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Passagen-Ausstellung "Making Home"
Modellbau vom Zuhause in der Fremde

„Making Home“ ist Teil des Programms der Kölner „Passagen“, bei denen es im erweiterten Sinn um Wohnraumgestaltung geht. So zeigen vier geflüchtete Menschen Architekturmodelle als Rekonstruktion von Heimat. Oder als Vision, wie ihr neues Zuhause in Deutschland aussehen könnte.

Von Peter Backof |
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    Modell für Wohngestaltung von Geflüchteten bei der Kölner Passagen-Ausstellung "Making Home" (Peter Backof)
    "Wohnst du noch oder lebst zu schon?" hieß vor rund 20 Jahren der Slogan von IKEA, der den feinen Grat meinte: Zwischen Möbeln und Lifestyle-Objekten. "Nicht jede Wohnung ist auch ein Zuhause" - wäre eine andere Spitzfindigkeit. Doch mit First World Problems und Geschmackshuberei in der Überflussgesellschaft hat die Ausstellung "Making Home" im Programm der Kölner Passagen nichts zu tun. Zu sehen ist Interior Design von geflüchteten Menschen, die sich an ihr Zuhause oder die Heimat erinnern, in Form von Modellbauarbeiten.
    Ahmad: "Ich bin Ahmad, ich komme aus Syrien, komme nach Deutschland: 2 Jahre, 6 Monate. Ich wohne in Ehrenfeld, alleine."
    Ein neues Zuhause
    Ahmad ist einer von vier kunsthandwerklich Begabten, deren Modellbauarbeiten beim Projekt "Making Home" ausgestellt sind. Vier Menschen aus vier Ländern: Sie sind vor Krieg oder Verfolgung geflohen und wohnen jetzt in Köln. Wohnen, Leben – in einem neuen Zuhause. Oder sogar neuer Heimat? Erstmal führt die Schau zurück, bis in Kindertage.
    Ahmad: "Das ist das Modell Haus meiner Eltern. Als Kinder leben wir hier. Hier gibt es Hof, Zimmer, Flur, Küche, Badezimmer. Auch Garten und Palmen."
    Sein Elternhaus in Syrien hat Ahmad in putzigem Maßstab nachgebaut, aus der Erinnerung heraus - soweit der knapp Sechzigjährige sich noch an seine Kindheit erinnern kann, die er als glücklich beschreibt. Elf Geschwister hat er. Sie leben heute verstreut in Syrien und der Türkei. Daneben ist ein Modell seiner aktuellen Residenz zu sehen: ein 19-Quadratmeter-Single-Apartment in Köln.
    Ahmad: "Ja, aber für mich besser als Heim. Vorher ich lebe im Heim, nicht gut, viele Leute, viel laut, viele Probleme mit manchen Menschen."
    Na klar erscheint einem dann das Elternhaus wie ein verlorenes Paradies. Insgesamt zwölf Modelle sind ausgestellt und lassen an Levels aus Siedler- und Aufbau-Games denken: kulturelle Errungenschaften poppen auf. Hier hat jemand Töpferkunst erforscht, dort jemand Brunnen gebaut. Doch die Wirklichkeit hat anders "gelevelt": Ahmed weiß nicht einmal, ob das schöne Haus mit den Palmen im Hof im Original noch steht.
    Simon Meienberg: "Das Projekt ist im Rahmen meiner Masterarbeit entstanden, die ich sechs Monate lang in Paris im Asylheim durchgeführt habe: "Social Design" kann man sagen."
    Schwarmkreativität
    Simon Meienberg, Initiator von "Making Home", arbeitet für die Kölner Umsetzung bei der Designwoche "Passagen" mit den Vereinen "Art Asyl" und "Jack in the Box" zusammen. Im "Atelierzentrum Ehrenfeld" sind auch schon während des Aufbaus viele Menschen anzutreffen. Schwarmkreativität. Es geht auch nicht darum, Wohnkulturen gegeneinander zu halten oder sogar gegeneinander auszuspielen; Syrien, Iran, Afghanistan – versus Deutschland; sondern ums Kontakten, um das Kreieren eines Zuhauses - hier in Deutschland. Das meint Simon Meienberg mit "Social Design":
    Simon Meienberg: "Ahmad aus Syrien, den habe ich hier im ´Café Konekti´ kennengelernt, da bin ich hin, um Teilnehmer für die Workshops zu suchen."
    "Café Konekti", einer der wöchentlichen Stammtische für Geflüchtete in Köln, Menschen auf der Suche nach: Wohnraum, sozialem Anschluss, Arbeit. So zielt "Making Home" über das Ästhetische der Modellwohnungen hinaus und leistet Lobbyarbeit.
    Simon Meienberg: "Wichtig, zu beachten, dass das Label ´Asylant´ die Möglichkeiten dieser Menschen blockiert. Sie kommen hier an, haben kein Netzwerk. Wenn sie nach sechs Monaten aus dem Asylheim heraus dürfen und sich eine Wohnung suchen dürfen, sind sie konfrontiert mit Diskriminierung. Schon dass man ´Asyl´ und diese Termini immer weiter bedient: So schafft man eigentlich das Bild, wo der Mensch dann verschwindet hinter dem Begriff."
    Ergänzt Simon Meienberg. Diskriminierung hat der ebenfalls schon ältere Mohammad, ein anderer "Making Home"-Protagonist, über die Jahrzehnte in zwei Ländern erlebt.
    Ein Gästezimmer gehörte dazu
    Mohammad: "Eins, zwei, drei, vier, fünf Zimmer. Wir sind Hasara, aus Afghanistan. Sehr gastfreundlich! Aber jetzt leider nicht. Jetzt Krieg kommt, Leute sehr arm sind. Auch gefährlich: Man kann nicht Leuten glauben."
    Anhand seines Modellhauses zeigt Mohammad, dass ein Gästezimmer ursprünglich in jedes Haus in Zentralafghanistan gehörte. Die Volksgruppe der Hasara lebt dort seit der Zeit Dschingis Khans in einst touristischem Gebiet. Bis zum Einmarsch der Sowjets 1979. Das sei der Anfang vom Ende des Landes gewesen. 10 Millionen Hasara gibt es, Schätzungen zufolge, verteilt auf mehrere Länder; sie werden nicht nur diskriminiert, sondern auch massakriert von den Taliban. Was Mohammad in die Flucht trieb.
    Mohammad: "Mit deutsche Kultur für uns ist schwer. Weil wir weiß nicht genau wie ist deutsche Kultur. Ich kann nicht einfach kontakten. Ich bin Baukünstler. Steinmetz gelernt und Bildhauer, Kunstkeramik auch Baukunst."
    Was er kann, zeigen schon alleine seine Hausmodelle in der Ausstellung. Für ein Atelier in Köln indes fehlt das Geld. In der Küche seiner kleinen Wohnung kann er etwas werkeln, allerdings nicht mit Stein, wegen der Nachbarn. Doch wer kauft denn auch seine Arbeiten? Zwei Länder, keine Heimat, das ist, was man aus dieser Ausstellung mitnimmt, nachdenklich geworden über Sammelbegriffe wie den der "Flüchtlingswelle", die einem nachher nur noch zynisch vorkommen.
    "Making Home. Lebensräume in der Fremde gestalten", 14.–20.1.2019, im Atelierzentrum Ehrenfeld bei ArtAsyl e.V., JACK IN THE BOX e. V.