Die SPD in Thüringen fährt zur Zeit auf Sicht. Da geht es nicht um das Entdecken neuer Kontinente, sondern der besorgte Blick gilt der nächsten Klippe. Die heißt an diesem Samstag: Parteitag. Da gilt es zunächst, den Parteivorsitzenden Christoph Matschie zu verabschieden, der nach dem desaströsen Zwölf-Prozent-Ergebnis bei der Landtagswahl schon angekündigt hatte, die Parteispitze räumen zu wollen.
"Der Landesvorstand wird neu gewählt. Und mein Beitrag für einen Neuanfang, auch personell, an der Parteispitze, ist, dass ich für dieses Amt nicht wieder kandidiere."
Matschie war 15 Jahre Vorsitzender, seit Jahren ist er umstritten, er gilt als starrköpfig und beratungsresistent. Den Platz des Spitzenkandidaten hatte er Anfang des Jahres nur widerwillig, der in der Partei beliebten Heike Taubert überlassen. Im Wahlkampf wirkte er lustlos, was die Wähler mit einem vernichtenden Erststimmen-Ergebnis quittierten.
Eine andere wichtige Personalie auf dem SPD-Parteitag ist Heike Taubert. Die Spitzenkandidatin hat einen zögerlichen Wahlkampf geführt, deren Höhepunkte ihr Auftritt an diversen Bratwurstrosten waren. "Besser Heike grillt" lautete das Motto. Inzwischen hört man aus der Partei auch "Besser Heike wird gegrillt". Dennoch will sie stellvertretende Parteivorsitzende bleiben.
"Ich denke, an den Aktivitäten, die wir vor Ort geführt haben, an den Diskussionen, die wir vor Ort mit Menschen hatten, hat es nicht gelegen. Es hat nicht daran gelegen, dass wir unsere Politik nicht vermitteln konnten."
SPD-Parteispitze hat sich für Rot-Rot-Grün ausgesprochen
Designierter und als sicher gesetzter neuer Parteivorsitzender ist Andreas Bausewein. Der Wunschkandidat von Sigmar Gabriel gilt schon lange als Hoffnungsträger in der Thüringer SPD. Bislang jedoch hatte er sich immer auf sein Amt als Erfurter Oberbürgermeister zurückgezogen. Nun aber wollen sich die Genossen hinter Bauseweins breiten Schultern versammeln, auch, wenn dieser immer wieder in der Zwölf-Prozent-Wunde wühlt.
"Die Wahlauswertung an sich, die muss aber kommen! Die muss kommen, wenn die Regierung steht, da müssen wir uns die Zeit nehmen, auch wenn dann schon drei Monate vergangen sein werden, aber wir müssen aus den Fehlern, die gemacht worden jetzt, aus denen müssen wir lernen für die Zukunft, und dafür sorgen, dass wir die Fehler, die wir gemacht haben, nicht noch mal machen."
Bauchschmerzen bei manchen Parteigenossen
Am Montag hat sich die Parteispitze für Rot-Rot-Grün entschieden, gegen die CDU. Nun sollen die Genossen in einer Mitgliederbefragung dem zustimmen. Eine Mehrheit gilt als wahrscheinlich, aber die Gretchenfrage, "Wie hältst Du's mit den Linken?", bleibt und wird auch den Parteitag beschäftigen. So wie schon am Dienstag eine SPD-Basiskonferenz. Rudolf Horrich, der aus der DDR-Bürgerbewegung kommt, sprach gerade vielen älteren Genossen aus dem Herzen.
"Ich bekomme bei dieser Koalition große Bauchschmerzen und Zweifel. Wenn die nächste Wahlperiode ansteht, dann kann es sein, dass es heißt: Für was brauchen wir eine SPD? Oder sind wir dann eine Einheitspartei? Wiedervereint mit den Kommunisten!"
Linke diskutiert "Unrechtsstaat"
Die Diskussion wird auch auf dem heutigen SPD-Parteitag fortgeführt werden. Ein ähnlich kontroverses Thema wird für die Linke auf ihrem Parteitag die "Unrechtsstaats"-Debatte sein. Viele ehemalige SED-Genossen sehen in dem Begriff ihre Vergangenheit entwertet. Der mögliche neue Thüringer Ministerpräsident Bodo Ramelow aber drängt darauf, dass die Linke die ganze Wahrheit annehmen muss.
"Wer in der DDR im Stasi-Gefängnis saß oder verfolgt wurde, der sieht das durchaus mit einer kritischen und angespannten Miene. Und deswegen ist der Respekt eigentlich immer vor anderen, dass wir nicht das, was wir für uns gelten lassen, als Maßstab im Umgang mit allen Menschen so sehen. "
Dass die Linke eine Koalition mit SPD und Grünen eingehen will, wird wohl kaum Widerspruch hervorrufen. Sie sieht sich auf dem Weg zur Macht und will nun nichts mehr falsch machen.