Liefern die aktuell in Deutschland sehr häufig durchgeführten Corona-Tests die richtigen Informationen? Es ist gut möglich, dass ein Test positiv ist, die Person aber trotzdem gar nicht ansteckend. Der Berliner Virologe Christian Drosten hat deshalb vorgeschlagen, die üblichen PCR-Tests zu differenzieren. Pharmaunternehmen bringen derweil neue Testvarianten auf den Markt. Wo stehen wir bei den Corona-Tests?
Welche Arten von Coronatests gibt es?
Im Grunde gibt es derzeit drei Testvarianten:
- Polymerase-Kettenreaktion-Tests (PCR-Test) reagieren auf das Erbgut von SARS-CoV-2. Diese Tests sind extrem empfindlich, ihnen entgeht nichts. PCR-Tests gelten derzeit als der Goldstandard, können aber nur in spezialisierten Laboren gemacht werden.
- Antigentests weisen nicht das Erbgut des Virus nach, sondern die Eiweiße. Sie sind nicht ganz so empfindlich, was unter Umständen ein Vorteil sein kann. Solche Tests können sehr schnell sein. Der große Hersteller Roche Diganostics hat einen solchen Schnelltest entwickelt, der jetzt bestellt werden kann und innerhalb von 15 Minuten ein Ergebnis liefert - Ärzte und Betroffene können dann entsprechend schnell reagieren. Die Tests sehen aus wie Schwangerschaftstests, aber es gibt sie nicht in der Apotheke, sie sind für medizinische Profis - die sie etwa in Altenheimen einsetzen können. Nur solche Fachkräfte können einen guten Rachen-Nase-Abstrich machen, der auch hier nötig ist. Antigentests gibt es auch von anderen Firmen.
- Antikörpertests gibt es ebenfalls in einer Schnelltestvariante. Sie weisen nicht das Virus oder eine akute Infektion nach, sondern die Reaktion des Körpers darauf. Sie blicken sozusagen in die Vergangenheit: War diese Person schon mal infiziert? Antikörpertests spielen im Moment vor allem für wissenschaftliche Studien eine Rolle, weniger für das aktuelle Geschehen.
Warum gilt der PCR-Test als überempfindlich?
Die PCR weist verlässlich die Infektion selbst nach, aber nicht, ob jemand noch ansteckend ist. Sie ist entwickelt worden, um eine Ja/Nein-Frage zu beantworten: Ist Erbgut von SARS-CoV-2 da oder nicht? Dafür verdoppelt dieses Verfahren etwaige Spuren immer und immer und immer wieder, in vielen, vielen Zyklen. Aus einem Virenerbgut werden zwei, dann vier, dann acht und dann schnell viele, viele Millionen angezüchtet. So kann man auch winzigste Spuren in einer Probe nachweisen. Das ist gerade am Anfang der Infektion wichtig. Laborärzte erkennen so schon sehr früh, wenn sich eine Krankheit anbahnt.
Doch am Ende der Infektion wird die Empfindlichkeit zum Problem: Dann finden sich im Rachen vielleicht noch Bruchstücke von SARS-CoV-2, die sich nicht mehr vermehren können, aber trotzdem reagiert die extrem empfindliche PCR. In exakten Versuchen wurde nachgewiesen, dass sich bei Patienten kein aktives Virus mehr isolieren ließ, die PCR aber noch einige Tage weiter positiv blieb.
Was ist der ct-Wert und was hat er mit der Dauer der Isolation zu tun?
Die Abkürzung ct steht für das englische "cycle threshhold", übersetzt in etwa Schwellenzyklus, und bezieht sich auf die Verdopplungszyklen beim PCR-Test. Der Wert beschreibt, ob wenige oder viele Verdopplungszyklen durchlaufen werden, bevor die Kurve nach oben schießt. Auf Ausdrucken ist oft bei den ersten Zyklen nichts zu sehen, erst nach 10, 20 oder 30 Runden ergeben sich nennenswerte Zahlen. Wann genau dieser Anstieg erreicht wird, hängt von der Menge an Ausgangsmaterial ab, aber auch von den Details des Laborverfahrens.
Man kann sagen, wenn der ct-Wert hoch ist, dann war nur ganz wenig Virus vorhanden - vielleicht zu wenig, um jemand anderen anzustecken. Die "New York Times" berichtet, dass der Großteil der PCR-Ergebnisse in den USA auf solch hohen ct-Werten beruht. Dort wird diskutiert, Tests mit einem ct-Wert über 30 generell als negativ zu betrachten.
Das ist aus zwei Gründen problematisch. Erstens ist auch zu Beginn einer Infektion nur wenig Virus vorhanden. Trotzdem wird die Person in den nächsten Tagen hochansteckend sein. Hohe ct-Werte sind im Grunde nur von Bedeutung, wenn die Infektion schon bekannt ist und es darum geht, zu entscheiden, ob die Person noch weiter isoliert werden muss. Zweitens ist der Wert von 30 eher eine Daumenregel, klingt besser als etwa 27 oder 32. Die Schwäche des PCR-Tests kann über den ct-Wert abgemildert werden - doch es wäre zu einfach zu sagen, nur PCR-Ergebnisse mit einem ct-Wert unter 30 sind akzeptabel.
Der Charité-Virologe Christian Drosten verweist darauf, dass unterschiedliche PCR-Systeme etwas unterschiedliche ct-Werte für dieselbe Probe liefern. Drosten schlägt vor, Proben mit weniger als einer Million Viren im Abstrich als unproblematisch zu betrachten. Eine Million klingt zwar viel, ist aber für eine Infektion meist zu wenig. An der Charité wird gerade versucht, das zu standardisieren, damit man für jedes PCR-System sagen kann: Dieser ct-Wert entsprecht einer Million Virenerbgutkopien im Abstrich.
Einige Labore in Deutschland übermitteln den ct-Wert auch an die Gesundheitsämter. Aber er wird derzeit nur selten in Entscheidungen zur Quarantäne oder Isolierung miteinbezogen, das zeigt eine Umfrage der "Tagesschau" bei Gesundheitsämtern. Zu Beginn einer Infektion muss man ohnehin jedes PCR-Ergebnis ernst nehmen, ct-Wert hin oder her. Doch später kommt es eben auf die Details an. Die Gesundheitsämter müssen abwägen: Wie genau sieht das Testergebnis aus und wie genau ist die Situation der betroffenen Person? Wenn es darum geht, einen Altenpfleger aus der Isolation zu entlassen, gelten sicher strengere Maßstäbe als für jemand, der dann im Homeoffice arbeitet. Gerade arbeitet das Robert-Koch-Institut unter anderem zusammen mit Christian Drosten und den Laborärzten an neuen Empfehlungen. Einigen sie sich auf einen Schwellenwert von einer Million Virenkopien, dann könnten Leute schneller aus der Isolation entlassen werden.
Bringen die Schnelltests Entlastung für die Labore?
Der Schwellenwert von einer Millionen Virenkopien entspricht nach den Erfahrungen von Christian Drosten etwa auch der Empfindlichkeit der Antigentests. Wenn es offizielle Vorgaben gibt, dann können gerade diese Schnelltests erheblich zur Entlastung der Labore beitragen, denn sie liefern ein Ergebnis noch in der Arztpraxis oder Klinik. Dann weiß man: Diese Person ist heute für andere ansteckend oder nicht.
Jeder Test ist nur so gut wie die Probenentnahme in Rachen und Nase. Deshalb lassen sich solche Tests auch nicht jeden Morgen einfach zu Hause oder am Arbeitsplatz oder in der Schule machen. In professionellen Händen könnten solche Antigentests aber genügen, um jemanden aus der Isolation nach einer Coronainfektion zu entlassen. Dies ist aber nur möglich, wenn es so auch in den offiziellen Richtlinien steht. Das wird noch längere Diskussionen brauchen. Denn es bleibt ein Restrisiko, weil die Antigentests nicht so empfindlich sind wie eine PCR. Mit ersteren könnten sich gerade erst anbahnende Infektionen übersehen werden.
Das europäische Gesundheitsinstitut ECDC beklagt, dass sehr viele Tests vermarktet werden. Diese sind auch offiziell zugelassen mit dem europäischen CE-Zeichen - aber das sind nur sehr allgemeine Kriterien. Von solchen Tests findet man in der Datenbank des Deutschen Institutes für Medizinische Dokumentation und Information inzwischen über hundert. Die dürfen alle verwendet werden, aber es gibt kaum klinische Studien, die ihren medizinischen Nutzen belegen. Das Robert-Koch-Institut verfolgt das alles und wird reagieren, wenn gute Daten vorliegen. Solange bleibt die PCR der Goldstandard.
Der Beitrag ist eine aktualisierte und erweiterte Fassung eines Beitrag vom 07.09.20 zu diesem Thema.