"Schieb deine Verantwortung nicht weg" heißt die Kampagne, vorgestellt haben sie Bundesfamilienministerin Paus und die Unabhängige Beauftragte für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs, Claus, in Berlin. Man appelliere damit ganz klar an das Verantwortungsgefühl aller Erwachsenen dieser Gesellschaft, betonte Paus. Denn nur ein wachsames und aufgeklärtes Umfeld könne Kinder vor Gewalt schützen, betonte die Ministerin: "Ich fordere jede und jeden auf: Sehen Sie hin, hören Sie zu, fragen Sie beim Kind nach!" Nur mit gemeinschaftlicher Verantwortung erzeuge man einen Schutzschirm, damit Kinder keine Opfer würden.
Auf Alarmsignale achten
Viele zu oft gebe es die Vorstellung, dass andere Menschen, Organisationen oder staatliche Stellen zuständig seien, wenn es um den Schutz Minderjähriger vor sexueller Gewalt gehe, so die Missbrauchsbeauftragte Claus. Genau das wolle man ändern. Wichtig sei es, zu lernen, auf bestimmte Alarmsignale zu achten. Etwa, wenn ein Kind plötzlich nicht mehr zu engen Verwandten wolle oder in den Sportverein, wenn es sich plötzlich zurückziehe oder aggressiv werde. "Dann sollten Erwachsene hellhörig werden und nachfragen, wie es dem Kind geht und was es bedrückt." Dabei komme es darauf an, Interesse zu signalisieren, Präsenz zu zeigen - immer und immer wieder, damit betroffene Jungen und Mädchen sich öffnen könnten, um über etwas zu sprechen, für das sie sich in der Regel sehr schämten.
Bereits im ZDF hat Claus heute früh erklärt, es sei auch wichtig, allgemein mit seinen Kindern über die Gefahr von sexuellem Missbrauch zu sprechen. Das sei wichtig, so Claus, damit Kinder überhaupt eine Sprache hätten, um etwaige Übergriffe in Worte zu fassen. Experten weisen immer wieder darauf hin, dass besonders kleinere Kinder manchmal gar nicht wüssten, was mit ihnen geschehe, und sie deshalb auch nicht darüber reden könnten. Einige Täterinnen und Täter reden ihren Opfern ein, dass die Übergriffe etwas normales seien. Andere üben psychischen Druck auf ihre Opfer aus. Sie machen den Kindern ein schlechtes Gewissen in dem Sinn, dass etwas Schlimme passieren würde, wenn mit jemanden über die Übergriffe redeten.
Hilfetelefon als erste Anlaufstelle
Erste Anlaufstelle bei Verdachtsfällen sind Hilfetelefone oder Beratungsstellen vor Ort, die nicht nur Opfern sondern auch Außenstehenden helfen, die nicht wissen, wie sie mit einem möglichen Verdacht umgehen sollen. Hier könne man schnell und niedrigschwellig Beratung bekommen, so Claus: "Sie müssen keine Kinderschutzexperten sein, aber Sie müssen sich verantwortlich fühlen und konkret wissen, was zu tun ist." Auch den Bereich Internet und Soziale Medien müssten Eltern und andere Erwachsene verstärkt im Blick haben, rät Claus. Dabei sei es jedoch ratsam, keine Verbote auszusprechen, sondern beratend zur Seite zu stehen, um mit den Kindern und Jugendlichen ins Gespräch zu kommen. Erwachsene könnten sich zudem im familiären Umfeld, in Kita und Schule, im Sportverein und anderswo austauschen, um sich und andere für das Thema zu sensibilisieren.
Im Rahmen der Kampagne sind unter anderem Fernsehspots, Plakate sowie Aktivitäten in den Sozialen Medien geplant. Vorgesehen sind auch Projekte vor Ort, um lokale Netzwerke und kommunale Initiativen zu stärken.
"Schieb deine Verantwortung nicht weg!" ist die Fortführung der Kampagne "Schieb den Gedanken nicht weg!", die das Bundesfamilienministerium im vergangenen Jahr ins Leben gerufen hatte. Auslöser war eine Forsa-Umfrage, die gezeigt hatte: 85 Prozent der Befragten halten es für unwahrscheinlich oder ausgeschlossen, dass sexualisierte Gewalt in der eigenen Familie passiert oder passieren könnte. Mit der aktuellen Kampagne soll jetzt der nächste Schritt folgen - und Menschen dazu befähigt werden, zu handeln.
Diese Nachricht wurde am 13.11.2023 im Programm Deutschlandfunk gesendet.