Klein und rund, mit Haarkranz und Knopfaugen - das ist er also, der Bauer Dickie, dem Pieter De Poortere immer die schlimmstmögliche Wendung von eigentlich erst mal ganz harmlosen Geschichten an den Hals hext: eine Wallfahrt, bei der die Jungfrau Maria Dickies Fuß heilt, endet mit einem Busunfall - und nachdem dem herzkranken Dickie das Herz einer Selbstmörderin eingepflanzt wird, wird er selbst lebensmüde.
"Well I grew up at the countryside. I played with farmer's boys."
Natürlich ist der Comiczeichner auf dem Land aufgewachsen. Dieses eigene Erleben prägt die Art, wie er seine Figuren zeichnet: religiös und ein bisschen schlicht gestrickt, aber einander immer wieder freundschaftlich zugewandt. Pieter De Poortere macht sich nie über diese Lebenswelt lustig, sondern nur darüber, was Einzelne darin veranstalten.
"In meinem ersten Album war Dickie ein Bauer. Vorbild dafür war einer, der wirklich in meinem Dorf gewohnt hat und der uns immer mächtig verfolgt hat, wenn wir sein Obst geklaut haben und so. Und in der ersten Geschichte bestellt der sich eine Frau aus Asien."
Die dann gleich mal Trost beim Nachbarn sucht - immer wieder, selbst als Dickie sie mit Liebesbriefen und Tulpen zurückerobern will. Und weil das nicht klappt, erschlägt Dickie seine Frau - und nimmt sich selbst mal wieder das Leben. Das klingt maßlos überzogen, aber in diesem flämischen Dorf war offenbar einiges möglich.
"Es war wirklich schräg! Denn der Bauer war über 70 und hatte fünf Kinder mit der Asiatin - die gerade mal 30 war. Und seither interessiert mich das Bizarre in der Welt."
Humor und knubbeliger Disney-Stil
Pieter De Poortere packt seine Geschichten in immer die gleichen quadratischen Bilder, lässt Dickie darin durchaus auch auftrumpfen - um ihm dann eine umso saftigere Niederlage zu bescheren. Das ist bitter - und zugleich sehr süß gezeichnet. Pieter De Poortere hat sich für Dickie an dem harmlos knubbeligen Stil früherer Disney-Filme orientiert. Pechvogel Dickie wirkt dadurch sehr sympathisch und zugleich erscheint dieses unglückliche Leben viel näher, als einem lieb sein kann. Ein Kontrast, der allein schon das Lesen lohnt.
"Jedes Mal wenn ich mir Disney-Filme angucke, sehe ich darin die Sachen, die schief gehen könnten. Das ist mein Humor. Und darum geht es ja auch beim Humor: eben wie Leute mit Problemen umgehen. Das können Kleinigkeiten sein, also wenn man mit dem Zeh gegen einen Stein stößt. Aber auch der Tod kann lustig sein. Ich glaube, Humor ist dazu da, dass man all den Widrigkeiten gewachsen ist, und ich überziehe das eben ein bisschen."
Pieter De Poortere konzentriert sich darauf, wie alles entgleitet
Mittlerweile ist Dickie nicht mehr nur ein flämischer Bauer, sondern schlüpft in jede Rolle: wird Double des syrischen Präsidenten, ein Eskimo, der mit seinem Morgenurin die Eisscholle abschmilzt, in der Titanic versinkt. Pieter De Poortere überschreitet gerne die Grenzen des guten Geschmacks, etwa wenn Dickie als Bauer im historischen Palästina den Leichnam Christi als Vogelscheuche missbraucht. Trotz solcher Grobheiten lieben die Flamen diese Comics. Vielleicht, weil Dickie der Inbegriff des Antihelden ist.
"Selbst wenn er der Geschichte auf die Sprünge hilft oder Anlass für etwas ganz großes ist - die große Taten bemerkt ja auch keiner, nicht mal er selbst. Der reagiert halt immer nur, die Dinge wiederfahren ihm irgendwie, selbst wenn er das Leben von Adolf Hitler im ersten Weltkrieg im Schützengraben rettet, auch das passiert ohne sein Wissen."
Das ist nicht gerade erbaulich, im Gegenteil. Während erbauliche Geschichten davon erzählen, wie Menschen ihr Leben in die Hand nehmen und dadurch glücklich werden, konzentriert sich Pieter De Poortere darauf, wie alles entgleitet - weil man manchmal dummes Zeug macht, vor allem aber, weil man gar nicht alles in der Hand haben kann. Das ist bei aller Absurdität durchaus wahrhaftig - und vor allem ist es unglaublich komisch.
Pieter De Poortere: "Dickie"
Text und Zeichnung, Avant-Verlag, 216 Seiten
Text und Zeichnung, Avant-Verlag, 216 Seiten