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Parteitag in Münster
Özdemir mahnt seine Grünen zu Kompromissbereitschaft

Die Grünen wollen auf ihrem dreitägigen Parteitag in Münster Schwung holen für die anstehenden Wahlkämpfe 2017. Eine Spaltung der Gesellschaft könne nur durch eine sozial gerechte Politik überwunden werden, sagte Parteichef Cem Özdemir in seiner Eröffnungsrede. Was das für die Steuerpolitik bedeutet, ist parteiintern umstritten.

Von Nadine Lindner |
    Der Bundesvorsitzenden der Grünen, Cem Özdemir, spricht in Münster auf dem Bundesparteitags seiner Partei.
    Der Bundesvorsitzenden der Grünen, Cem Özdemir, spricht in Münster auf dem Bundesparteitags seiner Partei. (picture alliance/ dpa/ Bernd Thissen)
    Wir werden mit der Europafahne in der Hand in den Wahlkampf ziehen. Das ist der Ton, den Parteichef Cem Özdemir setzt – für den Parteitag, aber auch das nahende Wahljahr. Die EU müsse gerechter und sozialer werden, so der Wunsch:
    "Wir müssen eine Politik machen, die ganz konkret an die Lebensumstände von realen Menschen anknüpft und sie verbessert. Ganz egal, ob die Spaltung der Gesellschaft nur empfunden oder ob sie real ist. Wir können sie nur überwinden, wenn wir rhetorisch nicht weiter spalten. Wie die Trumps und Le Pens dieser Welt. Wenn wir eine lösungsorientierte, eine sozial gerechte Politik machen, die für alle Menschen greifbar ist, verständlich ist und vor allem die Menschen auch erreicht, liebe Freundinnen und Freunde."
    Auch um dem um sich greifenden Populismus in Europa etwas entgegenzusetzen. Rechtspopulismus gebe es schließlich nicht nur in den USA.
    Zusammenhalt in der EU
    In der Eröffnungsrede von Parteichef Cem Özdemir ging es um den Zusammenhalt der EU nach dem Brexit, die Folgen des Wahlsiegs von Donald Trump in den USA sowie die Lage in der Türkei.
    "Darum sind unsere Gedanken hier in Münster über diese drei Tage auch bei Akin Atalay, dem Herausgeber der Cumhuriyet, der bei seiner Rückreise von Deutschland in die Türkei gleich am Flughafen verhaftet wurde."
    Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt brachte den Leitantrag zur Europapolitik ein. Die Grünen seien seit ihrer Gründung 1980 immer eine europafreundliche Partei. Die globalen Probleme könnten nur gemeinsam gelöst werden. Das gelte für eine humane Flüchtlingspolitik, aber auch bei Umweltfragen.
    "Das Europa, das für Freiheit steht, das für Klimastandards steht, das geht nur zusammen."
    Stärkung des Europaparlaments
    In ihrem europapolitischen Antrag fordern die Grünen eine Stärkung des Europäischen Parlaments.
    Leidenschaftlich warb die scheidende Fraktionsvorsitzende der Grünen, Rebecca Harms, für eine Überwindung der Spaltung in Europa:
    "…Kräfte entwickeln, die Polarisierung zu überbrücken. Die Europäische Union hat uns Frieden Freiheit und Sicherheit gebracht."
    Zum außenpolitischen Schwerpunkt hatte die Partei als Gastredner unter anderem einen Abgeordneten der schottischen Nationalpartei SNP und einen Abgeordneten der türkischen pro-kurdischen Oppositionspartei HDP eingeladen.
    Rund 850 Delegierte beraten drei Tage über den Kurs der Partei und wollen Schwung holen für die anstehenden Wahlkämpfe – für Landtage und den Bundestag – im Jahr 2017.
    Uneinigkeit in der Steuerpolitik
    Die Delegierten müssen dafür auch über den künftigen Kurs in der Steuerpolitik abstimmen. Seit Monaten gibt es Streit darüber, welche Rolle in Zukunft Erbschafts- und Vermögenssteuer spielen sollen. Gerade bei der Vermögenssteuer gibt es Unterschiede zwischen dem linken und dem realpolitisch orientierten Parteiflügel. Parteichef Özdemir appellierte an die Einigkeit der Partei:
    "Bei aller Einigkeit in den Zielen führen wir zu oft Selbstgespräche, welches Instrument für eine gerechte Gesellschaft wir gut und welches wir schlecht finden. Was draußen hängen bleibt, ist der Eindruck, dass Grüne in Gerechtigkeitsfragen gespalten sind und keinen klaren Kurs haben."
    Özdemir mahnte – auch im Hinblick auf die Bundestagswahl - Pragmatismus und Kompromissbereitschaft an:
    "Und es geht nicht darum, Recht zu haben. Rechthaber sind so sympathisch wie ein abgestandenes Bier."
    Für seine kämpferische Rede erntete Parteichef Özdemir allerdings eher höflichen als euphorischen Applaus. Die Handbremse bei den Grünen ist nach dem ersten Tag offensichtlich noch nicht ganz gelöst.