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Passagiere im Recht

Eine Aschewolke mag keiner vorhersehen, aber es gibt Beispiele für ausgefallene Flugverbindungen, deren Ursache keine höhere Gewalt ist. Bei der Fluggesellschaft Easyjet mehrten sich die Konflikte in jüngster Zeit - doch einmal mehr hat sich jetzt gezeigt, dass es sich für Kunden lohnt, sich zu wehren.

Von Robin Avram |
    Seinen Weihnachtsurlaub hatte er sich anders vorgestellt: Am 23. Dezember 2009 wollte Philipp Sünderhauf mit seiner Freundin von Berlin nach Basel fliegen. Gebucht hatte er bei EasyJet. Doch sein Flug wurde kurzfristig annulliert. Was ihn besonders ärgerte: Am Schalter sagte man ihm, er müsse sich selbst um Ersatzflüge kümmern.

    So wie Philip Sünderhauf ging es damals Tausenden von EasyJet-Passagieren. Allein am Flughafen Berlin-Schönefeld fielen in fünf Tagen 74 EasyJet-Flüge aus.

    Das konnte nur passieren, weil EasyJet zu wenig Piloten und Flugbegleiter habe, sagte damals die Gewerkschaft ver.di. Stimmt nicht, erwiderte EasyJet. Schuld sei allein der starke Schneefall in weiten Teilen Europas. Entschädigungen gebe es für die Kunden deshalb nicht.

    Doch Philip Sünderhauf ließ sich nicht so leicht abwimmeln. Er ging mit seiner Geschichte an die Öffentlichkeit, nahm sich einen Anwalt und zog vor Gericht. Jetzt hat sich das ausgezahlt. EasyJet muss ihm nicht nur das Geld für die beiden Ersatzflüge nach Basel erstatten. Sondern zusätzlich zwei Mal 250 Euro Entschädigung bezahlen. Eine späte Genugtuung für den Berliner:

    "Ehrlich gesagt hatte ich mit diesem Prozessausgang spätestens in der nächsten Instanz vor dem Landgericht gerechnet, und bin natürlich froh darüber, das bestehendes Recht nicht willkürlich von Großkonzernen wie EasyJet interpretiert werden kann."

    Der Erfolg kam etwas überraschend: Monatelang hielt EasyJet Philip Sünderhauf hin. Doch kurz vor dem Gerichtstermin am Amtsgericht Königs-Wusterhausen gab das Unternehmen schließlich doch klein bei und erkannte die Forderung an.

    Wilhelm Meyer ist der Rechtsanwalt von Philip Sünderhauf. Fast 40 Prozesse hat er allein gegen EasyJet geführt – den Großteil erfolgreich. Dabei hat er die Erfahrung gemacht: Die EasyJet-Anwälte sprechen oft eine ganz andere Sprache als die EasyJet-Pressesprecher. So auch in diesem Fall:

    "Auffällig ist, man hat dort gar nicht den Versuch gemacht, mit schlechtem Wetter sich zu rechtfertigen. Das zeigt mir, dass diese Presseverlautbarungen von EasyJet dazu dienen, das Publikum zu verunsichern, der Verbraucher soll davon abgehalten werden, seine Rechte überhaupt erst geltend zu machen."

    EasyJet wollte auf Anfrage nicht kommentieren, warum es kurz vor dem Prozess doch noch eingelenkt hat. Wenig Entgegenkommen auch für die EasyJet-Passagiere, die während der Fluglotsenstreiks der letzten Wochen am Boden bleiben mussten. Sie könnten weiterhin nur in Einzelfällen mit Entschädigungen rechnen. Rechtsanwalt Wilhelm Meyer sieht das anders:

    "Was die Fluglotsenstreiks in Spanien und Frankreich angeht, lässt sich feststellen, dass andere Luftfahrtsunternehmen davon nach meiner Kenntnis wesentlich weniger betroffen sind, ganz einfach, weil die mehr Personal hatten. Die Erklärung, die EasyJet dann vorschiebt, entspricht nicht den Ansprüchen des Europäischen Gerichtshofs. Ich bin ganz sicher, dass alle Fluggäste, die davon betroffen sind, auch Ansprüche haben."

    Ganz so pauschal stimmt Eva Klaar von der Verbraucherzentrale Berlin nicht zu. Wenn die Fluglotsen am Zielflughafen wirklich streikten, müsse eine Fluggesellschaft nicht zahlen. So manch andere Begründung für Flugausfälle würde vor Gericht aber nicht durchgehen:

    "Wenn jetzt zum Beispiel der Grund genannt wird, dass die Dienstzeit der Crew überschritten worden ist, oder ein technischer Mangel kurzfristig am Fluggerät aufgetreten ist, das hat natürlich die Airline dann zu vertreten."

    Und vor Gericht verteidigen müssen sich die Fluggesellschaften immer häufiger. Allein am Amtsgericht Königs-Wusterhausen sind in diesem Jahr schon über 100 Klagen gegen sie eingegangen: fast dreimal mehr als im gesamten letzten Jahr. Wohl auch deshalb will EasyJet jetzt reagieren und in Berlin-Schönefeld 20 zusätzliche Flugbegleiter und Piloten einstellen. Wäre das nur schon früher passiert. Dann wäre Philip Sünderhauf und anderen EasyJet-Passagieren wohl so einiges erspart geblieben.