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Paul Ziemiak (CDU)
"Wirtschaft und Arbeitsmarktpolitik nicht vernachlässigen"

Klimaschutz sei wichtig, aber es müsse in der öffentlichen Debatte auch wieder um die Themen Sicherheit, Wirtschaft und Arbeitsmarkt gehen, sagte CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak im Dlf mit Blick auf die Europawahl-Ergebnisse. EVP-Kandidat Manfred Weber müsse nun EU-Kommissionspräsident werden.

Paul Ziemiak im Gespräch mit Ann-Kathrin Büüsker |
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CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak (Deutschlandradio)
Ann-Kathrin Büüsker: Verluste für die CDU und die SPD, enorme Gewinne für die Grünen. Das sind die drei stärksten Parteien bei der Europawahl auf deutscher Ebene. Ergebnisse, die in Berlin durchaus ein bisschen was durchwirbeln könnten.
In Berlin erreichen wir jetzt den Generalsekretär der CDU, Paul Ziemiak. Einen schönen guten Morgen!
Paul Ziemiak: Guten Morgen, Frau Büüsker!
Büüsker: Herr Ziemiak, Sie haben gestern bereits umfangreich erläutert, dass Sie mit dem Ergebnis der Europawahl nicht zufrieden sind, auch wenn Sie stärkste Kraft geworden sind, dass Sie aber zufrieden sind, dass Manfred Weber damit eine gute Ausgangsposition im Ringen um das Amt des Kommissionsvorsitzenden hat. Ich würde heute Morgen gerne gemeinsam mit Ihnen in die Zukunft der Partei schauen und fragen, was die CDU nach diesen Verlusten ändern muss.
Ziemiak: Wir müssen vor allem zusehen, dass unsere Themen auch in der Gesellschaft diskutiert werden. Wir haben sehr viel über das wichtige Thema Klimaschutz und Umweltschutz gesprochen. Das ist korrekt. Aber es muss auch um die Frage gehen der Sicherheitspolitik, die Frage der äußeren und inneren Sicherheit, und wir dürfen die Frage von Wirtschaft und Arbeitsmarktpolitik nicht vernachlässigen, auch wenn das in diesem Wahlkampf keine Rolle gespielt hat.
"Wohlstand wird als selbstverständlich hingenommen"
Büüsker: Wieso müssen Sie dafür sorgen, dass Ihre Themen diskutiert werden, wenn die Menschen aber ganz andere Themen diskutieren, ihnen andere Themen wichtig sind? Dann könnten Sie sich auch einfach auf die Themen konzentrieren, die den Menschen wichtig sind.
Ziemiak: Weil es darum geht, dass wir dieses Land zukunftsfest machen. Und wer glaubt, das ohne gute Politik im Bereich Wirtschaft und Arbeit, in der Frage, wie wir Umweltschutz und Wirtschaftspolitik zusammenbringen, indem wir Innovation schaffen - - Sehen Sie, wir erleben doch gerade auch eine Diskussion in Deutschland, wo vieles als selbstverständlich wahrgenommen wird: die hohe Beschäftigung, unser Wohlstand. All das muss auch in Zukunft diskutiert und vor allem auch verteidigt werden und Europa – so war ja auch unser Wahlkampf angelegt – muss eine wichtige Rolle spielen im Verhältnis zu den USA, im Verhältnis zu China und Russland. Das alles ist in diesem Wahlkampf, wie ich finde, zu kurz gekommen.
Büüsker: Sie behaupten, vieles würde als selbstverständlich hingenommen. Dabei sehen wir gerade jeden Freitag Schülerinnen und Schüler und inzwischen auch viele Erwachsene, die auf die Straße gehen, weil sie das, was aktuell unseren Wohlstand sichert, für nicht selbstverständlich und für nicht gesichert halten. Müssen Sie diesen Menschen nicht auch ein Angebot machen?
Ziemiak: Ich stelle das gar nicht in Abrede. Ganz im Gegenteil! Wir brauchen eine klare Linie als Union bei der Frage des Klimaschutzes. Das ist das, was gerade junge Menschen beschäftigt. Das haben wir in den vergangenen Wochen gesehen. Aber noch mal: Es gibt auch noch andere Themen, die wir ja zusammenbringen müssen. Über Umweltschutz zu sprechen, ist richtig und wichtig. Das ist das, was gerade junge Menschen umtreibt. Aber die Frage, wie wir diesen Wandel auch sozial gestalten, indem wir auch dafür sorgen, dass unser Land innovativ und wirtschaftlich stark bleibt, all das wird auch in Zukunft eine Rolle spielen – nicht, weil wir es wollen, sondern, weil es wichtig ist für Deutschland und auch für Europa.
Dossier: Europawahlen
Alle Beiträge zu den Europawahlen in unserem Dossier (picture alliance / dpa / Kay Nietfeld)
"Schmerzlich unsere Kommunikationsdefizite wahrgenommen"
Büüsker: Wenn das so wichtig ist, warum hat die Union das in den vergangenen Jahren nicht bereits besser gemacht?
Ziemiak: Wir haben ja gerade in diesem Wahlkampf erlebt, dass sich die Diskussion auf vor allem ein Thema fokussiert hat, und es war das Thema, was vor allem junge Menschen umgetrieben hat, und wir haben schmerzlich auch in der letzten Woche unsere Kommunikationsdefizite wahrgenommen, wenn es um die Frage des Umgangs mit dem Video von Rezo ging. Dafür müssen wir diese Partei umbauen, in der Frage, wie wir kommunizieren, wie wir auch auf neuen Plattformen agieren. All das stellt mich auch als Generalsekretär vor eine große Herausforderung und ist Ansporn für uns alle, diesen Weg, den wir jetzt eingeschlagen haben seit einigen Monaten, weiterzugehen.
Büüsker: Sie haben Fehler gemacht in der vergangenen Woche?
Ziemiak: Natürlich war das, wie wir reagiert haben, nicht das, was unserem Anspruch gerecht wird. Schauen Sie, die Reaktion hätte schneller kommen können, sie hätte klarer kommen können, und das muss beim nächsten Mal besser werden und es wird beim nächsten Mal besser.
Büüsker: Was heißt denn, die Reaktion hätte klarer kommen können? Was würden Sie sich jetzt im Nachhinein wünschen, was Sie hätten machen müssen?
Ziemiak: Nach diesem Video, nachdem dieses erschienen ist, hätten wir sehr schnell antworten müssen, vor allem eine klare Antwort liefern. Wir haben ja erlebt, vor welchen Herausforderungen wir gestanden sind in der vergangenen Woche, wie wir antworten, auf welchem Wege, und es hat alles zu lange gedauert. Insofern: Das, was wir an Kommunikation erlebt haben, ist nicht der Anspruch der CDU und darf es auch nicht sein.
"Das Image der GroKo ist ramponiert"
Büüsker: Gucken wir auf die Bundespolitik. Annegret Kramp-Karrenbauer hat gestern in ihrem Statement nach der Europawahl gesagt, wir haben in der Regierungsarbeit nicht die Dynamik entwickelt, die die Menschen erwarten. War das eigentlich Kritik an der Arbeit der Bundesregierung?
Ziemiak: Schauen Sie sich an die Zahlen. Die Menschen haben kein gutes Bild von der GroKo. Das Image der GroKo ist ramponiert. Die Bundesregierung leistet trotzdem gute Arbeit und bringt vieles auf den Weg. Trotzdem wird das nicht so wahrgenommen und deshalb ist klar, diese Regierung muss gute Arbeit leisten, und das wird sich auch auszahlen auf die Beliebtheitswerte einer Partei.
Büüsker: Wenn Sie sagen, das Image der GroKo ist ramponiert, was wäre denn Ihr Lösungsansatz, um das Image aufzubessern?
Ziemiak: Fokussierung auf Sachdebatten und die Frage, welche Gesetze bringt man wann auf den Weg, welchen Fokus setzen wir, wie setzen wir den Koalitionsvertrag um, und nicht permanent eine Debatte, wie lange hält diese GroKo noch. Auch die SPD muss sich klar bekennen, Regierungspartei zu sein. Ich habe den Eindruck, dass sie manchmal damit hadert, auf der einen Seite in der Regierung zu sein und auf der anderen Seite fühlt sie sich als Teil der Opposition.
Büüsker: Das gleiche könnte man über die CDU auch sagen.
Ziemiak: Das sehe ich anders.
Büüsker: Annegret Kramp-Karrenbauer in die Bundesregierung aufrücken zu lassen, ist aus Ihrer Sicht derzeit keine Option?
Ziemiak: Wir haben darüber auch nicht debattiert, sondern uns auf die Frage des Wahlkampfes konzentriert. Wir werden jetzt am Wochenende zusammenkommen auf der Klausurtagung des CDU-Bundesvorstandes. Dort muss es um diesen Wahlkampf gehen, um die Analyse, was gut und was nicht gut gelaufen ist, und auch die Frage der Kommunikation. Deswegen ist diese Klausurtagung so wichtig. Darum wird es auch gehen.
"Lösung muss lauten: Manfred Weber wird Kommissionspräsident"
Büüsker: Wir reden über Ergebnisse einer Europawahl. Deshalb lassen Sie uns gemeinsam auch noch auf die europäische Ebene schauen. Annegret Kramp-Karrenbauer, aber auch Sie haben den Anspruch von Manfred Weber als Spitzenkandidat auf das Amt des Kommissionschefs betont. Wieso sieht die Bundeskanzlerin das anders?
Ziemiak: Die Bundeskanzlerin sieht es genauso wie CDU und CSU. Sie hat das ja am Freitag noch mal bei unserer Abschlusskundgebung in München ganz deutlich gemacht, dass sie für Manfred Weber kämpfen wird und streiten wird. Er hat die meisten Abgeordneten im neuen Europäischen Parlament hinter sich und jetzt liegt es an den Staats- und Regierungschefs, ihn auch vorzuschlagen, sich auf ihn zu einigen. Die Bundeskanzlerin wird sich für ihn einsetzen und das ist jetzt, worauf es in den nächsten Tagen ankommt, nämlich dass das, was wir versprochen haben, der, der die meisten Abgeordneten hinter sich bringt, dass der auch Kommissionspräsident wird.
Büüsker: Dazu müsste er aber auch erst mal eine Mehrheit finden im Parlament.
Ziemiak: Wir haben ja uns entschieden und alle auch klar ausgesprochen für einen Spitzenkandidaten-Prozess. Wenn ich die Zahlen von heute sehe, dann ist die EVP die größte Fraktion im Europäischen Parlament. Deshalb wird es jetzt auch Gespräche geben mit den Sozialdemokraten, mit anderen Kräften der Mitte, und es wird darum gehen, dass wir schnell eine Lösung haben. Die kann aus meiner Sicht nur lauten, Manfred Weber wird nächster Kommissionspräsident der Europäischen Union.
Büüsker: Das Europäische Parlament ist nach dieser Wahl sehr zersplittert. Die Interessen sind sehr, sehr unterschiedlich. Annegret Kramp-Karrenbauer hat gestern noch mal betont, dass es zukünftig auch darum gehen wird, deutsche Interessen auf europäischer Ebene maßgeblich zu vertreten. Ist das im Angesicht eines derart zersplitterten Parlaments nicht ein bisschen vermessen?
Ziemiak: Es muss immer auch unser Anspruch sein, auch die Position unseres Landes deutlich zu machen, so wie der französische Staatspräsident die Interessen Frankreichs vor allem im Auge hat. Am Ende muss es aber darum gehen – und das ist die Aufgabe des Kommissionspräsidenten -, Brückenbauer zu sein, die Dinge zusammenzuführen. Jeder macht seine Position deutlich, aber am Ende muss Europa mit einer Stimme sprechen. Der Kompromiss, der Konsens muss im Vordergrund stehen, das Zusammenführen und nicht das Spalten.
Büüsker: Aber viele der europäischen Partner kritisieren jetzt schon eine zu starke deutsche Dominanz. Solche Äußerungen wie von Annegret Kramp-Karrenbauer, schürt man damit nicht zusätzlich noch den Unmut?
Ziemiak: Das sehe ich anders. Es geht doch, wie ich es gerade gesagt habe, darum, dass jedes Land auch seine Position deutlich macht, aber wir alle, vor allem in der Union überzeugte Europäer sind. Am Ende muss Europa zusammenstehen, muss auch zusammenhalten. Wir sehen die großen Herausforderungen in der Welt. Insofern ist das kein Widerspruch, sondern wir sind ja in Vielfalt vereint.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.