Archiv

Patrick Watsons "Wave"
Wie eine Welle

Der kanadische Musiker Patrick Watson blickt auf harte Lebensjahre mit vielen Schicksalsschlägen zurück. Erfahrungen, die er auf seinem achten Studioalbum in melancholischen Songs verarbeitet. Und doch spenden sie Trost und Hoffnung.

Von Dennis Kastrup |
Auf dem Bild ist der Musiker Patrick Watson in seinem Tonstudio zu sehen. Er sitzt vor einem Klavier, neben ihm befindet sich ein modularer Synthesizer
Der Musiker Patrick Watson in seinem Proberaum (Dennis Kastrup)
Patrick Watson schüttelt freundlich die Hand und kehrt schnell wieder zurück an seinen Arbeitsplatz. Er arbeite gerade an einem neuen Song, ruft er durch den Raum und spielt eine kurze Sequenz vor.
Die Melodie stammt von seinem Bassisten mit ukrainischen Wurzeln. Watson will ein paar der Textzeilen auf Russisch singen, da man manches eben nicht so gut in englischer Sprache ausdrücken könne, so wie auch in dem Song "Melody Noir" vom neuen Album.
"Mich hat 'Tonada de la Luna' des venezolanischen Sängers Simón Diaz sehr inspiriert. Das war für mich das schönste Stück seit Jahren. Das habe ich monatelang ununterbrochen gehört. Ich wollte das nicht wirklich kopieren, sondern ihm eher antworten, also als würde ich mit ihm ein Duett singen Es ist ein Versuch, Inspirationen zu benutzen, sich aber auch ihrer Herkunft bewusst zu sein."
In Montréal bedeutet das unter anderem, sich mit einer Legende der Metropole am Sankt Lorenz Strom auseinander zu setzen: Leonard Cohen, der als riesiges Graffiti von zwei Hauswänden auf die Stadt blickt und so für ihre Bewohner ständig präsent ist. Das gilt auch für Patrick Watson. Er hat bereits mit Cohens Sohn Adam zusammen Musik gemacht und sich für "Wave" von den Texten Leonard Cohens inspirieren lassen, aber nicht so, wie man das vielleicht vermutet:
"Seine Texte haben mich nicht wirklich berührt, bis ich nach seinem Tod ein Interview mit ihm gesehen habe. Er besaß beim Sprechen irgendwie dieselbe Eleganz wie beim Singen. Alles wurde aber direkter, lustiger und einfacher ausgedrückt. Da habe ich wohl zum ersten Mal eine Verbindung zu ihm aufgebaut."
Eine Aneinanderreihung von Wellen
Diese Direktheit hat Watson, mehr als auf den Vorgängeralben, in seine Texte einfließen lassen. So konnte er besser die Erlebnisse bewältigen, die ihn in den vergangenen Jahren beschäftigt haben: Er trennte sich von seiner langjährigen Freundin, sein Schlagzeuger verließ die Band und seine Mutter verstarb. Ihren Tod verarbeitet er unter anderem in dem Song "The Wave". Hier singt er: "Ich werde dich auf der anderen Seite wiedersehen. Wir lassen die Wellen jetzt einfach abklingen." Das Stück gab dem Album auch den Titel. Watson sieht das Leben als eine Aneinanderreihung von Wellen: Mal sind sie ruhig, mal eben stürmisch.
"Manche Dinge sind furchtbar, so wie Missbrauch. Es gibt viele Sachen, die man in die Kategorie 'sehr schlimm' stecken kann. Und dann gibt es noch das Leben. Das Leben kann manchmal herausfordernd sein. Vieles im Leben wird jedem von uns passieren. Ich empfinde das nicht unbedingt schlimm, sondern einfach als eine Herausforderung. In solchen Momenten muss man sich neu erfinden. Das ist also schwer, aber nicht grundsätzlich schlimm. Es ist nun mal das normale Leben. Darauf muss man aufbauen."
Intime Atmosphäre mit wenig Instrumentierung
Diese Haltung hat sich auch auf seinen Gesang übertragen. Watson verleiht der bedrückenden Thematik der Songs Lockerheit, indem er sich mehr als zuvor von seiner Falsettstimme löst. Die Musik wird von Gitarre, Piano, Synthesizer und Geigen geprägt. Dabei beginnen die Stücke oft in fast schon intimer Atmosphäre mit wenig Instrumentierung und enden mit vielen aufeinander geschichteten Instrumenten. Es ist jedes Mal der bewegende und melancholische Höhepunkt eines Songs. Der Kanadier hat dafür viel, wie er sagt, sogenannte "traurige Musik" studiert. Um zu zeigen, was ihm dabei aufgefallen ist, erhebt er sich aus seinem Stuhl, geht schnurstracks auf sein Klavier zu und spielt "Adagio For Strings".
"Das gesamte Stück ist fast nur in Dur, außer vielleicht drei oder vier Akkorde. Und der traurigste Teil des Stücks ist dann B-Dur, der hellste Akkord auf dem Klavier. Das ist also B-Dur. Für mich scheint es also so zu sein, dass die Songs, die Menschen emotional berühren, nicht grundsätzlich traurig sind. Es ist eher so, dass sie ihnen einen Ort mit mehr Hoffnung schenken. Sie haben also die Erlaubnis, traurig sein."
Watson hält kurz inne. Vielleicht ist ihm gerade bewusst geworden, mit diesen Worten sein eigenes Album beschrieben zu haben. Denn: Mit "Wave" verarbeitet der 40-Jährige seine Erlebnisse in aufwühlenden und bewegenden Songs - ohne dabei in Selbstmitleid zu verfallen. Das macht Hoffnung - auch, weil mit "Look At You" und "Turn Out The Lights" zwei Liebeslieder für seine neue Freundin mit dabei sind.