Parteitag gekommen ist und auch etwas unerwartet. Aber auch das gehört selbstverständlich zum demokratischen Recht eines jeden CDU-Mitglieds und eines jeden CDU-Delegierten, sich auszusprechen.
    Heinemann: Warum hat Schäuble Sie so auf die Palme gebracht?
    Altmaier: Ich habe gesagt, ich bin verwundert und überrascht, weil Wolfgang Schäuble …
    Heinemann: Sie haben von Dammbruch gesprochen.
    Altmaier: Ja! Aber es war natürlich klar, dass danach dann viele andere sich auch festlegen wollten. Ich persönlich hätte es begrüßt, wenn wir die Unabhängigkeit der Delegierten in den Vordergrund gestellt hätten, wenn wir gesagt hätten, die Kandidaten werden sich vorstellen mit ihren Programmen, mit ihren Ideen, mit ihren Vorstellungen für die Zukunft, und die Delegierten werden anschließend dann ihre Entscheidung treffen.
    Nicht mit Ratschlägen oder Vorschlägen beteiligt
    Heinemann: Sie selbst haben genau das Gegenteil getan. Sie haben gestern getwittert: "Mit AKK haben wir die besten Chancen." Worin, bitte schön, unterscheiden sich Wolfgang Schäubles Parteinahme für Friedrich Merz von Ihrer für Annegret Kramp-Karrenbauer?
    Altmaier: Das habe ich doch in dem Interview, glaube ich, ganz deutlich gesagt, und das ist auch von ganz vielen anerkannt worden. Ich habe mich in dieser Auseinandersetzung nicht mit Ratschlägen oder mit Vorschlägen beteiligt. Aber selbstverständlich, wenn so ein respektierter und ein so angesehener Politiker wie Wolfgang Schäuble einen solchen Vorschlag unterbreitet, dann haben auch andere das Recht und, wie ich das sehe, auch die Pflicht zu sagen, wo sie stehen und welche Lösungen sie für die CDU als die beste empfinden.
    Heinemann: Greift Schäuble mit seiner Unterstützung für Friedrich Merz Angela Merkel an?
    Altmaier: Nein, das glaube ich nicht. Ich glaube, dass es heute darum geht, wer die CDU in die nächsten Jahre führt. Die CDU hat in einem Prozess der Regionalkonferenzen deutlich gemacht, dass es ein großes Bedürfnis gibt an innerparteilicher Debatte und Diskussion. Wir haben drei Kandidaten, die sich in vielen Punkten auch unterscheiden und unterschiedliche Schwerpunkte setzen. Aber alle drei stehen für die CDU und alle drei haben deutlich gesagt, sie wollen eine Spaltung verhindern.
    Im Übrigen ist es so, dass Angela Merkel mit ihrer Entscheidung neue Sympathien gewonnen hat. Die große Mehrheit der Deutschen, aber auch die große Mehrheit in der CDU möchte, dass Angela Merkel ihre Amtszeit als Bundeskanzlerin zu Ende führt.
    Heinemann: Herr Altmaier, Sie haben auch gelesen, was die "Süddeutsche Zeitung" geschrieben hat. Kann man Schäuble so lesen, dass er gesagt hat, lieber Merz als Merkel im Kanzleramt?
    Altmaier: Ich habe selbstverständlich die Presse gelesen, wie jeder andere Interessierte auch, der an diesem Parteitag teilnimmt. Aber noch einmal: Ich glaube, es geht jetzt nicht darum, einzelne, auch führende CDU-Politiker zu interpretieren. Es geht darum, eine gute Wahl zu treffen. Wir wählen heute eine neue Parteivorsitzende, wir wählen keinen Kanzlerkandidaten und keine Kanzlerkandidatin. Diese Entscheidung wird übrigens gemeinsam mit der CSU getroffen, traditionell etwa ein Jahr vor der Bundestagswahl, das heißt von heute aus in zwei Jahren, und wie die Umstände dann sind und wie die Wahl dann ausfällt, das kann niemand wissen. Das einzige was wir wissen ist, dass Angela Merkel im Jahre 2021 nicht mehr als Kanzlerkandidatin zur Verfügung steht, und wir werden zwischen CDU und CSU dann einen vernünftigen Prozess der Auswahl organisieren, so wie das jetzt auch für den Parteivorsitz geschehen ist.
    "Angela Merkel hat unser Land geprägt"
    Heinemann: Könnte dieser vernünftige Prozess zu einer Abrechnung mit Angela Merkel werden?
    Altmaier: Das glaube ich nicht. Wir haben in der Geschichte der CDU drei große Bundeskanzler erlebt, Konrad Adenauer, Helmut Kohl und Angela Merkel. Angela Merkel hat unser Land geprägt. Wir verdanken ihr ein Ansehen weltweit, das Deutschland nie zuvor in dieser Form hatte. Deshalb wird – davon bin ich überzeugt – Angela Merkel, auch wenn sie nicht mehr Parteivorsitzende ist, in der CDU ein hohes Maß an Respekt und Anerkennung haben und bewahren. Das ist auch wichtig für die Identität dieser Partei. Wir waren die erste Partei, die eine weibliche Vorsitzende hatte. Wir waren die erste Partei, die eine Vorsitzende hatte aus dem Osten. Und wir sind übrigens nach wie vor die einzige große Volkspartei, die imstande ist, unterschiedliche politische Richtungen in sich zu integrieren.
    Heinemann: Was stört Sie an Friedrich Merz?
    Altmaier: Ich habe ausdrücklich in meinem Interview gesagt, dass ich alle drei Kandidaten für sehr befähigte Kandidaten halte. Aber so wie das nun einmal ist in einer demokratischen Wahl: Wir müssen entscheiden, welcher Kandidat bietet die besten Voraussetzungen dafür, dass die CDU möglichst viel von ihrem Programm auch in Zukunft verwirklichen kann. Das wird nur gehen, wenn wir auch in Zukunft regieren wollen. Das wird nur gehen, wenn wir Mehrheiten erringen. Ich habe mich positiv ausgesprochen für Annegret Kramp-Karrenbauer, weil sie mehrfach Mehrheiten gewonnen hat für die CDU, Ergebnisse über 40 Prozent gewonnen hat für die CDU, und weil ich glaube, dass sie ihre Wahl in der Mitte gewinnen wird. Das heißt, dass sie auch Stimmen in das Lager der Christdemokraten rückt, die wir andernfalls nicht erreichen können.
    Heinemann: Dann schauen wir uns diese Mitte mal an. Sie fordert: Ausländer, die sich an Frauen vergehen, sollten abgeschoben werden und nie wieder europäischen Boden betreten. Sie möchte ausreisepflichtige Ausländer in Ankerzentren unterbringen, damit die Behörden sie dort – so wurde sie zitiert – abgreifen können. Sie möchte Straftäter nach Syrien abschieben; das will nicht einmal Horst Seehofer. Und sie ist persönlich gegen die Ehe für alle. Worin unterscheiden sich diese Positionen von denen der AfD?
    Altmaier: Sie haben, lieber Herr Heinemann, tut mir leid, nicht ganz vollständig zitiert. Annegret Kramp-Karrenbauer hat gesagt, es muss überprüft werden, ob nach Syrien abgeschoben werden kann, und diese Überprüfung hat inzwischen stattgefunden – mit dem Ergebnis, dass der Innenminister …
    Heinemann: Entschuldigung! Wir haben ein kleines Problem. Die Telefonleitung verabschiedet sich gerade. Könnten Sie vielleicht in die Nähe eines Fensters gehen oder versuchen, …
    Altmaier: Ich versuche es! Ich bin eigentlich in der Nähe eines Fensters und schaue auf die wunderschöne Stadt Hamburg.
    "Riesige Unterschiede zur AfD"
    Heinemann: Ach, haben Sie es gut.
    Altmaier: Zum einen haben Sie, glaube ich, nicht ganz korrekt zitiert. Annegret Kramp-Karrenbauer hat gesagt, wir müssen prüfen, wann Abschiebungen nach Syrien möglich sind. Im Augenblick sind sie das nicht. Das haben der Innenminister und der Außenminister gemeinsam festgestellt. Und im Übrigen hat Annegret Kramp-Karrenbauer Positionen vertreten, wie sie so und in ähnlicher Form auch von Jens Spahn und Friedrich Merz bereits vertreten worden sind. Über alle diese Fragen wird diskutiert.
    Der Unterschied aller drei Kandidaten zur AfD ist riesig groß. Die CDU hat übrigens beschlossen, dass die AfD für uns kein Koalitionspartner ist, dass es keine Zusammenarbeit auf Bundesebene geben kann, und das wird von keinem der drei Kandidaten in Frage gestellt.
    Heinemann: Als die CDU gegen die doppelte Staatsbürgerschaft gestimmt hat, sagte Angela Merkel anschließend, dass sie sich dadurch nicht gebunden fühle. Ist damit künftig Schluss?
    Altmaier: Annegret Kramp-Karrenbauer, genau wie die anderen beiden Kandidaten haben deutlich gemacht, sie wollen der Partei ein stärkeres Gewicht einräumen. Das heißt, ich gehe davon aus, dass wir egal wie diese Wahl ausgeht in der CDU lebhafte Diskussionen haben werden, dass wir dann auch über Fragen diskutieren, die in der Regierung später zu entscheiden sind. Aber selbstverständlich ist auch richtig, dass am Ende die Regierungspolitik von drei Koalitionsparteien beraten und beschlossen wird und dass dann auch darum gerungen wird, welche Anteile von welcher parteipolitischen Position am Ende umgesetzt werden. Wir haben als Christdemokraten und als größte Regierungspartei natürlich den Anspruch, dass wir uns besonders deutlich in der Regierungsarbeit wiederfinden.
    Heinemann: Das heißt, die CDU kann entscheiden was sie will und Angela Merkel macht was sie will?
    Altmaier: Das ist eine falsche und, ich würde sagen, nicht besonders wohlmeinende Interpretation. Tatsache ist doch, dass wir seit 1949 mit einer Ausnahme immer Koalitionsregierungen hatten und dass in Koalitionsregierungen immer auch gemeinsame Positionen – das nennt man Kompromisse in der Demokratie – gesucht werden müssen zwischen den Parteien und Fraktionen, die diese Koalition tragen. Das hat Deutschland übrigens stark gemacht. Das ist einer der Gründe für den Erfolg unseres bundesdeutschen Modells und das wird natürlich auch in Zukunft so bleiben.
    Heinemann: Peter Altmaier, Bundeswirtschaftsminister und CDU-Bundesvorstandsmitglied. Danke schön für das Gespräch und auf Wiederhören!
    Altmaier: Ich danke Ihnen, lieber Herr Heinemann.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.