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Paukenschlag in Bellevue

Der Bundespräsident ist zurückgetreten - was war passiert? War Horst Köhlers Entscheidung wirklich nur auf die Kritik der letzten Tage bezogen? Wie kann es weitergehen - im Bundespräsidialamt - und in der Regierungskoalition?

Mit Beiträgen von Christel Blanke und Gudula Geuther |
    Am Mikrofon Peter Kapern. Da zeigte jemand diebische Freude darüber, dass er alle, insbesondere alle Journalisten überrumpelt hatte, mit seinem Rückzug aus dem politischen Leben. Schmunzelnde Zufriedenheit mit sich selbst, Genugtuung über einen echten Coup. Schauplatz, die Staatskanzlei in Wiesbaden am vergangenen Dienstag, als Roland Koch seinen Rücktritt ankündigte. Nicht weniger große Überraschung heute oder war es doch eher Entsetzen und wie anders doch die Szenerie. Hand in Hand mit seiner Frau Eva Luise kam der Bundespräsident in den Saal im Schloss Bellevue, in dem ihn die Presse erwartete. Stockend jeden einzelnen Satz seines kurzen Statements, auf eine einzelne Karteikarte notiert, bewegt, mit langen Pausen und brüchiger Stimme kündigte Horst Köhler seinen Rücktritt an. Die Kritik an seinem Interview, das er unserem Sender gegeben hatte, gehe soweit ihm zu unterstellen, er befürworte Einsätze der Bundeswehr, die vom Grundgesetz nicht gedeckt seien.

    "Diese Kritik entbehrt jeder Rechtfertigung. Sie lässt den notwendigen Respekt für mein Amt vermissen. Ich erkläre hiermit meinen Rücktritt vom Amt des Bundespräsidenten. Mit sofortiger Wirkung."

    Das war um 14 Uhr, drei Minuten später jagten die ersten Eilmeldungen über die Ticker. Der Rücktritt eines Staatsoberhauptes wegen einer Interviewäußerung? Wegen der Kritik an einer Interviewäußerung? Christel Blanke über die vielleicht ungewöhnlichste Periode in der Amtszeit aller Bundespräsidenten.


    Es ist Freitag, der 21. Mai 2010. Überraschend trifft Bundespräsident Horst Köhler in Afghanistan ein. Besucht die deutschen Soldaten in Masar-i-Scharif. Auf dem Rückflug zurück nach Deutschland gibt Köhler dem Deutschlandradio ein Interview. Der Reporter sagt: Es wird darüber nachgedacht, ob das Mandat der Bundeswehr für Afghanistan ausreicht. Und fragt: Brauchen wir ein klares Bekenntnis zu dieser kriegerischen Auseinandersetzung und vielleicht auch einen neuen politischen Diskurs? Der Bundespräsident sagt: nein. Und er sagt:

    "... dass ein Land unserer Größe mit dieser Außenhandelsorientierung und damit auch Außenhandelsabhängigkeit auch wissen muss, dass im Zweifel, im Notfall auch militärischer Einsatz notwendig ist, um unsere Interessen zu wahren, zum Beispiel freie Handelswege, zum Beispiel ganze regionale Instabilitäten zu verhindern, die mit Sicherheit dann auch auf unsere Chancen zurückschlagen negativ durch Handel, Arbeitsplätze und Einkommen."

    Eine Äußerung, die tagelang scheinbar unkommentiert bleibt, vielleicht weil das Interview an einem Samstagmorgen ausgestrahlt wird. Doch Hörer melden sich zu Wort:

    "Der Bundespräsident, der ja die Aufgabe hat, jedes Gesetz anhand der Verfassung zu überprüfen, kümmert sich offenbar bei Bundeswehreinsätzen nicht um das Grundgesetz. Die Bundeswehr wird von einer Verteidigungs- zu einer Interventionsarmee. - Ist ja wirklich harter Tobak, was der Köhler da loslässt. Wir bomben uns zum Exportweltmeister. - Dass sich der Bundespräsident für unsere Soldaten einsetzt, ist in Ordnung und zu erwarten. Dass der Bundespräsident aber en passent eine Ausweitung der Einsatzmöglichkeiten der Bundeswehr verkündet, vor zehn Jahren wäre bei einer solchen Formulierung ein Aufschrei durchs Land gegangen."

    Der Deutschlandfunk greift das Thema wieder auf. Fragt den Vorsitzenden des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Ruprecht Polenz, CDU, was von Köhlers Äußerungen zu halten ist:

    "Ich glaube, der Bundespräsident hat sich hier etwas missverständlich ausgedrückt. Er wollte keine neue Militärdoktrin für Deutschland verkünden, sondern nur deutlich machen, dass Deutschland mit seinem Einsatz in Afghanistan einen Beitrag zur internationalen Sicherheit und Stabilität leistet."

    Andere gehen nicht so gnädig mit dem Bundespräsidenten um. Thomas Oppermann, Parlamentarischer Geschäftsführer der SPD-Fraktion, sagt: Köhler schade der Akzeptanz der Auslandseinsätze der Bundeswehr. Grünen-Fraktionsvize Frithjof Schmidt bezeichnet die Bemerkung als <brandgefährlich> und betont: sie offenbare ein für das Präsidentenamt inakzeptables Verständnis von Verteidigungs- und Sicherheitspolitik. Die Partei die Linke meint, Köhler habe die Katze aus dem Sack gelassen.
    Die Opposition wolle Köhler bewusst missverstehen, wettert FDP-Chef Guido Westerwelle. Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg, CSU, fordert zu differenzieren:

    "Der Afghanistan-Einsatz selbst begründet sich nicht auf wirtschaftlichen Interessen. Wirtschaftsinteressen und Sicherheitspolitik können allerdings in Verbindung stehen. Das ist etwa, wenn es um die Sicherung von Seehandelswegen geht."

    Auf dem Weg versucht es auch das Präsidialamt. Ein Sprecher sagt: Die Äußerungen des Bundespräsidenten bezögen sich auf die vom deutschen Bundestag beschlossenen aktuellen Einsätze der Bundeswehr, wie zum Beispiel den Kampf gegen Piraten am Horn von Afrika. Dem hat Bundeskanzlerin Angela Merkel vertreten durch die stellvertretende Regierungssprecherin Sabine Heimbach nichts hinzuzufügen:

    "Die Bundeskanzlerin als Vertreterin des Verfassungsorgans äußert sich nicht zu Stellungnahmen und Interviews des Verfassungsorgans Bundespräsident."

    Es ist nicht das erste Mal, dass der Bundespräsident in der Kritik steht. Medien und Oppositionspolitiker bemängeln immer wieder die Zurückhaltung des Staatsoberhauptes in aktuellen Debatten. Zu Beginn seiner Amtszeit hatte Horst Köhler versprochen, er werde ein "unbequemer Präsident" sein. Und das ist er manchmal auch. Rot-Grün wirft er mangelnden Reformwillen vor. Die Finanzmärkte bezeichnet er als "Monster". Doch inzwischen fürchten manche: In der zweiten Amtszeit hat der Präsident nichts mehr zu sagen. Auch nicht mehr zur Finanz- und Wirtschaftskrise. Obwohl Köhler als ehemaliger Direktor des Internationalen Währungsfonds Experte ist. Im März fordert der Parlamentarische Geschäftsführer der Grünen-Bundestagsfraktion, Volker Beck, Köhler solle sich zu den ewigen Streitereien der Regierungskoalition äußern:

    "Ich hab ganz vergessen in den letzten Wochen, dass wir noch einen Bundespräsidenten haben. Und ich finde eigentlich, dass es schon seines Amtes wäre, angesichts dessen, wie sich die Koalition aufführt, hier einen Appell auch an die Moral und die Amtsauffassung der Regierung zu richten, um das Vertrauen in der Bevölkerung wieder herzustellen."

    Obwohl Köhler die Kritik aus Politik und Medien im "Focus" zurückweist mit den Worten: Ich entscheide selbst, wann ich mich zu Wort melde - kommt der Appell im gleichen Interview tatsächlich. Er zeigt sich besorgt über das Ansehen der schwarz-gelben Koalition und sagt: Das Volk erwartet jetzt tatkräftiges regieren. Protest vonseiten der Beschimpften. Die Kritik sei unangemessen. Und die Unterstellung: Köhler habe auf Forderungen von SPD und Grünen regiert.
    Auch sein Haus hat Horst Köhler nicht gut bestellt. Von schlechter Stimmung und Misstrauen ist die Rede. Mehrere Mitarbeiter, Referatsleiter, Planungschefs, der Pressesprecher, verlassen das Schloss Bellevue. Köhler soll viel fordern, ohne konkrete Vorgaben zu machen. Reden lässt er mehrfach umschreiben, ohne dass die Mitarbeiter erkennen, was er tatsächlich sagen will. Das größte Problem ist aber wohl der neue Chef des Präsidialamtes, Hans Jürgen Wolff. Ein Machtkampf zwischen ihm und dem Pressechef führte zum Abgang desselben.
    Nur die Bevölkerung liebt Horst Köhler. In Umfragen schneidet er regelmäßig besser ab als alle Parteipolitiker.

    Peter Kapern
    Soweit der Beitrag von Christel Blanke. Bei mir im Studio Deutschlandfunk-Chefredakteur Stephan Detjen.
    Erste Frage: Warum ist Horst Köhler zurückgetreten?

    Stephan Detjen
    Das ist eine gute Frage. Ich glaube, diese Äußerung, die er hier bei uns im Programm getan hat, dieses Interview ist kein Rücktrittsgrund. Horst Köhler hat gesagt: Er wollte eine Diskussion anstoßen. Er hat gesagt: Man muss darüber sich in der Gesellschaft austauschen, was wörtlich, was eigentlich die Ziele dieses Einsatzes sind. Das bezog sich eindeutig auf Afghanistan, insofern gab es einen Grund, das noch mal zu hinterfragen. Weil er eben danach – und diesen Ausschnitt haben wir eben gehört – einen Zusammenhang hergestellt hat mit wirtschaftlichen Interessen. Horst Köhler hat das, nachdem wir dieses Thema am Donnerstag im Deutschlandfunk noch mal aufgegriffen haben, klargestellt, dass sich seine Äußerung auf den Einsatz im Rahmen der Atalanta-Mission, der Vereinten Nationen am Horn von Afrika bezieht. In der Tat, da gibt es ein klares Mandat des Bundestages, das auch wirtschaftliche, das auch die Sicherung von Handelswegen mit einschließt. Also insofern, Horst Köhler hätte viele Möglichkeiten gehabt, sich hinter seinen Diskussionsaufruf zu stellen und zu sagen, seine Äußerungen klarzustellen und diese Diskussion aktiv zu führen. Das hat er nicht getan. Aber wenn wir den Beitrag im Ohr haben, die Erklärung die Christel Blanke eben in ihrer Chronologie gegeben hat, dann sehen wir natürlich, das ist ein Bundespräsident, der schon vorher wackelte.

    Peter Kapern
    Horst Köhler war das Geschöpf von Schwarz-Gelb, von Angela Merkel und Guido Westerwelle. Diese Regierung steckt in gigantischen Schwierigkeiten und vor gigantischen Herausforderungen. Lässt Köhler die Regierung, die ihn zu dem gemacht hat, was er ist, jetzt im Stich?

    Detjen
    Das ist jedenfalls für die Regierung ein ganz schwerer Schlag. Sie haben es ganz richtig gesagt, Horst Köhler ist ein Geschöpf nicht nur der schwarz-gelben Koalition, sondern namentlich von Angela Merkel und Guido Westerwelle. Die haben ihn gemacht, die haben ihn ins Bellevue befördert. Er war der Vorreiter in dieser Funktion der schwarz-gelben Regierungszusammenarbeit und insofern, er lässt sie nicht im Stich aber er stürzt sie in ganz gravierende Probleme.

    Peter Kapern
    Er schien heute verbittert zu sein über die Kritik, die an seinen Interviewäußerungen geübt worden ist. Was mag dahinter stecken? Ist er zu weich für das Amt? Muss ein Bundespräsident mehr wegstecken können?

    Detjen
    Ich glaube, und das ist meine Beobachtung dieses Bundespräsidenten, dass er nicht zu weich war. Es gab ja viele, die ihn auch aus der engen Zusammenarbeit kennen. Es gab Berichte aus dem Bundespräsidialamt, dass er jemand ist, der aufbrausend sein kann, der mit Mitarbeitern hart häufig umzugehen pflegt. Aber ich habe ihn zunehmend als einen unsicheren Bundespräsidenten erlebt. Jemand der in vielen Äußerungen schwankend war. Auch ich habe von ihm die Orientierungshinweise vermisst, die klaren, die eindeutigen Orientierungshinweise, die man etwa von einem Staatsoberhaupt mit dieser auch persönlichen Erfahrung in der internationalen Finanzwelt erwarten kann, in der Wirtschafts- und Finanzkrise der letzten Jahre. Und diese Unsicherheit mag in ihm viel stärker gewesen sein, als es an der Oberfläche sichtbar geworden ist und das mag mit ein Grund für die Verletzlichkeit gewesen sein, die wir jetzt auch in den Bildern – sie haben das ja geschildert – gesehen haben, als wir heute ein in der Tat aschfahlen, blassen Bundespräsidenten gesehen haben, der in der Tat offenkundig zutiefst persönlich getroffen war.

    Peter Kapern
    Deutschland sucht ein Staatsoberhaupt. Der Weg dahin ist präzise festgelegt, das Ergebnis der Suche aber nicht. Gudula Geuther.

    Die Vertretung des Bundespräsidenten, das ist meist ein bloße Formsache. Der Vertreter unterschreibt etwa kleinere Gesetze während der Amtsinhaber im Ausland ist. Diesmal sieht das anders aus. Mit dem sofortigen Rücktritt, also seit kurz nach zwei am Nachmittag, nimmt der Bundesratspräsident die Befugnisse des höchsten Amts im Staate war, der Bremer Bürgermeister Jens Böhrnsen SPD. Längstens 30 Tage lang, denn – so sagt das Artikel 54, Absatz 4 des Grundgesetzes:

    Die Bundesversammlung tritt spätestens 30 Tage vor Ablauf der Amtszeit des Bundespräsidenten, bei vorzeitiger Beendigung spätestens 30 Tage nach diesem Zeitpunkt zusammen.

    Und dann wird gewählt. Zuvor aber muss bestimmt werden, wer überhaupt in der Bundesversammlung sitzt und das ganz ungewöhnlich schnell, schneller denn je in der Republik. Beim letzten Mal, als vor fast genau einem Jahr Horst Köhler in seine zweite Amtszeit gewählt wurde, standen die Mitglieder des Gremiums schon sieben Wochen vorher fest. Das ergibt sich nicht etwa von selbst. Nur die Hälfte der Wahlmänner und -frauen sitzt qua Amt im Plenum, die 622 Bundestagsabgeordneten. Dazu kommen ebenso viele sogenannte gekorene Mitglieder. Sie werden von den Landesparlamenten bestimmt. Das bedeutet, gegenüber der letzten Wahl sieht die Versammlung diesmal völlig anders aus. Dazu tragen nicht nur die neuen Bundestagsmehrheiten bei. Im vergangenen Jahr wurde auch im Saarland, in Sachsen, Thüringen, Brandenburg und Schleswig-Holstein gewählt. Auch die Nordrhein-Westfalen-Wahl aus diesem Jahr spielt schon eine Rolle. Da es um die Parlamentarier der Landtage geht, die die Mitglieder der Bundesversammlung bestimmen, ist es auch unerheblich, ob sich bis dahin eine neue Landesregierung in Düsseldorf gefunden hat oder nicht. Allerdings konstituiert sich der Landtag in Nordrheinwestfalen erst am 9. Juni. Sollte es zu knapp werden, erst dann mit der Wahl der Delegierten zur Bundesversammlung zu beginnen, erledigt dies zuvor der zuständige geschäftsführende Ausschuss des Landtags. Allein durch die Bundestagswahl wurde das schwarz-gelbe Lager um etwa 70 Stimmen gestärkt, während es bei den Landtagswahlen unter dem Strich eher Verschiebungen zu ihrem Nachteil gab. Zur Stunde rechnet der Bundeswahlleiter noch. Medien gehen aber davon aus, das Union und FDP zusammen mit 647 von 1244 Sitzen eine komfortable Mehrheit haben. Die Entsandten der Landtage sind üblicherweise Vertreter der Gesellschaft aus unterschiedlichsten Zusammenhängen. Nicht nur Politiker, sondern auch Prominente aus Wirtschaft, Kultur, Sport etc. Vorschläge, wer neuer Präsident oder neue Präsidentin werden soll, können alle Mitglieder der Bundesversammlung machen. Die Kandidaten müssen mindestens 40 Jahre alt sein und das Recht haben, an Bundestagswahlen teilzunehmen. Sprich vor allem, die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen. Der Bundestagspräsident, also derzeit der CDU-Politiker Norbert Lammert, ist Organisator der Wahl. Er bereitet sie vor, beruft die Versammlung ein und leitet die Sitzung. Die erschöpft sich in der Wahl, Aussprachen gibt es nicht. Wohl aber möglicherweise mehrere Wahlgänge. Nur wer die absolute Mehrheit bekommt, ist gewählt. Das gilt für die erste und zweite Abstimmung, danach reicht die einfache Mehrheit. Wer immer gewählt ist, hat dann zwei Tage Bedenkzeit, um das Amt anzunehmen oder nicht. Am Tag nach der positiven Entscheidung, Horst Köhler ist ja bereits zurückgetreten, haben wir einen neuen Bundespräsidenten oder eine Bundespräsidentin. Für fünf Jahre, wenn nichts dazwischen kommt.

    Peter Kapern
    Soweit Gudula Geuther. Stephan Detjen, Horst Köhler war der Verbote von Schwarz-Gelb, auch wenn diese Koalition erst vier Jahre später kam, als Merkel und Westerwelle gehofft hatten. Ist sein Rücktritt auch wieder ein Vorbote für eine Koalitionskonstellation und wenn ja, was für eine Botschaft steckt darin?

    Detjen
    Ja, zunächst einmal muss man sagen, dieser Rücktritt trifft die Koalition zum denkbar schlechtestmöglichen Zeitpunkt. Die Koalition ist in einer krisenhaften Phase. Sie braucht eigentlich alle Energien, alle Kräfte, die sie hat, um sich neu zu orientieren, um sich sozusagen neu zu erfinden bei ihrer Regierungsarbeit. Das ist letzte Woche schon durch den Rücktritt von Roland Koch massiv gestört worden. Angela Merkel hat es mit einer Partei zu tun, die auf der Suche nach sich selbst ist, in der CDU. Guido Westerwelle ist in seiner Führungsrolle in der FDP eindeutig angeschlagen. Also, insofern, was auch immer passiert, Angela Merkel und Guido Westerwelle haben allen Anlass, jetzt erstens schnell zu handeln und zweitens - wenn, einen gemeinsamen Kandidaten zu präsentieren, der so überzeugend ist, dass er auch mit einer knappen Mehrheit gewählt werden kann. Denn eines ist auch klar, sollte es einen schwarzen oder gelben Kandidaten geben, werden wir alle Versuche der Oppositionsparteien erleben, jetzt Keile in diese Koalition zu treiben. Was es sowohl für Merkel als auch für Guido Westerwelle schwerer als ohnehin schon jetzt machen wird, ihre Mehrheiten, ihre Bataillone hinter einem Kandidaten zu sammeln. Insofern, sie haben gefragt, Herr Kapern, ist diese Wahl jetzt möglicherweise Vorbote, Vorzeichen einer neuen Koalitionskonstellation. Natürlich, das liegt ganz nahe, jetzt darüber nachzudenken, braucht es einen Kandidaten, der auch Stimmen der SPD hinter sich vereinen kann.

    Peter Kapern
    Ich habe hier eben schon darauf hingewiesen, am Wochenende die Sparklausur in Berlin, der Haushalt muss saniert werden, ein gigantischer Schuldenberg muss abgetragen werden. Ist dies vielleicht – könnte das ja sogar ein Gedanke sein, der Angela Merkel bewegt – ist dies der richtige Moment für eine große Koalition?

    Detjen
    Ich glaube, es gibt auch für Angela Merkel einigen Anlass, sich an die Zeiten zurückzusehnen, in denen sie mit einer großen Koalition regiert hat. Ob es der richtige Moment ist, das hängt ja von allen Seiten ab und alle Seiten werden jetzt schielen auf ein ganz komplexes, schwer zu übersehendes politisches Schachbrett, auf dem ja nicht nur die Bundespolitik eine Rolle spielt. Wir stehen in einer Phase, in der wir Koalitionsverhandlungen in Nordrhein-Westfalen erleben mit der Option, die laufenden Koalitionsverhandlungen zwischen Union und SPD scheitern zu lassen, Neuwahlen in Nordrheinwestfalen anzustreben. Also sozusagen das ganze Schachbrett noch mal durcheinander zu rütteln, wenn man etwa Neuwahlen in Nordrheinwestfalen anstrebt. Ich glaube, das Schwierige im Moment für die Bundeskanzlerin ist, dass die Situation so komplex ist und in einer Phase, in der innerparteilich so viel Unruhe gärt, dass es jederzeit zu Entladungen kommen kann, die sie gar nicht mehr kontrollieren kann.

    Peter Kapern
    Sie haben gesagt, Schwarz-Gelb muss, wenn es jetzt überzeugend aus dieser Situation herauskommen will, einen überzeugenden Kandidaten oder eine überzeugende Kandidatin haben. Haben Sie einen Namen für uns?

    Detjen
    Nein, ich habe keinen Namen. Mir fällt niemand ein.

    Peter Kapern
    Christian Wulff wurde genannt. Er habe angeblich Ambitionen auf das Amt des Bundespräsidenten.

    Detjen
    Ja, Christian Wulff wird genannt. Ich meine, natürlich jetzt kommen einem ganz viele Namen in den Sinn. Roland Koch wird genannt. Edmund Stoiber ist genannt worden. Ich glaube, das sind alles Kandidaten, die deswegen schwierig sind, weil sie natürlich eindeutig aus dem, sozusagen aus dem Innenleben der CDU kommen, und damit die Fragen nach der Aufstellung beider Koalitionsparteien massiv aufwerfen würden.

    Peter Kapern
    Stephan Detjen, dankeschön. In einem Monat tritt die Bundesversammlung zusammen. Es wird ein spannender, vielleicht sogar ein dramatischer Monat. Die Welt online hat gestern in einer Glosse vorgeschlagen, Lena Meyer-Landrut, den Trillerfips aus Hannover, zur Präsidentin zu machen. Vielleicht fällt irgendwem in unserem Lande ja noch jemand anderes ein. Wir halten sie auf dem Laufenden. Und damit sind wir noch nicht am Ende unserer Sonderberichterstattung. Am heutigen Tage um 19.15 Uhr geht es weiter mit einer Diskussionsrunde aus Berlin. Meine Kollegin Sabine Adler spricht mit drei Journalisten und einem Politikwissenschaftler. Ich sage auf Wiederhören.</brandgefährlich>