Ein Glaskubus steht auf einem Podest, davor eine Treppe, rechts ein Laufsteg. Wie in vorangegangenen Arbeiten hat Falk Richter sein Angst-Stück in einem weitgehend abstrakten Bühnensetting eingerichtet. Aber gleich zu Beginn fällt auf, dass es hier nicht darum geht, auf diesen gestaffelten Spielebenen wieder einmal ziemlich elegant und schlau das Drama des verlorenen Individuums im globalen Wirbel zu erzählen und mit tänzerischen Verkrümmungen zu bebildern.
Zombiehafte Wiederkehr eines tot geglaubten Denkens
Nein, hier geht es ziemlich ruppig und ziemlich laut um eine Reise in die Finsternis, zu all den unangenehmen Mitmenschen, denen es nicht gelingt, ihr Unbehagen und ihre Ängste in der neoliberalen Postmoderne in eleganten Kulturleitungen und konsensfähigen Diskursen zu vermitteln. Ihr Gestammel und ihre dumpfen Ängste über den Untergang Deutschlands werden zu einer Tonschleife kompiliert und in einer von Paukenschlägen skandierten Soundkollage von pulsierenden Lichtblitzen und Horrorfilmbildern von wiedererwachenden Leichen begleitet.
Dieses Dunkeldeutschland der Pegida, der AfD und anderer unappetitlicher fundamental-katholischer und deutschnationaler Bündnisse ist für Falk Richter nichts als eine zombiehafte Wiederkehr eines Denkens, das wir nach 1945 für definitiv tot geglaubt hatten.
Nummernfolge voller Monologe
"Fear" ist also ein ziemlich wütender Albtraum mit grotesken Zügen. Szenisch übersetzt hat Richter diesen allerdings nicht, zu sehen ist eine Nummernfolge voller Monologe. Im Irgendwie vom Wutstau gepressten Reden der Pegida-Aktivisten entdeckt Richter die Psyche von immerfort zu kurz Gekommenen, aus denen sich der Hass auf die flüchtenden Neuankömmlinge Bahn bricht.
"Wieso haben die alle Handys, wer hat die ausgerüstet mir all den modernen Navigationssystemen die wir uns nicht leisten können? Und die bekommen Applaus wenn die ankommen. Die werden bejubelt wie Sieger. Und wir? Wir? Wir kriegen keinen Applaus. Ja, aber wir sind doch das Volk und nicht die! Wieso kriegen die den ganzen Applaus und uns feiert keiner. Wir werden zu keiner Feier mehr eingeladen. Wir nehmen nie an nichts teil."
Richters Angstekel
Kaum hat, wie hier Kay Bartholomäus Schulze, einer der von drei Tänzern begleiteten fünf Schauspieler eine der ziemlich kraftraubenden Wutmonologe hinter sich gebracht, bricht die Abscheu vor der gestellten Aufgabe aus ihm heraus. Die kurz skizzierte Rolle muss schnellst möglich wieder abgesteift werden. In einem Gruppenbild zittern die Körper aller acht Akteure wie im Schauder vor einem Anfall von Parasiten. Ein Theater der heftigen allergischen Reaktionen und Phobien.
Die Beschäftigung mit den rechten Politzombies hat etwas zutiefst unangenehmes; Falk Richter selbst bildet seine Angst vor der Angst, seinen Angstekel unverblümt mit ab. Unverkrampfter karikiert er andere Figuren der Wut über erlittene gesellschaftliche Diskriminierungen: Der Berliner zum Beispiel, der sich wegen der Gentrifizierung und internationaler Investoren nun keine Berliner Eigentumswohnung mehr außerhalb des Weddings leisten kann, wo er befürchtet, von Islamisten umgebracht zu werden. Oder, in einer sehr weit gefassten englischen Rede: Der "Westen" selbst, zu dem Beethoven gehört, Kommunismus, Theaterfestivals, Hochkultur und Kolonialismus, ein Abstraktum, ein Konzept voller Widersprüche:
"I am the young Hip-Hopper, who is born and raised in Germany and who joins ISIS and posting Youtube-Clips of himself cutting the head off a french journalist and collecting lots of "likes" in his facebook-wall for calling Angela Merkel a fucking whore."
Lise Risom Olsen spielt diesen Westen am Ende seines goldenen Zeitalters und nunmehr zurückgeworfen in den Zustand des angstvollen Erwartens.
Revue der Verstörung
Wir-sind-das-Volk-Rufer können bei Richter noch auf Reste des Verstehens rechnen, seine ganze Wut richtet er aber auf die neue rechte Prominenz, vor allem auf Frauen wie Eva Herrmann, die Rechtsfeministin Birgit Kelle, die Fundamental-Katholikin Gabriele Kuby, AfD-Vorsitzende Frauke Petry und vor allem die adelige Nazi-Enkelin Beatrix von Storch. Ihr widmet er eine grelle Groteske mit dem großväterlichen ehemaligen Reichsfinanzminister als NS-Gespenst.
Irgendwo zwischen Frank Castorf und Nikolas Stemann siedelt sich die Fear-Ästhetik an, mit Pappkameraden und AfD Slogans, Pappschildern und Neonazisprüchen - und schließlich einer Alina Stiegler, die im glitzernden Abendkleid und einem 2300-Watt-Gebläse unterm Arm den ganzen Mist genervt wieder von der Bühne pustet.
Am Ende haben sich alle zu einer Urban Gardening Community versammelt und tragen Paletten mit Tomatenpflanze umher. Aber das ist nur Ironie und keine taugliche Rettungsinsel für verstörte westliche Wohlmeinende im Kampf gegen den Aufmarsch neuer rechter Koalitionen. Auch Heiner Müller wurde, vergeblich, um Hilfe angerufen gegen die Konfusion der Geister. "Fear" ist eine Revue der Verstörung, auf linke Orientierung ist vom Theater derzeit nicht zu hoffen.