Charles Slack: "Rohgummi oder Naturkautschuk kannte man schon seit Jahrhunderten. Die Ureinwohner Südamerikas benutzten es seit langem, und Anfang des 19. Jahrhunderts, mit dem Beginn der Industrialisierung, stieg das Interesse auch in den USA und in Europa sprunghaft an. Kein anderes Material hatte vergleichbare Eigenschaften: Gummi war luftundurchlässig, wasserfest - und elastisch. Egal ob man es in die Länge zog oder zusammenpresste, es schnellte immer wieder in seine ursprüngliche Form zurück. Es schien sich für unendlich viele Zwecke zu eignen, was sich ja später auch als zutreffend erweisen sollte."
Mehr als nur der Stoff, aus dem Radierer sind
Thomas Hancock, der Sohn eines Möbelschreiners, der 1786 in Marlborough in der Grafschaft Wiltshire geboren wurde, war einer der ersten, die erkannten, welches Potenzial in Gummi als natürlichem Rohstoff steckte. Charles Slack, Autor eines Buchs über den Aufbruch ins Gummi-Zeitalter, bezeichnete den Engländer im amerikanischen Fernsehen als "Vater der frühen Gummi-Industrie".
Hancock selber schrieb später: "Ich weiß nicht mehr genau, wann ich auf das Gummi bzw. den Kautschuk aufmerksam geworden bin. Aber ich kann mich noch sehr gut erinnern, wie überrascht ich war, dass ein Rohstoff, der über so bemerkenswerte Eigenschaften verfügte, so lange hatte vernachlässigt werden können – und dass sein einziger Nutzen darin bestehen sollte, Bleistiftmarkierungen auszuradieren."
Eine der ersten Verwendungen: Gummibünde an Kleidung
Allerdings hatte dieser Rohstoff, der aus dem Kautschukbaum gewonnen und vor allem aus Brasilien importiert wurde, auch seine Tücken. Bei höheren Temperaturen wurde das Gummi klebrig oder zähflüssig, bei tieferen Temperaturen hart und brüchig. Hancock machte sich Schritt für Schritt mit den Eigenarten des Materials vertraut.
"Ich verstand zwar so gut wie nichts von Chemie. Aber – ich hatte mich früher schon viel mit Fragen der Mechanik befasst und traute mir zu, mir nahezu jedes Werkzeug, das ich brauchte, selber bauen zu können."
Schon das erste Patent zur Gummiverarbeitung, das Hancock am 29. April 1820 erteilt wurde, ließ erkennen, um wie viel bequemer das Leben im Gummi-Zeitalter würde werden können. Hancock hatte in Kleidungsstücke und andere nah am Körper getragene Gebrauchsartikel Rohgummischnüre eingenäht, um ihnen eine größere Elastizität zu verleihen.
"Ich benutze solche Gummifedern zum Beispiel für Hosenträger und Manschetten, für Strümpfe, damit sie nicht an den Beinen herunterrutschen, für Perücken, um sie besser an den Köpfen zu befestigen, für Handtaschen und Geldbeutel, um zu verhindern, dass der Inhalt herausfällt, für Westen und Mieder, die dicht am Körper anliegen und elastisch sein sollen, für Schuhe, Stiefel und Pantoffeln, um das An- und Ausziehen zu erleichtern."
Der Weg zu Kunstleder und Gummireifen
Ein Meilenstein auf dem Weg zum wirtschaftlichen Erfolg war die Erfindung einer Maschine, mit der Hancock auch Gummiabfälle zu einer geschmeidigen Masse verarbeiten konnte. 1825 ließ er sich ein Verfahren zur Herstellung von Kunstleder auf der Basis einer Rohgummi-Lösung patentieren. Im gleichen Jahr begann die enge Zusammenarbeit mit Charles Macintosh, dem Erfinder wasserdichter Regenmäntel, die mit Hilfe einer in Gummi gelösten Textilfarbe imprägniert wurden.
Der entscheidende Impuls kam schließlich aus den USA. Dort war es Charles Goodyear durch einen Zufall gelungen, mit Schwefel vermengten Kautschuk unter dem Einfluss von Hitze in ein temperaturstabiles Material zu verwandeln. Goodyear, der, anders als Hancock, ein miserabler Geschäftsmann war, hatte Proben dieses Materials nach England geschickt, um Investoren anzulocken, und eine davon war Hancock in die Hände gefallen. Charles Slack:
"Hancock war sprachlos. Er hatte das Kernproblem des Gummis für unlösbar gehalten. Nun sah er sich eines Besseren belehrt und fiel aus allen Wolken."
Britischer Monopolist und Ideendieb
Hancock zog sich in ein Geheimlabor zurück. Ein Jahr brauchte er, um anhand der Probe zu rekonstruieren, wie Goodyear beim so genannten Vulkanisieren des Kautschuks vorgegangen war. 1843 sicherte sich Hancock das britische Patent auf die Erfindung. Goodyear hatte es versäumt, seine Ansprüche rechtzeitig geltend zu machen.
Hancock besaß damit ein Monopol auf die Vermarktung des Materials in seiner englischen Heimat – allerdings um den Preis, dass ihm fortan der Makel anhing, letztlich eine Form von Ideendiebstahl begangen zu haben.