SPD-Parteitag
Neuaufstellung als Kanzlerpartei

Wenige Tage nach dem Einzug von Olaf Scholz ins Bundeskanzleramt hat die SPD auf ihrem Parteitag am 11. Dezember Saskia Esken und Lars Klingbeil zu ihrem Vorsitzenden gewählt. Ex-Juso-Chef Kühnert übernimmt das Amt des Generalsekretärs. Was bedeutet das für die Partei?

    Bundesparteitag der SPD
    Ziemlich beste Freunde? Lars Klingbeil und Saskia Esken beim SPD-Bundesparteitages in Berlin (11.12.2021) (picture alliance / photothek)
    Der künftige Vorsitz der SPD wird wieder aus einer Doppelspitze bestehen: Saskia Esken und der bisherige SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil wurden am 11. Dezember auf dem SPD-Parteitag als Co-Vorsitzende gewählt. Die 60-jährige Esken war Teil der bisherigen Doppelspitze mit Norbert Walter-Borjans. Letzterer war allerdings nicht mehr für das Amt angetreten.
    SPD-Parteitag - Neuaufstellung als Kanzlerpartei

    Esken bleibt an Bord

    Schon vor der Bundestagswahl hatte Esken Interesse an einer weiteren Amtszeit erkennen lassen. Nach der Rücktrittsankündigung ihres bisherigen Co-Vorsitzenden Walter-Borjans hatte sie sich allerdings zunächst nicht geäußert. Später erklärt sie dann, doch erneut antreten zu wollen. Dass die Sozialdemokraten derzeit so gut und geschlossen dastehen wie seit Langem nicht mehr und Olaf Scholz ins Kanzleramt befördern konnten, sieht Esken zu einem Teil auch als ihren Verdienst an.
    Die SPD-Vorsitzende Saskia Esken steht am Rednerpult und spricht.
    Die SPD-Vorsitzende Saskia Esken (dpa-Bildfunk / Philipp von Ditfurth)
    Als Modernisiererin ist sie während ihrer Amtszeit allerdings nicht aufgefallen, sie steht auch nicht unbedingt für den angestrebten Generationenwechsel an der Parteispitze.
    Die 60-Jährige war in den Koalitionsverhandlungen auch als Digitalministerin gehandelt worden. Sie selbst hatte vor zwei Jahren gefordert, dass Partei und Ministerämter getrennt bleiben sollten. Dass sie tatsächlich als Ministerin in das Kabinett aufgenommen werden würde, galt allerdings als unsicher. Wohl auch deshalb entschied sich Esken für eine erneute Kandidatur für den Parteivorsitz.

    Vom Generalsekträr zum Parteichef: Lars Klingbeil

    Der bisherige Generalsekretär Lars Klingbeil hatte als Wahlkampfmanager großen Anteil am Sieg der SPD bei der Bundestagswahl. Nun kandidiert er als SPD-Chef. Mit dem 43 Jahre alten Klingbeil als Co-Vorsitzenden kann die SPD auch den Willen zum Generationenwechsel glaubhafter machen.
    Während Esken eher dem linken Flügel der SPD zuzuordnen ist, gilt Klingbeil als Anhänger des sogenannten Seeheimer Kreises, dem konservativen oder rechten Flügel der Partei. Mit Klingbeils Aufrücken an die Parteispitze könnte der Seeheimer Kreis innerhalb der SPD wieder mehr Einfluss erhalten. Nachdem dessen früherer Sprecher Johannes Kars 2020 alle Ämter niedergelegt hatte, war es leiser um den Kreis geworden.
    Berlin: Lars Klingbeil, Generalsekretär der SPD, steht nach den Beratungen der SPD-Spitzengremien über die neue Parteispitze im Willy-Brand-Haus. Hinter ihm die Skultur von Willy Brand.
    Lars Klingbeil ist zufrieden mit der aktuellen Entwicklung der Koalitionsgespräche (dpa/Michael Kappeler)
    Klingbeil war während der Koalitionsverhandlungen auch als Verteidungsminister im Gespräch gewesen. Allerdings hätte die SPD dann wohl ein Proporzproblem bekommen, weil Klingbeil – wie unter anderem der alte und neue Arbeitsminister Hubertus Heil – aus Niedersachsen stammt.

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    Zu seiner Nominierung sagte Klingbeil im Deutschlandfunk (09.11.2021): "Das ist etwas, das mich mit einer großen Ehre erfüllt, wenn man überlegt, in welche Fußstapfen man da tritt."
    Lars Klingbeil zu seiner Kandidatur (9.11.2021)
    Der Rücktritt von Andrea Nahles 2019 habe die SPD an den Abgrund geführt, so Klingbeil. Es sei richtig gewesen, dass man dann den Weg der Mitgliederbeteiligung mit 23 Regionalkonferenzen gegangen sei. Das Verfahren sei damals belächelt worden, es habe die SPD aber stark gemacht. "Es hat dafür gesorgt, dass die Partei sich neu sortiert hat, es hat die Partei zu mehr Geschlossenheit geführt."

    Vom Vize-Chef zum Generalsekretär: Kevin Kühnert

    Mit Klingbeil als Co-Vorsitzendem wird der Posten des Generalsekträrs vakant, für ihn rückt Kevin Kühnert auf. Er war als SPD-Vize im Vorstand für den Bereich Bauen und Wohnen zuständig.
    Kühnert gilt als sehr linker Sozialdemokrat. Er bekennt sich offen zum demokratischen Sozialismus. Mit seiner Idee, BMW zu vergesellschaften, hat er im Jahr 2019 viele auf die Barrikaden gebracht. Mit Kühnert gäbe es ein starkes linkes Gegengewicht zur eher moderat ausgerichteten Parteispitze.
    Kevin Kühnert im Porträt
    Der frühere Juso-Chef und jetzige stellvertretende SPD-Chef Kevin Kühnert. (imago / Mike Schmidt)
    Dass mit Kühnert ein Mann Generalsekretär wird, dürfte einige SPD-Mitglieder enttäuschen. Die Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen (ASF), Maria Noichl, hatte am 18. Oktober 2021 der "Rheinischen Post" gesagt, dass eine Generalsekträrin logisch sei, da mit Olaf Scholz und Rolf Mützenich die Posten des Kanzlers und Fraktionschefs bereits männlich besetzt seien: "Parität fängt in der Spitze an und es gibt viele talentierte Frauen, die die SPD als Generalsekretärin gut nach außen vertreten könnten."

    NRW-Landesvorsitzender rückt in Bundesvorstand: Thomas Kutschaty

    Kevin Kühnert hinterlässt einen freien Posten im Bundesvorstand, den der aktuelle NRW-Landesvorsitzende Thomas Kutschaty einnehmen möchte. Er wolle dazu beitragen, dass sich die Partei weiterentwickeln könne und ein Gesicht habe neben der Regierung und der Bundestagsfraktion, sagte Kutschaty am 11.12.2021 im Deutschlandfunk.
    Thomas Kutschaty, SPD-Landtagsfraktionschef in Nordrhein-Westfalen, steht neben einer Statue des ehemaligen Bundespräsidenten und NRW- Ministerpräsidenten Johannes Rau.
    Thomas Kutschaty ist neuer Vorsitzender der nordrhein-westfälischen SPD. (dpa-news / Federico Gambarini)
    Auch wolle er dafür sorgen, dass die Interessen der Länder in Berlin ausreichend Berücksichtigung finden. Kutschaty verwies zugleich auf die zentrale Rolle von Kanzler Olaf Scholz für die Sozialdemokratie. "Der Kanzler ist ganz prägend und entscheidend", betonte der NRW-Landeschef.
    Thomas Kutschaty zum Profil der SPD in der Regierung (11.12.2021)

    Warum hat Norbert Walter-Borjans aufgehört?

    "Für mich war mit dem Vorsitz von vornherein keine weitere Karriereplanung verbunden, sondern das Ziel, die Partei auf Kurs zu bringen", sagte Norbert Walter-Borjans der "Rheinischen Post" (29.10.2021). "Mit dieser Mission bin ich so weit gekommen, dass ich sagen kann: Jetzt sollen mal Jüngere ran." Er habe deshalb den Vorstand seines NRW-Landesverbands gebeten, auf seine geplante erneute Nominierung zu verzichten, so Walter-Borjans.
    Er gehe mit dem "gutem Gefühl, zwei Jahre die SPD mitgeprägt zu haben", sagte der 69-Jährige weiter. "Wir haben in dieser Zeit gezeigt, dass wir zusammenhalten und mit sozialdemokratischer Politik erfolgreich sein können. Wir sind nach vielen Jahren wieder die führende Größe in der deutschen Politik."
    Walter-Borjans war 2019 gemeinsam mit Esken als Sieger aus einer aufwendigen Kandidatenkür hervorgegangen. Der frühere NRW-Finanzminister und die bis dahin einer breiteren Öffentlichkeit unbekannte Abgeordnete hatten in einer Stichwahl im November 2019 die Mitbewerber Olaf Scholz und die Brandenburger Politikerin Klara Geywitz aus dem Feld geschlagen.
    Die SPD war damals in einem harten Richtungsstreit und innerlich zerrüttet. Diese Gräben wurden geschlossen, geeint stand die Partei hinter ihrem Kanzlerkandidaten Scholz - mit Erfolg. "Sein Ziel, die Partei auf Kurs zu bringen, hat er erreicht", kommentierte Frank Capellan (29.10.2021). Als Walter-Borjans zusammen mit Esken den Parteivorsitz übernahm, stand die Partei in Umfragen unter 15 Prozent. Bei der Bundestagswahl 2021 wurde die SPD stärkste Kraft mit 25,7 Prozent.
    "Er hat diese Brücke gebaut in eine Zukunft für die SPD unter einem sozialdemokratischen Bundeskanzler", würdigte der SPD-Fraktionsvorsitzende Mützenich Walter-Borjans im Deutschlandfunk.
    Walter-Borjans sei "sicherlich jetzt als Parteivorsitzender keiner, der mit in die Geschichte eingeht", sagte der Politikwissenschaftler Uwe Jun (29.10.2021) im Deutschlandfunk. Es habe in der Geschichte der Sozialdemokratie selbstverständlich bedeutsamere Parteivorsitzende gegeben. Aber insgesamt könne man sagen "es ist gelungen, dass die SPD tatsächlich als einheitlicher Akteur im Wahlkampf angetreten ist".
    (Quellen: Onlineredaktion, Theo Geers, Frank Capellan, dpa, AFP, pto)