Er ist Schriftsteller, er ist Songtexter, er ist Erzähler, er ist Zeichner und Illustrator, er ist Theaterautor, er ist Lyriker, er ist Drehbuchautor. Paul Maar ist ein Mensch voller Begeisterung, dem ein gütiges Schicksal ein ganzes Bouquet von Talenten in die Wiege gelegt hat. Und nicht nur das: er ist stolzer Familienvater, glücklich seit vielen Jahren mit seiner Frau Nele verheiratet, hat drei erwachsene Kinder und Enkelkinder.
Meine persönliche Begegnung mit Paul Maar begann als vorlesender Vater meines damals siebenjährigen Sohnes. Je öfter ich ihm die Sams Bücher vorgelesen habe, je mehr ich mich in die Poesie dieser Bücher verliebte, um so mehr erwachte in mir, dem Filmproduzenten, der Wunsch, diese Bücher zu verfilmen. Ich suchte den Kontakt zum Autor dieser Bücher und musste mich in die lange Schlange der Produzentenkollegen einreihen, die mit dem gleichen Anliegen an Paul Maar herangetreten waren. Endlich aber, nach mehreren Monaten zähen Verhandelns, gab es einen Termin und wir lernten uns kennen. Er fragte er mich, was ich an den Sams-Büchern für die Verfilmung verändern wolle, und ich sagte wahrheitsgetreu: Nicht viel. Vor allen Dingen nicht die Poesie.
Eine folgenschwere Antwort. Für uns beide. Wie wir es geschafft haben, uns in diesen acht Jahren der intensiven gemeinsamen Drehbucharbeit kein einziges Mal zu streiten? Ganz einfach: wir haben den gleichen Humor, wir sind echte Freunde geworden – und Paul Maar kocht bei unseren wochenlangen Schreibklausuren hervorragende Mahlzeiten.
Was ist das Geheimnis des Erfolges des Kinderbuchautors Paul Maar? Schielt er nach dem Markt, nach dem Publikumsgeschmack? Nein, das tut er nicht! Maars Geheimnis liegt darin, dass er Kinder ernst nimmt. Er nivelliert nicht, er verkitscht nicht, er macht nicht glatt und einfach. Und er tut dies, ohne deutsch-bitter-ernst zu werden, sondern in einer verschmitzten, leichten, fröhlichen Art. Ganz so, wie es seinem Wesen entspricht. Und damit erreicht er die kindliche Seele, denn Kinder kennen sehr wohl die Ängste, die Schüchternheit, das in die Welt-hinausgeworfen-sein. Diese Gefühle macht er nicht klein, weil sie eben nicht klein sind. Paul Maar missversteht Kinder nicht als kleine Erwachsene, sondern weiß, dass ihre Membranen zur Wirklichkeit noch sehr dünn sind, sehr durchlässig. Das Sensorium von Kindern ist nicht verdorben (oder sollte es zumindest nicht sein), es ist aus einem sehr feinem Stoff.
Und daher wagt er es auch sehr fein zu schreiben. Er weiß, dass Kinder ihn verstehen.
Am Beispiel des Sams kann ich versuchen, über Maars Welt zu sprechen. Diese Geschichte ist eigentlich ein kleines Drama. Herr Taschenbier ist ein Mann, der im kindlichen Stadium verblieben ist, ein Mann, der von seinem Chef und seiner Vermieterin drangsaliert wird. Sie verhalten sich wie überstrenge Eltern, denen sich der hilflose, kindlich gebliebene Taschenbier unterwerfen muss. Eine Freundin oder Frau hat dieser Taschenbier natürlich nicht, wie sollte er auch, er ist noch ein Kind. Wenn das keine Konstellation für ein Drama ist.
Doch nun erscheint ein Wesen, das dieses Drama zu einer Komödie macht: Das Fabelwesen Sams, von dem nur Taschenbier weiß, wie es heißt. Ein großer Mythos: wer den Namen weiß, hat Macht über das Wesen. Und dieses Sams trägt alle Fähigkeiten in sich, die Herr Taschenbier verloren - oder niemals erlangt hat. Das Sams ist direkt, es nimmt kein Blatt vor den Mund. Es ist frech, es dreht den Erwachsenen das Wort im Mund herum, indem es sie wörtlich nimmt. Das Sams folgt seinem inneren Impuls, frisst alles, will alles, kann alles. Und es kann Wünsche erfüllen. Ist das Sams denn echt, gibt es das wirklich? In der Kinderwelt natürlich, da lebt das Sams, da springt es herum und treibt sein Unwesen. In der sachlichen Welt der Erwachsenen aber erkennen wir, dass das Sams eine Projektion ist. Eine Projektion aller verdrängter Wünsche von Herrn Taschenbier. Und hier zeigt sich erneut die Kunst von Paul Maar: Was hier so theoretisch und schwer daher kommt, verzaubert Maar in ein leichtes Märchen, das all diese Erkenntnisse beinhaltet, aber dennoch eine Fabel abgibt, ohne jemals den Zeigefinger zu erheben.
Und nun lässt Maar diese beiden Figuren aufeinander prallen, solange bis Taschenbier endlich das Sams in sich akzeptiert, ein erwachsener Mensch wird, sich von seinen Ersatzeltern emanzipiert und eine Frau findet. Herr Taschenbier ist endlich erlöst.
Wenn man Paul Maar kennen lernt, könnte man tatsächlich versucht sein zu glauben, dass er in der Figur des schüchternen Herrn Taschenbier einen Teil seines alter Ego beschrieben hat. Er kokettiert mit seiner eigenen Schüchternheit, aber die Unsicherheit, die ihn vielleicht in seinen jungen Jahren begleitet hat, ist mit der Zeit verflogen. Wer ihn heute auf der Bühne erlebt, wenn er vor hunderten von Kindern und Eltern aus seinen Bücher vorliest, mit seinen Zuhörern spricht, mit ihnen scherzt, der erlebt einen Mann voll innerer Gelassenheit und Ruhe. Da ist jemand mit sich im Reinen.
Eine der besten Eigenschaften von Paul Maar findet sich in Taschenbier allerdings tatsächlich wieder: seine neugierige, fast kindliche Seele, die er sich bewahrt hat und die es ihm erlauben, mit offenen Augen durchs Leben gehen.
Die vielen Erlebnisse, die sich einem Menschen mit offenen Augen darbieten, gibt Paul Maar als wunderbare Erzählungen an seine Mitmenschen weiter. Er tut alles, um seine Zuhörer nicht zu langweilen. Böse Realisten mögen das als Verzerrung abtun. Doch damit verkennen sie das Lebenselexier des Erzählers: Er fabuliert. Er schmückt aus, verdeutlicht, verschränkt, überspitzt. Er entführt ins Reich der Fantasie – auch im täglichen Leben. Seine Frau Nele und ich haben diese spezielle Fabulierlust, die Paul Maar auch im Alltag praktiziert, mit dem Verb "maaren" versehen. Für polizeiliche Protokolle sind diese Anekdoten weniger geeignet und es gelingt Paul Maar noch heute seine Frau maarend aufs Glatteis zu führen.
In der Figur des Sams hat Maar ein Wesen der reinen Fantasie erschaffen, nicht Junge, nicht Mädchen, nicht Mann, nicht Frau. Ein Wesen aus dem Kopf seines Erfinders, das der Realität eine Nase dreht, denn es kann Wünsche erfüllen. Und so entführt uns Maar in ein Reich, in dem fast alles möglich ist. Denn wer um die Bedeutung der drei Worte weiß: Ich wünsche mir, dem öffnet sich das Schlaraffenland der Fantasie.
Ein Land, in dem Paul Maar zuhause ist. Und daher ist er ist ein glücklicher Mensch, einer der glücklichsten, die ich kenne. Und dieses Glück gibt er weiter, an Kinder und an Eltern. An uns alle. Dafür schulden wir ihm den allergrößten Dank.
Ich möchte Dir, lieber Paul, ganz herzlich zu deinem Geburtstag gratulieren und weiß, dass ich das im Namen aller Kinder tue, die du im Laufe der vielen Jahre mit Deinen Geschichten glücklich gemacht hast.
Und wie kann man Dir besser gratulieren, als mit einem deiner eigenen Gedichte, aus deinem wunderbaren Buch JAguar und NEINguar, ein Gedicht, das ich diesmal ganz auf dich beziehe:
Wie man sich als Erwachsener fühlt
Seltsam:
Die Menschen um mich her,
die Onkel und die Tanten,
die Freunde und Bekannten,
die altern Jahr für Jahr.
Sie sind nicht mehr die Alten,
sie kriegen langsam Falten
und manches graue Haar.
Nur ich, ich bin derselbe,
der ich schon immer war.
Meine persönliche Begegnung mit Paul Maar begann als vorlesender Vater meines damals siebenjährigen Sohnes. Je öfter ich ihm die Sams Bücher vorgelesen habe, je mehr ich mich in die Poesie dieser Bücher verliebte, um so mehr erwachte in mir, dem Filmproduzenten, der Wunsch, diese Bücher zu verfilmen. Ich suchte den Kontakt zum Autor dieser Bücher und musste mich in die lange Schlange der Produzentenkollegen einreihen, die mit dem gleichen Anliegen an Paul Maar herangetreten waren. Endlich aber, nach mehreren Monaten zähen Verhandelns, gab es einen Termin und wir lernten uns kennen. Er fragte er mich, was ich an den Sams-Büchern für die Verfilmung verändern wolle, und ich sagte wahrheitsgetreu: Nicht viel. Vor allen Dingen nicht die Poesie.
Eine folgenschwere Antwort. Für uns beide. Wie wir es geschafft haben, uns in diesen acht Jahren der intensiven gemeinsamen Drehbucharbeit kein einziges Mal zu streiten? Ganz einfach: wir haben den gleichen Humor, wir sind echte Freunde geworden – und Paul Maar kocht bei unseren wochenlangen Schreibklausuren hervorragende Mahlzeiten.
Was ist das Geheimnis des Erfolges des Kinderbuchautors Paul Maar? Schielt er nach dem Markt, nach dem Publikumsgeschmack? Nein, das tut er nicht! Maars Geheimnis liegt darin, dass er Kinder ernst nimmt. Er nivelliert nicht, er verkitscht nicht, er macht nicht glatt und einfach. Und er tut dies, ohne deutsch-bitter-ernst zu werden, sondern in einer verschmitzten, leichten, fröhlichen Art. Ganz so, wie es seinem Wesen entspricht. Und damit erreicht er die kindliche Seele, denn Kinder kennen sehr wohl die Ängste, die Schüchternheit, das in die Welt-hinausgeworfen-sein. Diese Gefühle macht er nicht klein, weil sie eben nicht klein sind. Paul Maar missversteht Kinder nicht als kleine Erwachsene, sondern weiß, dass ihre Membranen zur Wirklichkeit noch sehr dünn sind, sehr durchlässig. Das Sensorium von Kindern ist nicht verdorben (oder sollte es zumindest nicht sein), es ist aus einem sehr feinem Stoff.
Und daher wagt er es auch sehr fein zu schreiben. Er weiß, dass Kinder ihn verstehen.
Am Beispiel des Sams kann ich versuchen, über Maars Welt zu sprechen. Diese Geschichte ist eigentlich ein kleines Drama. Herr Taschenbier ist ein Mann, der im kindlichen Stadium verblieben ist, ein Mann, der von seinem Chef und seiner Vermieterin drangsaliert wird. Sie verhalten sich wie überstrenge Eltern, denen sich der hilflose, kindlich gebliebene Taschenbier unterwerfen muss. Eine Freundin oder Frau hat dieser Taschenbier natürlich nicht, wie sollte er auch, er ist noch ein Kind. Wenn das keine Konstellation für ein Drama ist.
Doch nun erscheint ein Wesen, das dieses Drama zu einer Komödie macht: Das Fabelwesen Sams, von dem nur Taschenbier weiß, wie es heißt. Ein großer Mythos: wer den Namen weiß, hat Macht über das Wesen. Und dieses Sams trägt alle Fähigkeiten in sich, die Herr Taschenbier verloren - oder niemals erlangt hat. Das Sams ist direkt, es nimmt kein Blatt vor den Mund. Es ist frech, es dreht den Erwachsenen das Wort im Mund herum, indem es sie wörtlich nimmt. Das Sams folgt seinem inneren Impuls, frisst alles, will alles, kann alles. Und es kann Wünsche erfüllen. Ist das Sams denn echt, gibt es das wirklich? In der Kinderwelt natürlich, da lebt das Sams, da springt es herum und treibt sein Unwesen. In der sachlichen Welt der Erwachsenen aber erkennen wir, dass das Sams eine Projektion ist. Eine Projektion aller verdrängter Wünsche von Herrn Taschenbier. Und hier zeigt sich erneut die Kunst von Paul Maar: Was hier so theoretisch und schwer daher kommt, verzaubert Maar in ein leichtes Märchen, das all diese Erkenntnisse beinhaltet, aber dennoch eine Fabel abgibt, ohne jemals den Zeigefinger zu erheben.
Und nun lässt Maar diese beiden Figuren aufeinander prallen, solange bis Taschenbier endlich das Sams in sich akzeptiert, ein erwachsener Mensch wird, sich von seinen Ersatzeltern emanzipiert und eine Frau findet. Herr Taschenbier ist endlich erlöst.
Wenn man Paul Maar kennen lernt, könnte man tatsächlich versucht sein zu glauben, dass er in der Figur des schüchternen Herrn Taschenbier einen Teil seines alter Ego beschrieben hat. Er kokettiert mit seiner eigenen Schüchternheit, aber die Unsicherheit, die ihn vielleicht in seinen jungen Jahren begleitet hat, ist mit der Zeit verflogen. Wer ihn heute auf der Bühne erlebt, wenn er vor hunderten von Kindern und Eltern aus seinen Bücher vorliest, mit seinen Zuhörern spricht, mit ihnen scherzt, der erlebt einen Mann voll innerer Gelassenheit und Ruhe. Da ist jemand mit sich im Reinen.
Eine der besten Eigenschaften von Paul Maar findet sich in Taschenbier allerdings tatsächlich wieder: seine neugierige, fast kindliche Seele, die er sich bewahrt hat und die es ihm erlauben, mit offenen Augen durchs Leben gehen.
Die vielen Erlebnisse, die sich einem Menschen mit offenen Augen darbieten, gibt Paul Maar als wunderbare Erzählungen an seine Mitmenschen weiter. Er tut alles, um seine Zuhörer nicht zu langweilen. Böse Realisten mögen das als Verzerrung abtun. Doch damit verkennen sie das Lebenselexier des Erzählers: Er fabuliert. Er schmückt aus, verdeutlicht, verschränkt, überspitzt. Er entführt ins Reich der Fantasie – auch im täglichen Leben. Seine Frau Nele und ich haben diese spezielle Fabulierlust, die Paul Maar auch im Alltag praktiziert, mit dem Verb "maaren" versehen. Für polizeiliche Protokolle sind diese Anekdoten weniger geeignet und es gelingt Paul Maar noch heute seine Frau maarend aufs Glatteis zu führen.
In der Figur des Sams hat Maar ein Wesen der reinen Fantasie erschaffen, nicht Junge, nicht Mädchen, nicht Mann, nicht Frau. Ein Wesen aus dem Kopf seines Erfinders, das der Realität eine Nase dreht, denn es kann Wünsche erfüllen. Und so entführt uns Maar in ein Reich, in dem fast alles möglich ist. Denn wer um die Bedeutung der drei Worte weiß: Ich wünsche mir, dem öffnet sich das Schlaraffenland der Fantasie.
Ein Land, in dem Paul Maar zuhause ist. Und daher ist er ist ein glücklicher Mensch, einer der glücklichsten, die ich kenne. Und dieses Glück gibt er weiter, an Kinder und an Eltern. An uns alle. Dafür schulden wir ihm den allergrößten Dank.
Ich möchte Dir, lieber Paul, ganz herzlich zu deinem Geburtstag gratulieren und weiß, dass ich das im Namen aller Kinder tue, die du im Laufe der vielen Jahre mit Deinen Geschichten glücklich gemacht hast.
Und wie kann man Dir besser gratulieren, als mit einem deiner eigenen Gedichte, aus deinem wunderbaren Buch JAguar und NEINguar, ein Gedicht, das ich diesmal ganz auf dich beziehe:
Wie man sich als Erwachsener fühlt
Seltsam:
Die Menschen um mich her,
die Onkel und die Tanten,
die Freunde und Bekannten,
die altern Jahr für Jahr.
Sie sind nicht mehr die Alten,
sie kriegen langsam Falten
und manches graue Haar.
Nur ich, ich bin derselbe,
der ich schon immer war.