"Es war furchtbar. In dem Augenblick kann man das gar nicht begreifen. Wir wollten kein behindertes Kind, deswegen macht man die Untersuchung und dann plötzlich so eine Diagnose."
"Das war so ungefähr in der Mitte der Schwangerschaft, die 21.Woche, da hab ich das erfahren, dass das Kind krank ist. Da waren wir bei der Feindiagnostik und da hat die Ärztin gesagt, dass sie nicht ausschließen kann, dass das Kind Spina bifida hat – dass es sogar ziemlich klar ist."
"Also ich war im 4., 5. Monat und dann hat man festgestellt, dass es eine Lippen-Kiefer-Gaumenspalte hat und am Herzen was nicht stimmt, weil die linke Herzkammer kleiner war als die rechte. Ich denke, das ist für jeden ein Schock, trotzdem hab ich immer so gesagt: Ich behalt sie trotzdem."
"Wir waren erst nur traurig, nicht hoffnungslos, aber traurig, ja."
"Ja, und dann wird man eben konfrontiert , indem einem die Möglichkeiten aufgezeigt werden, die darin liegen, dass man das Kind abtreiben kann, normal austragen, oder eine Operation im Mutterleib, von der ich bis dahin gar nicht wusste, dass das möglich ist."
"Patient an der Nabelschnur
Über Therapien und Operationen im Mutterleib
Eine Sendung von Thekla Jahn"
Ob ein Kind gesund oder krank zur Welt kommt, das lässt sich heute immer genauer vorhersagen. Die pränatale, also vorgeburtliche Diagnostik macht es möglich. Diese Diagnostik nutzt zum überwiegenden Teil Ultraschalltechnik, die in jüngster Zeit enorme Fortschritte gemacht hat: Dank hoher Bildauflösung lassen sich bei einem Ungeborenen immer feinere Veränderungen erkennen und Krankheitsdiagnosen können sehr viel früher gestellt werden. So ist es heute möglich in der 12., 13. Schwangerschaftswoche schon viele der groben Fehlbildungen auszumachen. Nur zwei Wochen später – in der 14., 15. Woche - kann mit Hilfe eines so genannten Farbdopplers der Blutfluss zum Herzen und vom Herzen beobachtet werden, und damit die Funktionsfähigkeit der Herzklappen. Und die dreidimensionale Technik bietet wie beim Fernsehen Live-Bilder von einem sich bewegenden Kind. Spätestens in der 20. Schwangerschaftswoche sind die allermeisten Fehlbildungen sichtbar. Soweit die Theorie. In der Praxis sieht es für werdende Mütter anders aus:
"Also im Augenblick ist es so, dass die Mutterschaftsrichtlinien drei Screenings in der 10., 20., 30. Woche vorsehen, wo es aber nicht darum geht, Fehlbildungen zu entdecken, sondern nur die Entwicklung des Kindes zu kontrollieren, das heißt man misst den Kopf, man misst den Bauch und misst einen Knochen – man muss keinen Herzfehler entdecken, sie müssen keinen offenen Rücken entdecken, also alle Fehlbildungen müssen eigentlich nicht entdeckt werden."
Nur für Frauen mit besonderen Risiken ist vorgesehen, dass sie in der 20. Woche einen großen Organultraschall bekommen. Dies hält der Pränataldiagnostiker Professor Ulrich Gembruch von der Universitätskinderklinik Bonn angesichts der technischen Möglichkeiten für nicht mehr zeitgemäß. Gembruch:
"Deshalb wird diskutiert, um hier die Gesamtqualität anzuheben, dass jede Frau optional, wenn sie es wünscht, in der 20. Woche einen großen Organultraschall bekommt, wo dann eben viele Fehlbildungen entdeckt werden, bei deren Entdeckung der Fetus beziehungsweise das Neugeborene profitieren würde und man sich darauf einstellen kann und das Kind gleich nach der Geburt optimal behandeln kann."
"Da waren wir bei der Feindiagnostik und die Ärztin hat beim Ultraschall erkannt, dass im Gehirn ein bisschen was verformt ist, das Köpfchen verformt ist, und sich den Rücken noch einmal genauer angesehen, und gesehen, dass da was offen liegt."
Eines von 1000 Babys kommt mit einer Spina bifida, einem so genannten offenen Rücken zur Welt. Dabei sind die Wirbelbögen, das Rückenmark und die benachbarten Hirnhäute nicht richtig verschlossen. Diese Kinder leiden an Bewegungsstörungen der Beine, viele sind querschnittsgelähmt, und haben außerdem Probleme, Darm und Blase zu kontrollieren. Hinzu kommt, dass sich bei einer Spina bifida oft Hirnwasser in den Hirnkammern aufstaut– im Volksmund Wasserkopf genannt.
"Ich hab damals schon erste Bewegungen gemerkt und das war mir ausgeschlossen, dass ich das Baby nicht bekomme."
Seit wenigen Jahren gibt es an der Universität Bonn die Möglichkeit, Ungeborene mit Spina bifida im Mutterleib zu operieren. Die Idee der Therapie: Der offene Rücken eines Fetus ist über viele Wochen dem Fruchtwasser schutzlos ausgesetzt und kann zudem verletzt werden, wenn sich das Kind bewegt und unglücklich anstößt. Diese möglichen Schäden sollen durch einen vorgeburtlichen Verschluss des Rückens minimiert werden. Professor Thomas Kohl, Leiter des Deutschen Zentrums für Fetalchirurgie an der Universitätsklinik Bonn, ist weltweit der einzige, der den Verschluss minimalinvasiv durchführt. Durch drei kleine Öffnungen im Bauch der Schwangeren werden Operationsröhrchen mit Instrumenten in die Gebärmutter und die darin liegende Fruchthöhle mit dem Kind vorgeschoben. Kohl:
"Was man macht ist, dass man vor der OP eine Kernspintomographie durchführt und eine Ultraschalluntersuchung direkt im Operationssaal, und dass man sich dann mental ein dreidimensionales Bild schafft, wie das Baby liegt in der Fruchthöhle in Relation zur Position des Mutterkuchens, zum Abgang der Nabelschnur, wie es gelagert werden kann, und dann plant man den ersten Einstich. Und dann wird das erste Nädelchen positioniert, eine kurze Sichtkontrolle in der Gebärmutter, ob die Vorstellung wie ungefähr das Baby nach seiner Lagerung liegen wird, ob das passt zur gedachten Position des nächsten und des übernächsten Operationsröhrchens und dann werden die halt platziert."
Drei Operationsröhrchen braucht es für diesen Eingriff: eines für die Kamera, die während der gesamten Operation in der Fruchthöhle verbleibt, und zwei Röhrchen zum Einführen der kleinen Instrumente und des Patches - des Flickens, mit dem der Rücken verschlossen wird. Kohl:
"Man weiß, dass man unter Wasser nicht operieren kann, weil schon sehr kleine Blutungen, die für die Mutter oder auch für das Baby kreislaufmäßig völlig unbedeutend sind, also schon wenige Milliliter Blut ausreichen würden, um die Fruchthöhle zu verdunkeln für diese extrem kleinen Optiken und Lichtquellen, die man verwendet. Und in dem Sinne ist es so, dass wir einen Teil des Fruchtwasser entfernen, den Uterus mit Gas füllen und wir versuchen den offenen Rücken möglichst günstig in Relation zu diesen Röhrchen zu positionieren und dann kommt der Moment, wo mit kleinsten Scherchen oder kleinsten Greiferchen oder mit Elektromesser oder mit Laser begonnen wird, das Rückenmark vorsichtig frei zu präparieren."
"Hier sieht man also die Operationsbilder aus der Fruchthöhle bei dem letzten Ungeborenen mit offenem Rücken. Und was passiert ist, der erste Operationsflicken, der resorbierbare Flicken, wird mit kleinen Nickel-Titan-Clips auf diese Muskelschicht aufgenäht und dadurch erreicht man eben einen wasserdichten Verschluss und Schutz des Rückenmarks. Der Patch wird zunächst aufgelegt und dann - innerhalb von Stunden geht das los - wachsen darunter liegende Zellen in den Patch ein. Das ist das erste, und mechanisch befestigt wird er mit Nickel-Titan-Clips, die ansonsten verwendet werden in der Roboterchirurgie an Herzkranzgefäßen. Die verbleiben im Körper des Ungeborenen. Sie können teilweise nach der Geburt entfernt werden, sind aber ansonsten ganz normales Implantationsmaterial, was nicht schädlich ist für diese Kinder."
Das Verschlussmaterial selbst, der Patch, besteht aus Schweinedünndarmwänden. Je früher er den offenen Rücken verschließt, und je weiter dieser abgedeckt ist, umso besser stellt sich die Situation nach der Geburt dar.
"Der Patch ist ziemlich gut eingeheilt, nicht ganz, aber doch zu einem großen Teil. Die Ärzte und Schwestern auf der Intensivstation sind recht zufrieden mit dem Kind, es kann die Beine bewegen, es hat die ersten vollen Windeln schon gehabt- wo wir uns gefreut haben, weil das auch so eine Frage gewesen ist mit der Kontinenz."
Die kleine Lois Penelope wurde vor wenigen Wochen geboren. Momentan ist sie das jüngste behandelte Kind mit Spina bifida. Bei der Geburt war der offene Rücken bis auf ein fingernagelgroßes Stück geschlossen. Auf eine nachgeburtliche Operation konnte verzichtet werden. Die Prognose ist gut, doch wie sich das Kind tatsächlich entwickeln wird, bleibt abzuwarten. So war die Situation zunächst auch bei der vor zweieinhalb Jahren im Mutterleib operierten Rosa Marie.
"Sie hat immer einen guten Verlauf gemacht, nachdem wir aus dem Krankenhaus raus waren, wo dann der eine oder andere Arzt gesagt hat, sie hat eigentlich eine ganz gute Prognose. Aber dass jemand gesagt hat, sie wird definitiv laufen können? Das war unklar, bis zu dem Zeitpunkt als sie lief. Und das Problem Inkontinenz, das die Kinder haben, steht noch aus. Wir haben jetzt eine erste Blasendruckmessung machen lassen, sie hat bisher – Gott sei dank, toi, toi, toi, noch nie eine Blaseninfektion gehabt, und die Blasendruckmessung hat jetzt auch ganz positive Ergebnisse geliefert, so dass da gute Aussichten sind, aber, ob sie wirklich definitiv zu 100 Prozent trocken wird, das wird sich erst in der nächsten Zeit rausstellen."
Bislang gab es erst zehn Spina bifida-Operationen im Mutterleib. Sechs Kinder konnten nach der Geburt ihre Beine deutlich besser bewegen als unbehandelte Kinder. Zwei Operationen konnten aus anatomischen Gründen nicht erfolgreich durchgeführt werden, zwei Kindern starben: eines während der Operation, bei der eine Blutungskomplikation auftrat, das andere während der weiterführenden Behandlung nach der Geburt. Die vorgeburtliche Therapie der Spina bifida ist noch immer eine experimentelle Behandlungsmethode, das heißt sie wird von Operation zu Operation ausgefeilter. Ob die Kinder letztlich davon profitieren, können die Ärzte noch nicht sagen. In den USA läuft derzeit eine Langzeitstudie. Anders als in Bonn, wird dort nicht minimalinvasiv behandelt, sondern der Bauch der Schwangeren aufgeschnitten und der Fetus dann offen operiert –. Die bisherigen Ergebnisse legen nahe, dass es tatsächlich Sinn macht, einen offenen Rücken vor der Geburt abzudecken. Das Rückenmark des Ungeborenen wird dann nicht weiter geschädigt und die zu erwartenden Gehirnfehlbildungen fallen weit geringer aus.
"Zunächst haben wir erst einmal zahlreiche Gespräche mit Thomas Kohl geführt. Voraussetzung war eben auch, dass wir zu dem Kind stehen mit allen Konsequenzen, weil versprechen kann er bis zu jetzigem Zeitpunkt nicht, dass es die gewünschten Erfolge bringt. Und er hat eben gesagt, wenn es dann nicht so ist, dann müssen wir eben trotz alledem damit rechnen, dass das Kind im Rollstuhl sitzt, dass es inkontinent sein kann, und die zusätzlichen Risiken der Operation auch. Das waren mehrere Gespräche, und er sagte auch, bevor wir uns nicht 100 Prozent sicher sind, dass wir das Kind mit allen Konsequenzen auch nachher haben möchten, würde er auch so eine Operation gar nicht durchführen."
Den Eltern bleibt die Risiko-Nutzen-Abwägung nicht erspart. Zu den Risiken der Operation gehört die Vollnarkose. Es kann auch - wie bei jedem Eingriff - zu unvorhergesehenen Blutungen kommen, oder zu einer Infektion durch einen Krankenhauskeim. Nicht auszuschließen sind ein vorzeitiger Blasensprung und eine Frühgeburt, die für das Kind dann weitere Gesundheitsrisiken birgt. Risiken, die bei allen vorgeburtlichen Eingriffen ähnlich sind. Thomas Kohl:
"Dazu muss man einfach sagen, dass die minimalinvasiven Operationsverfahren tatsächlich ihrem Namen nach auch nur minimale Risiken bergen für die Mutter. Natürlich kann jeder Eingriff gefährlich sein. Man kann auch bei minimalinvasiven Eingriffen Situationen erfahren, die lebensbedrohlich sein können, nur in der Praxis tritt das kaum auf."
"Das kann ich Ihnen jetzt zeigen. Hier ist eine Patientin. Man sieht hier wirklich schon ab der 19 Schwangerschaftswoche sehr schön dargestellt die Herzstruktur, man sieht Brust, Brustwand, hier ist die rechte Herzkammer, hier ist der rechte Vorhof und die Lungenschlagader."
Dr. Viet Rasek vom Herzzentrum der Universität Leipzig wertet spezielle Ultraschallaufnahmen aus, so genannte fetale Echokardiografien. Damit lässt sich das Herz von Feten dreidimensional darstellen und unmittelbar bei der Pumparbeit beobachten. Rasek:
"”Wenn wir sehen, dass in der 20. Woche alles normal ist, dann ist zu 99 Prozent sicher, dass nach der Geburt auch alles in Ordnung ist.""
Herzfehler gehören zu den häufigsten Erkrankungen von Neugeborenen: In Deutschland kommt knapp ein Prozent der Kinder mit einem angeborenen Herzfehler zur Welt. Besonders häufig sind: die nicht korrekte Trennung von linkem und rechtem Vorhof, eine verengte Aortenklappe oder eine falsch angeschlossene Hauptschlagader.
"Wir wissen, dass nur 15 bis 20 Prozent aller angeborenen Herzfehler vorgeburtlich erkannt werden, das heißt 80 Prozent werden nicht erkannt und kommen nicht im optimalen Zustand in die Kinderkardiologie, das kann man ganz klar so sagen, und die haben eine schlechtere Prognose."
Eine schlechtere Prognose, was die Operation nach der Geburt, aber auch was die spätere Lebensqualität angeht. Professor Renaldo Faber von der Universitätsfrauenklinik Leipzig plädiert deshalb dafür, bei jedem Ungeborenen eine fetale Echokardiografie zu machen – sofern die Eltern dies wollen. Nur so kann bei einem diagnostizierten Herzfehler rechtzeitig ein entsprechendes Spezialzentrum ausgewählt werden. Sei es um nach der Geburt sofort innerhalb der ersten Stunden oder Tage zu operieren, damit es bei einem kritischen Herzfehler nicht zu einem Kreislaufkollaps kommt. Oder auch um bereits vorgeburtlich zu therapieren.
"Okay, die Nadel bitte, ganz ruhig, jetzt können wir aus dem Blut gucken, wie viel von dem Sauerstoff, den wir Ihnen über die Maske geben, auch ankommt in Ihrem Blut und gucken, ob die Sauerstoffmenge auch in einem für Sie sicheren Bereich ist."
Eine neue vorgeburtliche Therapie ist die Sauerstofftherapie. Sie wird erst seit Sommer 2007 am Deutschen Zentrum für Fetalchirurgie und Pränatale Medizin in Bonn eingesetzt und zwar bei Kindern, bei denen die Herzklappen normal funktionieren, die linke Herzkammer oder auch die Körperschlagader jedoch zu klein ist. In diesen Fällen können die Kinder nach der Geburt nur durch eine schwierige Operation gerettet werden, müssen lebenslang beobachtet und medikamentös weiterbehandelt werden. Bei seinem neuen Behandlungsansatz arbeitet Professor Thomas Kohl mit Sauerstoff. Damit will er die zu kleinen Gefäße des Ungeborenen in den letzten Wochen der Schwangerschaft vergrößern. Kohl:
"Eine der stärksten Auslöser für diese Gefäßerweiterung der Lunge ist Sauerstoff. Und wenn man die Mutter Sauerstoff atmen lässt - das ist das Prinzip der Behandlung – dann tritt ein Teil des Sauerstoffs über den Mutterkuchen auf das Kind über und führt dort zu einer starken Erweiterung der Lungengefäße und dadurch muss das Herz das Blut vermehrt auch noch einmal in die Lunge pumpen und es kommt dann über die Lungenvenen zurück zur linken Herzkammer, fließt durch das linke Herz und belastet das linke Herz dadurch ganz, ganz außerordentlich und wie ein Muskel im Fitnesscenter oder beim Joggen stark beansprucht werden kann und auf Training mit Wachstum reagiert, passiert das auch bei den zu kleinen linken Herzkammern und auch den nachgeschalteten Gefäßen der Körperschlagader."
Oktober 2007: In der Bonner Klinik liegt die vierte Patientin, bei der die Sauerstofftherapie eingesetzt wird. Über einen Zeitraum von zwei bis drei Wochen erhält die Schwangere täglich drei mal vier Stunden Sauerstoff.
"Am Anfang war das unangenehm – wollte man nicht direkt einatmen. Aber jetzt hat man sich daran gewöhnt."
Um die Lunge der werdenden Mutter nicht zu schädigen, strömen nicht mehr als 40 bis 45 Prozent Sauerstoff aus der Maske. Kurz nach Behandlungsbeginn wird die Blutsauerstoffkonzentration der Mutter kontrolliert und die Reaktion des Ungeborenen. Kohl:
"Das ist die erste Stunde der Behandlung und man sieht einfach ganz klar, das Herz reagiert jetzt schon darauf."
Die neue Therapie ist simpel – die Risiken scheinen gering. Der Gehalt an Sauerstoff, ist so bemessen, dass er der Mutter sogar über einen Zeitraum von mehreren Wochen bedenkenlos gegeben werden könnte. Kohl:
"Und wir verwenden es da stundenweise am Tag – eigentlich völlig sicher und nebenwirkungsfrei. Und bei den Ungeborenen kommt deutlich weniger Sauerstoff an, als nach der Geburt sofort, so dass wir glauben, dass es keine toxischen, also giftigen Wirkungen geben kann der Sauerstofftherapie für das Ungeborene."
Mit dieser neuen Sauerstofftherapie sind bislang weltweit erst vier Kinder behandelt worden. Kohl:
"Die bisherigen Ergebnisse waren so, dass bei dem ersten und dritten Kind auf eine Operation am Aortenbogen verzichtet werden konnte. Beim zweiten Kind war die linke Herzkammer so klein, dass man geglaubt hat, dass die Größe der Herzkammer auf gar keinen Fall ausreichen würde, um im nachgeburtlichen Kreislauf zu funktionieren. Und da haben wir nach neun Tagen ein ganz ordentliches Aufholwachstum erreicht, so dass dieses Kind zwei Wochen nach seiner Geburt so operiert werden konnte, dass die linke Herzkammer auch ganz normal im Körperkreislauf zur Verfügung steht."
Das vierte Kind ist mittlerweile auch geboren. Sein Herz hatte von der Sauerstofftherapie profitiert, die Aorta war deutlich gewachsen. Während der Herzoperation nach der Geburt erlitt es aber einen Linksherzinfarkt und starb.
"Ich denke, Therapie kann nicht schaden, einen Versuch war es wert."
Alle Patientinnen haben sich für die experimentelle Sauerstofftherapie entschieden, nachdem sie über die Behandlung und mögliche Risiken aufgeklärt wurden und ein Gespräch mit einer Psychologin geführt hatten – dies gehört verpflichtend zu den Vorbereitungen einer experimentellen Therapie; ebenso muss die Ethikkommission der Universität der Behandlung zustimmen. Den bisherigen Erfolgen nach könnte die Sauerstofftherapie auch bei zahlreichen anderen Herzkrankungen des Ungeborenen eingesetzt werden. Dennoch stoßen experimentelle Behandlungen nicht nur bei Patienten, sondern auch bei Medizinern häufig erst einmal auf Skepsis, berichtet der Bonner Pränataldiagnostiker und Neonatologe Professor Ulrich Gembruch.
"Es ist immer so gewesen in der pränatalen Medizin, dass jede neue Behandlung gerade die minimalinvasiven Behandlungen, immer zunächst ethisch als problematisch empfunden wurden, aber nur so kann man für diese schwerkranken Kinder etwas Positives tun. Damals zum Beispiel bei der Tachyarrhythmia-Behandlung, also bei schweren Herzrhythmusstörungen des Kindes, wurde auch gesagt, wie kann man das machen, man kann sie außerhalb sehr viel besser behandeln. Das war vor 20 Jahren und heute ist es absolut indiziert, und wird auch von jedem Arzt durchgeführt, wenn ein Kind eine Herzrhythmusstörung hat, wird es im Mutterleib behandelt- medikamentös."
Dabei werden entsprechende Medikamente entweder der Mutter verabreicht und gelangen über die Plazenta in den Blutkreislauf des Kindes. Wenn das nicht ausreicht, kann der Wirkstoff auch direkt in die Nabelschnur des Kindes gespritzt werden. Die Erfolgsrate bei der vorgeburtlichen Behandlung des zu schnellen Herzschlages liegt bei 80 bis 90 Prozent. Beim zu langsamen Herzschlag profitieren weniger Kinder. Aus experimenteller ist Standardmedizin geworden.
"Diagnose: Zwerchfellhernie"
Unter 2500 Schwangerschaften gibt es eine, bei der das Ungeborene an einer so genannten Zwerchfellhernie leidet. Bei diesen Kindern schließt der Atemmuskel - das Zwerchfell - nicht richtig. Dadurch bleiben Bauch- und Brustraum miteinander verbunden und die Bauchorgane: Magen, Milz und Darm dringen in den Brustkorb vor. Dort engen sie die Lungen ein und hindern sie daran richtig zu wachsen. Hier soll ein kleiner Silikonballon helfen. Kohl:
"Hier sehen wir jetzt wie diese kleine Nadel mit einem Außendurchmesser von 1,2 Millimeter direkt durch die Bauchwand in der Fruchthöhle positioniert wird und von dort erreicht man dann über den Mund des Feten den Kehlkopf, kann dann die Stimmbänder passieren, um in die Luftröhre des Ungeborenen zu gelangen."
Der dort platzierte Silikonballon wird nach zwei bis drei Wochen, noch vor der Geburt wieder entfernt.
"Da fragt man sich natürlich, was hat der Ballon in der Luftröhre mit den Bauchorganen in der Brust und den Lungen zu tun: Es ist so, dass die Lungen vor der Geburt Flüssigkeit herstellen, die über die Atemwege nach außen abfließt und dazu dient, dass die Lunge reifen und wachsen kann. Wenn man diese Flüssigkeit durch diesen Ballon aufstaut, dann wird eben ein kleiner Flüssigkeitsdruck erzeugt, der hilft, dass sich die Lunge zum einen ausdehnen kann und zum anderen einen starken Wachstumsreiz setzt, und so hoffen wir bei diesen Kindern wirklich Milliliter um Milliliter Lungengewebe zu gewinnen, das sie nach der Geburt eben behandelt und beatmet werden können."
Der Eingriff dauert 30 bis 45 Minuten unter Vollnarkose. Auch bei der Operation der Zwerchfellhernie gibt es die üblichen Risiken der minimalinvasiven Fetalchirurgie. Um zusätzliche Schäden durch eine Frühgeburt zu vermeiden, behandelt Professor Thomas Kohl erst nach der 32. Schwangerschaftswoche. Kohl:
"Die Ergebnisse waren so, dass von zehn Kindern, die wir operiert haben, 7 überlebt haben und von 10 Kindern, die ähnlich schwer erkrankt waren und wo die Eltern dann einen vorgeburtlichen Eingriff abgelehnt haben, nur 3 überlebt haben. Das ist doch schon ein ordentlicher Unterschied: 30 zu 70 Prozent. Auf der anderen Seite könnte es trotzdem sein, dass es sich hier um eine zufällige Verteilung handelt."
Um herauszufinden, ob die behandelten Kinder nur zufällig überlebt haben, oder ob die minimalinvasive Behandlung der Zwerchfellhernie erfolgreich ist, läuft derzeit eine Studie am Deutschen Zentrum für Fetalchirurgie in Bonn. Kohl:
"Bei Fetalchirurgie handelt es sich immer um experimentelle Chirurgie, aber das darf in keinem Fall damit assoziiert werden, dass es Fuckeln auf Teufel komm raus ist. Sondern durch die Techniken, die momentan einfach zur Verfügung stehen, die kleinsten Endoskope mit hervorragenden Glaslinsen, den Videokameras, den entsprechenden Lichtquellen und kleinsten Instrumenten, kann man selbst in diesen kleinsten Dimensionen millimetergenau und präzise arbeiten."
"Ich denke mal, die Therapie… Einen Versuch ist es immer wert."
"Das schlimmste, was passieren könnte, ist, dass eine Mutter schwer zu Schaden kommt. Und wenn man die Geschichte der Fetalchirurgie verfolgt, die ja auch jetzt schon über mehr als 25 Jahre geht, dann ist das weltweit noch nicht beschrieben, und das sind schon viele hundert Operationen."
Vorgeburtliche Therapien sind noch jung, viele noch im experimentellen Stadium. Die Schwangerschaftsabbrüche liegen bei vorgeburtlich diagnostizierten Erkrankungen nach wie vor bei über 80 Prozent.
"Ich denke, das ist immer auch eine Persönlichkeitsfrage. Es gibt bestimmt Eltern, die damit nicht klarkommen und dann einen anderen Weg einschlagen. Oder auch diejenigen, die meinen, nicht damit klarzukommen und dann von vorneherein einen Abbruch machen. Aber kennen tu ich niemanden, der es bereut hat so ein Kind zu bekommen."
"Das war so ungefähr in der Mitte der Schwangerschaft, die 21.Woche, da hab ich das erfahren, dass das Kind krank ist. Da waren wir bei der Feindiagnostik und da hat die Ärztin gesagt, dass sie nicht ausschließen kann, dass das Kind Spina bifida hat – dass es sogar ziemlich klar ist."
"Also ich war im 4., 5. Monat und dann hat man festgestellt, dass es eine Lippen-Kiefer-Gaumenspalte hat und am Herzen was nicht stimmt, weil die linke Herzkammer kleiner war als die rechte. Ich denke, das ist für jeden ein Schock, trotzdem hab ich immer so gesagt: Ich behalt sie trotzdem."
"Wir waren erst nur traurig, nicht hoffnungslos, aber traurig, ja."
"Ja, und dann wird man eben konfrontiert , indem einem die Möglichkeiten aufgezeigt werden, die darin liegen, dass man das Kind abtreiben kann, normal austragen, oder eine Operation im Mutterleib, von der ich bis dahin gar nicht wusste, dass das möglich ist."
"Patient an der Nabelschnur
Über Therapien und Operationen im Mutterleib
Eine Sendung von Thekla Jahn"
Ob ein Kind gesund oder krank zur Welt kommt, das lässt sich heute immer genauer vorhersagen. Die pränatale, also vorgeburtliche Diagnostik macht es möglich. Diese Diagnostik nutzt zum überwiegenden Teil Ultraschalltechnik, die in jüngster Zeit enorme Fortschritte gemacht hat: Dank hoher Bildauflösung lassen sich bei einem Ungeborenen immer feinere Veränderungen erkennen und Krankheitsdiagnosen können sehr viel früher gestellt werden. So ist es heute möglich in der 12., 13. Schwangerschaftswoche schon viele der groben Fehlbildungen auszumachen. Nur zwei Wochen später – in der 14., 15. Woche - kann mit Hilfe eines so genannten Farbdopplers der Blutfluss zum Herzen und vom Herzen beobachtet werden, und damit die Funktionsfähigkeit der Herzklappen. Und die dreidimensionale Technik bietet wie beim Fernsehen Live-Bilder von einem sich bewegenden Kind. Spätestens in der 20. Schwangerschaftswoche sind die allermeisten Fehlbildungen sichtbar. Soweit die Theorie. In der Praxis sieht es für werdende Mütter anders aus:
"Also im Augenblick ist es so, dass die Mutterschaftsrichtlinien drei Screenings in der 10., 20., 30. Woche vorsehen, wo es aber nicht darum geht, Fehlbildungen zu entdecken, sondern nur die Entwicklung des Kindes zu kontrollieren, das heißt man misst den Kopf, man misst den Bauch und misst einen Knochen – man muss keinen Herzfehler entdecken, sie müssen keinen offenen Rücken entdecken, also alle Fehlbildungen müssen eigentlich nicht entdeckt werden."
Nur für Frauen mit besonderen Risiken ist vorgesehen, dass sie in der 20. Woche einen großen Organultraschall bekommen. Dies hält der Pränataldiagnostiker Professor Ulrich Gembruch von der Universitätskinderklinik Bonn angesichts der technischen Möglichkeiten für nicht mehr zeitgemäß. Gembruch:
"Deshalb wird diskutiert, um hier die Gesamtqualität anzuheben, dass jede Frau optional, wenn sie es wünscht, in der 20. Woche einen großen Organultraschall bekommt, wo dann eben viele Fehlbildungen entdeckt werden, bei deren Entdeckung der Fetus beziehungsweise das Neugeborene profitieren würde und man sich darauf einstellen kann und das Kind gleich nach der Geburt optimal behandeln kann."
"Da waren wir bei der Feindiagnostik und die Ärztin hat beim Ultraschall erkannt, dass im Gehirn ein bisschen was verformt ist, das Köpfchen verformt ist, und sich den Rücken noch einmal genauer angesehen, und gesehen, dass da was offen liegt."
Eines von 1000 Babys kommt mit einer Spina bifida, einem so genannten offenen Rücken zur Welt. Dabei sind die Wirbelbögen, das Rückenmark und die benachbarten Hirnhäute nicht richtig verschlossen. Diese Kinder leiden an Bewegungsstörungen der Beine, viele sind querschnittsgelähmt, und haben außerdem Probleme, Darm und Blase zu kontrollieren. Hinzu kommt, dass sich bei einer Spina bifida oft Hirnwasser in den Hirnkammern aufstaut– im Volksmund Wasserkopf genannt.
"Ich hab damals schon erste Bewegungen gemerkt und das war mir ausgeschlossen, dass ich das Baby nicht bekomme."
Seit wenigen Jahren gibt es an der Universität Bonn die Möglichkeit, Ungeborene mit Spina bifida im Mutterleib zu operieren. Die Idee der Therapie: Der offene Rücken eines Fetus ist über viele Wochen dem Fruchtwasser schutzlos ausgesetzt und kann zudem verletzt werden, wenn sich das Kind bewegt und unglücklich anstößt. Diese möglichen Schäden sollen durch einen vorgeburtlichen Verschluss des Rückens minimiert werden. Professor Thomas Kohl, Leiter des Deutschen Zentrums für Fetalchirurgie an der Universitätsklinik Bonn, ist weltweit der einzige, der den Verschluss minimalinvasiv durchführt. Durch drei kleine Öffnungen im Bauch der Schwangeren werden Operationsröhrchen mit Instrumenten in die Gebärmutter und die darin liegende Fruchthöhle mit dem Kind vorgeschoben. Kohl:
"Was man macht ist, dass man vor der OP eine Kernspintomographie durchführt und eine Ultraschalluntersuchung direkt im Operationssaal, und dass man sich dann mental ein dreidimensionales Bild schafft, wie das Baby liegt in der Fruchthöhle in Relation zur Position des Mutterkuchens, zum Abgang der Nabelschnur, wie es gelagert werden kann, und dann plant man den ersten Einstich. Und dann wird das erste Nädelchen positioniert, eine kurze Sichtkontrolle in der Gebärmutter, ob die Vorstellung wie ungefähr das Baby nach seiner Lagerung liegen wird, ob das passt zur gedachten Position des nächsten und des übernächsten Operationsröhrchens und dann werden die halt platziert."
Drei Operationsröhrchen braucht es für diesen Eingriff: eines für die Kamera, die während der gesamten Operation in der Fruchthöhle verbleibt, und zwei Röhrchen zum Einführen der kleinen Instrumente und des Patches - des Flickens, mit dem der Rücken verschlossen wird. Kohl:
"Man weiß, dass man unter Wasser nicht operieren kann, weil schon sehr kleine Blutungen, die für die Mutter oder auch für das Baby kreislaufmäßig völlig unbedeutend sind, also schon wenige Milliliter Blut ausreichen würden, um die Fruchthöhle zu verdunkeln für diese extrem kleinen Optiken und Lichtquellen, die man verwendet. Und in dem Sinne ist es so, dass wir einen Teil des Fruchtwasser entfernen, den Uterus mit Gas füllen und wir versuchen den offenen Rücken möglichst günstig in Relation zu diesen Röhrchen zu positionieren und dann kommt der Moment, wo mit kleinsten Scherchen oder kleinsten Greiferchen oder mit Elektromesser oder mit Laser begonnen wird, das Rückenmark vorsichtig frei zu präparieren."
"Hier sieht man also die Operationsbilder aus der Fruchthöhle bei dem letzten Ungeborenen mit offenem Rücken. Und was passiert ist, der erste Operationsflicken, der resorbierbare Flicken, wird mit kleinen Nickel-Titan-Clips auf diese Muskelschicht aufgenäht und dadurch erreicht man eben einen wasserdichten Verschluss und Schutz des Rückenmarks. Der Patch wird zunächst aufgelegt und dann - innerhalb von Stunden geht das los - wachsen darunter liegende Zellen in den Patch ein. Das ist das erste, und mechanisch befestigt wird er mit Nickel-Titan-Clips, die ansonsten verwendet werden in der Roboterchirurgie an Herzkranzgefäßen. Die verbleiben im Körper des Ungeborenen. Sie können teilweise nach der Geburt entfernt werden, sind aber ansonsten ganz normales Implantationsmaterial, was nicht schädlich ist für diese Kinder."
Das Verschlussmaterial selbst, der Patch, besteht aus Schweinedünndarmwänden. Je früher er den offenen Rücken verschließt, und je weiter dieser abgedeckt ist, umso besser stellt sich die Situation nach der Geburt dar.
"Der Patch ist ziemlich gut eingeheilt, nicht ganz, aber doch zu einem großen Teil. Die Ärzte und Schwestern auf der Intensivstation sind recht zufrieden mit dem Kind, es kann die Beine bewegen, es hat die ersten vollen Windeln schon gehabt- wo wir uns gefreut haben, weil das auch so eine Frage gewesen ist mit der Kontinenz."
Die kleine Lois Penelope wurde vor wenigen Wochen geboren. Momentan ist sie das jüngste behandelte Kind mit Spina bifida. Bei der Geburt war der offene Rücken bis auf ein fingernagelgroßes Stück geschlossen. Auf eine nachgeburtliche Operation konnte verzichtet werden. Die Prognose ist gut, doch wie sich das Kind tatsächlich entwickeln wird, bleibt abzuwarten. So war die Situation zunächst auch bei der vor zweieinhalb Jahren im Mutterleib operierten Rosa Marie.
"Sie hat immer einen guten Verlauf gemacht, nachdem wir aus dem Krankenhaus raus waren, wo dann der eine oder andere Arzt gesagt hat, sie hat eigentlich eine ganz gute Prognose. Aber dass jemand gesagt hat, sie wird definitiv laufen können? Das war unklar, bis zu dem Zeitpunkt als sie lief. Und das Problem Inkontinenz, das die Kinder haben, steht noch aus. Wir haben jetzt eine erste Blasendruckmessung machen lassen, sie hat bisher – Gott sei dank, toi, toi, toi, noch nie eine Blaseninfektion gehabt, und die Blasendruckmessung hat jetzt auch ganz positive Ergebnisse geliefert, so dass da gute Aussichten sind, aber, ob sie wirklich definitiv zu 100 Prozent trocken wird, das wird sich erst in der nächsten Zeit rausstellen."
Bislang gab es erst zehn Spina bifida-Operationen im Mutterleib. Sechs Kinder konnten nach der Geburt ihre Beine deutlich besser bewegen als unbehandelte Kinder. Zwei Operationen konnten aus anatomischen Gründen nicht erfolgreich durchgeführt werden, zwei Kindern starben: eines während der Operation, bei der eine Blutungskomplikation auftrat, das andere während der weiterführenden Behandlung nach der Geburt. Die vorgeburtliche Therapie der Spina bifida ist noch immer eine experimentelle Behandlungsmethode, das heißt sie wird von Operation zu Operation ausgefeilter. Ob die Kinder letztlich davon profitieren, können die Ärzte noch nicht sagen. In den USA läuft derzeit eine Langzeitstudie. Anders als in Bonn, wird dort nicht minimalinvasiv behandelt, sondern der Bauch der Schwangeren aufgeschnitten und der Fetus dann offen operiert –. Die bisherigen Ergebnisse legen nahe, dass es tatsächlich Sinn macht, einen offenen Rücken vor der Geburt abzudecken. Das Rückenmark des Ungeborenen wird dann nicht weiter geschädigt und die zu erwartenden Gehirnfehlbildungen fallen weit geringer aus.
"Zunächst haben wir erst einmal zahlreiche Gespräche mit Thomas Kohl geführt. Voraussetzung war eben auch, dass wir zu dem Kind stehen mit allen Konsequenzen, weil versprechen kann er bis zu jetzigem Zeitpunkt nicht, dass es die gewünschten Erfolge bringt. Und er hat eben gesagt, wenn es dann nicht so ist, dann müssen wir eben trotz alledem damit rechnen, dass das Kind im Rollstuhl sitzt, dass es inkontinent sein kann, und die zusätzlichen Risiken der Operation auch. Das waren mehrere Gespräche, und er sagte auch, bevor wir uns nicht 100 Prozent sicher sind, dass wir das Kind mit allen Konsequenzen auch nachher haben möchten, würde er auch so eine Operation gar nicht durchführen."
Den Eltern bleibt die Risiko-Nutzen-Abwägung nicht erspart. Zu den Risiken der Operation gehört die Vollnarkose. Es kann auch - wie bei jedem Eingriff - zu unvorhergesehenen Blutungen kommen, oder zu einer Infektion durch einen Krankenhauskeim. Nicht auszuschließen sind ein vorzeitiger Blasensprung und eine Frühgeburt, die für das Kind dann weitere Gesundheitsrisiken birgt. Risiken, die bei allen vorgeburtlichen Eingriffen ähnlich sind. Thomas Kohl:
"Dazu muss man einfach sagen, dass die minimalinvasiven Operationsverfahren tatsächlich ihrem Namen nach auch nur minimale Risiken bergen für die Mutter. Natürlich kann jeder Eingriff gefährlich sein. Man kann auch bei minimalinvasiven Eingriffen Situationen erfahren, die lebensbedrohlich sein können, nur in der Praxis tritt das kaum auf."
"Das kann ich Ihnen jetzt zeigen. Hier ist eine Patientin. Man sieht hier wirklich schon ab der 19 Schwangerschaftswoche sehr schön dargestellt die Herzstruktur, man sieht Brust, Brustwand, hier ist die rechte Herzkammer, hier ist der rechte Vorhof und die Lungenschlagader."
Dr. Viet Rasek vom Herzzentrum der Universität Leipzig wertet spezielle Ultraschallaufnahmen aus, so genannte fetale Echokardiografien. Damit lässt sich das Herz von Feten dreidimensional darstellen und unmittelbar bei der Pumparbeit beobachten. Rasek:
"”Wenn wir sehen, dass in der 20. Woche alles normal ist, dann ist zu 99 Prozent sicher, dass nach der Geburt auch alles in Ordnung ist.""
Herzfehler gehören zu den häufigsten Erkrankungen von Neugeborenen: In Deutschland kommt knapp ein Prozent der Kinder mit einem angeborenen Herzfehler zur Welt. Besonders häufig sind: die nicht korrekte Trennung von linkem und rechtem Vorhof, eine verengte Aortenklappe oder eine falsch angeschlossene Hauptschlagader.
"Wir wissen, dass nur 15 bis 20 Prozent aller angeborenen Herzfehler vorgeburtlich erkannt werden, das heißt 80 Prozent werden nicht erkannt und kommen nicht im optimalen Zustand in die Kinderkardiologie, das kann man ganz klar so sagen, und die haben eine schlechtere Prognose."
Eine schlechtere Prognose, was die Operation nach der Geburt, aber auch was die spätere Lebensqualität angeht. Professor Renaldo Faber von der Universitätsfrauenklinik Leipzig plädiert deshalb dafür, bei jedem Ungeborenen eine fetale Echokardiografie zu machen – sofern die Eltern dies wollen. Nur so kann bei einem diagnostizierten Herzfehler rechtzeitig ein entsprechendes Spezialzentrum ausgewählt werden. Sei es um nach der Geburt sofort innerhalb der ersten Stunden oder Tage zu operieren, damit es bei einem kritischen Herzfehler nicht zu einem Kreislaufkollaps kommt. Oder auch um bereits vorgeburtlich zu therapieren.
"Okay, die Nadel bitte, ganz ruhig, jetzt können wir aus dem Blut gucken, wie viel von dem Sauerstoff, den wir Ihnen über die Maske geben, auch ankommt in Ihrem Blut und gucken, ob die Sauerstoffmenge auch in einem für Sie sicheren Bereich ist."
Eine neue vorgeburtliche Therapie ist die Sauerstofftherapie. Sie wird erst seit Sommer 2007 am Deutschen Zentrum für Fetalchirurgie und Pränatale Medizin in Bonn eingesetzt und zwar bei Kindern, bei denen die Herzklappen normal funktionieren, die linke Herzkammer oder auch die Körperschlagader jedoch zu klein ist. In diesen Fällen können die Kinder nach der Geburt nur durch eine schwierige Operation gerettet werden, müssen lebenslang beobachtet und medikamentös weiterbehandelt werden. Bei seinem neuen Behandlungsansatz arbeitet Professor Thomas Kohl mit Sauerstoff. Damit will er die zu kleinen Gefäße des Ungeborenen in den letzten Wochen der Schwangerschaft vergrößern. Kohl:
"Eine der stärksten Auslöser für diese Gefäßerweiterung der Lunge ist Sauerstoff. Und wenn man die Mutter Sauerstoff atmen lässt - das ist das Prinzip der Behandlung – dann tritt ein Teil des Sauerstoffs über den Mutterkuchen auf das Kind über und führt dort zu einer starken Erweiterung der Lungengefäße und dadurch muss das Herz das Blut vermehrt auch noch einmal in die Lunge pumpen und es kommt dann über die Lungenvenen zurück zur linken Herzkammer, fließt durch das linke Herz und belastet das linke Herz dadurch ganz, ganz außerordentlich und wie ein Muskel im Fitnesscenter oder beim Joggen stark beansprucht werden kann und auf Training mit Wachstum reagiert, passiert das auch bei den zu kleinen linken Herzkammern und auch den nachgeschalteten Gefäßen der Körperschlagader."
Oktober 2007: In der Bonner Klinik liegt die vierte Patientin, bei der die Sauerstofftherapie eingesetzt wird. Über einen Zeitraum von zwei bis drei Wochen erhält die Schwangere täglich drei mal vier Stunden Sauerstoff.
"Am Anfang war das unangenehm – wollte man nicht direkt einatmen. Aber jetzt hat man sich daran gewöhnt."
Um die Lunge der werdenden Mutter nicht zu schädigen, strömen nicht mehr als 40 bis 45 Prozent Sauerstoff aus der Maske. Kurz nach Behandlungsbeginn wird die Blutsauerstoffkonzentration der Mutter kontrolliert und die Reaktion des Ungeborenen. Kohl:
"Das ist die erste Stunde der Behandlung und man sieht einfach ganz klar, das Herz reagiert jetzt schon darauf."
Die neue Therapie ist simpel – die Risiken scheinen gering. Der Gehalt an Sauerstoff, ist so bemessen, dass er der Mutter sogar über einen Zeitraum von mehreren Wochen bedenkenlos gegeben werden könnte. Kohl:
"Und wir verwenden es da stundenweise am Tag – eigentlich völlig sicher und nebenwirkungsfrei. Und bei den Ungeborenen kommt deutlich weniger Sauerstoff an, als nach der Geburt sofort, so dass wir glauben, dass es keine toxischen, also giftigen Wirkungen geben kann der Sauerstofftherapie für das Ungeborene."
Mit dieser neuen Sauerstofftherapie sind bislang weltweit erst vier Kinder behandelt worden. Kohl:
"Die bisherigen Ergebnisse waren so, dass bei dem ersten und dritten Kind auf eine Operation am Aortenbogen verzichtet werden konnte. Beim zweiten Kind war die linke Herzkammer so klein, dass man geglaubt hat, dass die Größe der Herzkammer auf gar keinen Fall ausreichen würde, um im nachgeburtlichen Kreislauf zu funktionieren. Und da haben wir nach neun Tagen ein ganz ordentliches Aufholwachstum erreicht, so dass dieses Kind zwei Wochen nach seiner Geburt so operiert werden konnte, dass die linke Herzkammer auch ganz normal im Körperkreislauf zur Verfügung steht."
Das vierte Kind ist mittlerweile auch geboren. Sein Herz hatte von der Sauerstofftherapie profitiert, die Aorta war deutlich gewachsen. Während der Herzoperation nach der Geburt erlitt es aber einen Linksherzinfarkt und starb.
"Ich denke, Therapie kann nicht schaden, einen Versuch war es wert."
Alle Patientinnen haben sich für die experimentelle Sauerstofftherapie entschieden, nachdem sie über die Behandlung und mögliche Risiken aufgeklärt wurden und ein Gespräch mit einer Psychologin geführt hatten – dies gehört verpflichtend zu den Vorbereitungen einer experimentellen Therapie; ebenso muss die Ethikkommission der Universität der Behandlung zustimmen. Den bisherigen Erfolgen nach könnte die Sauerstofftherapie auch bei zahlreichen anderen Herzkrankungen des Ungeborenen eingesetzt werden. Dennoch stoßen experimentelle Behandlungen nicht nur bei Patienten, sondern auch bei Medizinern häufig erst einmal auf Skepsis, berichtet der Bonner Pränataldiagnostiker und Neonatologe Professor Ulrich Gembruch.
"Es ist immer so gewesen in der pränatalen Medizin, dass jede neue Behandlung gerade die minimalinvasiven Behandlungen, immer zunächst ethisch als problematisch empfunden wurden, aber nur so kann man für diese schwerkranken Kinder etwas Positives tun. Damals zum Beispiel bei der Tachyarrhythmia-Behandlung, also bei schweren Herzrhythmusstörungen des Kindes, wurde auch gesagt, wie kann man das machen, man kann sie außerhalb sehr viel besser behandeln. Das war vor 20 Jahren und heute ist es absolut indiziert, und wird auch von jedem Arzt durchgeführt, wenn ein Kind eine Herzrhythmusstörung hat, wird es im Mutterleib behandelt- medikamentös."
Dabei werden entsprechende Medikamente entweder der Mutter verabreicht und gelangen über die Plazenta in den Blutkreislauf des Kindes. Wenn das nicht ausreicht, kann der Wirkstoff auch direkt in die Nabelschnur des Kindes gespritzt werden. Die Erfolgsrate bei der vorgeburtlichen Behandlung des zu schnellen Herzschlages liegt bei 80 bis 90 Prozent. Beim zu langsamen Herzschlag profitieren weniger Kinder. Aus experimenteller ist Standardmedizin geworden.
"Diagnose: Zwerchfellhernie"
Unter 2500 Schwangerschaften gibt es eine, bei der das Ungeborene an einer so genannten Zwerchfellhernie leidet. Bei diesen Kindern schließt der Atemmuskel - das Zwerchfell - nicht richtig. Dadurch bleiben Bauch- und Brustraum miteinander verbunden und die Bauchorgane: Magen, Milz und Darm dringen in den Brustkorb vor. Dort engen sie die Lungen ein und hindern sie daran richtig zu wachsen. Hier soll ein kleiner Silikonballon helfen. Kohl:
"Hier sehen wir jetzt wie diese kleine Nadel mit einem Außendurchmesser von 1,2 Millimeter direkt durch die Bauchwand in der Fruchthöhle positioniert wird und von dort erreicht man dann über den Mund des Feten den Kehlkopf, kann dann die Stimmbänder passieren, um in die Luftröhre des Ungeborenen zu gelangen."
Der dort platzierte Silikonballon wird nach zwei bis drei Wochen, noch vor der Geburt wieder entfernt.
"Da fragt man sich natürlich, was hat der Ballon in der Luftröhre mit den Bauchorganen in der Brust und den Lungen zu tun: Es ist so, dass die Lungen vor der Geburt Flüssigkeit herstellen, die über die Atemwege nach außen abfließt und dazu dient, dass die Lunge reifen und wachsen kann. Wenn man diese Flüssigkeit durch diesen Ballon aufstaut, dann wird eben ein kleiner Flüssigkeitsdruck erzeugt, der hilft, dass sich die Lunge zum einen ausdehnen kann und zum anderen einen starken Wachstumsreiz setzt, und so hoffen wir bei diesen Kindern wirklich Milliliter um Milliliter Lungengewebe zu gewinnen, das sie nach der Geburt eben behandelt und beatmet werden können."
Der Eingriff dauert 30 bis 45 Minuten unter Vollnarkose. Auch bei der Operation der Zwerchfellhernie gibt es die üblichen Risiken der minimalinvasiven Fetalchirurgie. Um zusätzliche Schäden durch eine Frühgeburt zu vermeiden, behandelt Professor Thomas Kohl erst nach der 32. Schwangerschaftswoche. Kohl:
"Die Ergebnisse waren so, dass von zehn Kindern, die wir operiert haben, 7 überlebt haben und von 10 Kindern, die ähnlich schwer erkrankt waren und wo die Eltern dann einen vorgeburtlichen Eingriff abgelehnt haben, nur 3 überlebt haben. Das ist doch schon ein ordentlicher Unterschied: 30 zu 70 Prozent. Auf der anderen Seite könnte es trotzdem sein, dass es sich hier um eine zufällige Verteilung handelt."
Um herauszufinden, ob die behandelten Kinder nur zufällig überlebt haben, oder ob die minimalinvasive Behandlung der Zwerchfellhernie erfolgreich ist, läuft derzeit eine Studie am Deutschen Zentrum für Fetalchirurgie in Bonn. Kohl:
"Bei Fetalchirurgie handelt es sich immer um experimentelle Chirurgie, aber das darf in keinem Fall damit assoziiert werden, dass es Fuckeln auf Teufel komm raus ist. Sondern durch die Techniken, die momentan einfach zur Verfügung stehen, die kleinsten Endoskope mit hervorragenden Glaslinsen, den Videokameras, den entsprechenden Lichtquellen und kleinsten Instrumenten, kann man selbst in diesen kleinsten Dimensionen millimetergenau und präzise arbeiten."
"Ich denke mal, die Therapie… Einen Versuch ist es immer wert."
"Das schlimmste, was passieren könnte, ist, dass eine Mutter schwer zu Schaden kommt. Und wenn man die Geschichte der Fetalchirurgie verfolgt, die ja auch jetzt schon über mehr als 25 Jahre geht, dann ist das weltweit noch nicht beschrieben, und das sind schon viele hundert Operationen."
Vorgeburtliche Therapien sind noch jung, viele noch im experimentellen Stadium. Die Schwangerschaftsabbrüche liegen bei vorgeburtlich diagnostizierten Erkrankungen nach wie vor bei über 80 Prozent.
"Ich denke, das ist immer auch eine Persönlichkeitsfrage. Es gibt bestimmt Eltern, die damit nicht klarkommen und dann einen anderen Weg einschlagen. Oder auch diejenigen, die meinen, nicht damit klarzukommen und dann von vorneherein einen Abbruch machen. Aber kennen tu ich niemanden, der es bereut hat so ein Kind zu bekommen."