Kesselsdorf bei Dresden, etwa 20 Minuten Autofahrt vom Stadtzentrum entfernt. Kaum jemand ist unterwegs an diesem Nachmittag in einem Wohngebiet etwas oberhalb des historischen Ortkerns. Hier soll der Chef der fremdenfeindlichen Pegida-Gruppierung wohnen: Lutz Bachmann. Sonderlich präsent ist er den Anwohnern aber nicht.
-"Keine Ahnung, ich hab den noch nie gesehen."
- "Wir kennen den gar nicht."
-"Ist nicht so, dass den hier jeder kennt?"
"Nee, der macht sich ja rar. Außerdem soll er ja weggezogen sein."
Weggezogen aus dem Mehrparteienhaus aus den 90er-Jahren, von dem die Frauen keine hundert Meter entfernt stehen? Das Schild mit dem Namenszug "Bachmann" prangt dort auf jeden Fall noch, ebenso der Name der Werbe- und Foto-Agentur "Hotpepperpix", die er nach eigenen Angaben betreibt.
Im Moment tritt Pegida, tritt Lutz Bachmann, auf der Stelle
Auch der Bäcker weiter unten im Dorf will den Pegida-Chef noch nie gesehen haben. Und so scheint Lutz Bachmann ein Phantom in seinem Dorf. Er, dessen Gesicht in Dresden doch eigentlich jeder kennt, und der die Stadt spaltet wie kein anderer.
Auch am vergangenen Montag jubeln die Anhänger der fremdenfeindlichen Pegida-Gruppierung Lutz Bachmann wieder zu, der die Demonstration eröffnet. Wöchentliche Routine für die meisten hier. Sie kommen jede Woche, lauschen den weitgehend gleichen Rednern, die weitgehend die gleichen Sachen sagen. Grenzen dicht machen, Regierung wechseln – aber was kommt dann? Zu Beginn war alles neu und aufregend um Lutz Bachmann, als die Gruppierung schon zu zerfallen schien, verhalfen ihr die Bilder der vielen Flüchtlinge zu neuem Zulauf. Balsam für das Ego des Mannes, dessen kriminelles Vorleben lokale Journalisten längst hell durchleuchtet haben. Körperverletzung, Einbrüche, Drogenhandel. Im Moment tritt Pegida, tritt Lutz Bachmann, auf der Stelle. Die Teilnehmer-Zahlen sind stark zurückgegangen und inhaltlich geht es auch nicht voran.
"Uns wir ja immer vorgeworfen, dass wir mit der bevorstehenden Gründung unserer Pegida-Partei die patriotischen Kräfte spalten würden."
Ein Grund für die Erlahmung: Die Wahl-Erfolge der rechtspopulistischen AfD bei den vergangenen Landtagswahlen überstrahlen Pegida, AfD-Chefin Frauke Petry wirkt offenbar verlässlicher als Bachmann. Der hat schon vor Monaten angekündigt, eine Partei zu gründen. Passiert ist bisher nichts. Und so gehört die eigene Partei zur langen Liste von Bachmanns angekündigten Plänen, die nicht umgesetzt wurden. Anzeigen gegen Minister, Volksbegehren gegen die Rundfunkgebühr. Nicht einmal den versprochenen Text für die sogenannte Pegida-Hymne gibt es. Der besteht einfach nur aus Lalala.
Bachmann wirkt oft so, als könne er seine Parolen nicht mehr hören
Populismusforscher weisen darauf hin, dass Gruppierungen wie Pegida eben gar nicht an ihren Taten gemessen werden, sondern eher an einer zunehmenden Schärfe des Diskurses. Für die ist aber bei Pegida eher Frontfrau Tatjana Festerling zuständig. Die Hamburgerin, die für Pegida schon bei der Oberbürgermeisterwahl in Dresden im vergangenen Jahr antrat, hat Bachmann an Popularität überholt, erntet mit ihren kalkulierten, deutlich schärferen, Provokationen mehr Zustimmung unter den Anhängern. Bachmann hingegen wirkt auf der Bühne mittlerweile oft so, als könne er das "Best of" seiner Parolen, die er bei den Versammlungen in Dauerrotation abspult, selbst nicht mehr hören. Die immer noch 2.000 bis 3.000 Anhänger, die sich Montag für Montag in Dresden treffen, scheint das aber nicht zu stören. Sie kommen, jubeln, auch wenn die Parolen längst nicht mehr so laut durch die Stadt hallen wie noch vor einigen Monaten. Der Professor für Politikwissenschaft Werner Patzelt von der TU Dresden, dem Kritiker eine zu große Nähe zu Pegida vorwerfen, hat dafür eine Erklärung:
"Pegida-Teilnehmer gehen zu den Demonstrationen wie die Anhänger eines dritt- oder viertklassigen Fußballvereins allwöchentlich zu dessen Spielen gehen. Man weiß, dass man nicht Bayern München gegen Juventus erleben wird, man weiß, dass man nicht intellektuell sonderlich befriedigt werden wird."
Bloß nicht zu kompliziert. Einfachere Erklärungen sind angesagt und die hat auch Lutz Bachmann selbst vor einem weiteren Prozess gegen ihn, der am kommenden Dienstag beginnt. Die Staatsanwaltschaft Dresden hat Anklage wegen des Verdachts auf Volksverhetzung erhoben. Wegen Äußerungen, die er im sozialen Netzwerk Facebook gepostet haben soll. Dass er sich einer Schuld nicht bewusst ist, hatte er schon im Februar 2015 klargemacht.
"Es sind Screenshots aufgetaucht, die zum Teil bearbeitet und gekürzt waren. In denen ich einfach ein paar Worte benutzt habe, die jeder, jeder von uns, da bin ich mir sicher, schon mal am Stammtisch benutzt hat."
Und das sehen die Pegida-Anhänger heute ähnlich.
"Mir rutscht auch sowas mal raus, ihnen vielleicht aus, jetzt vielleicht nicht gerade in der Beziehung. Aber Sie sagen auch manchmal zu einem 'Du Arschloch'.
Reporter: "Sie sagen auch manchmal "Viehzeug" und "Pack" zu Asylbewerbern?"
"Nee, noch nie. Weil ich finde, das hat er ja auch widerrufen, das ist vollkommener Quatsch, das ist nicht unsere Zielgruppe."
Pegida schadet der Gesundheit ihrer Protagonisten
An einen Zusammenhang zwischen den Hetzparolen von Pegida und den gerade in Sachsen zahlreichen Anschlägen aus Asylunterkünfte glaubt hier niemand. Der sächsische Verfassungsschutz schon. Die Pegidisten glauben dafür an Bachmanns Unschuld.
"Der muss sich gerade ein bisschen zurückhalten, weil sie ihn auf dem Kieker haben, ist ja logisch. Da muss er sich ein bisschen bremsen."
Sind die vergleichsweise zahmen Auftritte also nur dem bevorstehenden Prozess geschuldet? Augenscheinlich ist: Pegida schadet der Gesundheit ihrer Protagonisten. Im Februar und März war Bachmann monatelang nicht zu sehen. Er selbst schrieb, er sei in einer Reha, weil er sich überfordert habe. Auch die Perspektive, möglicherweise vor Gericht bestraft zu werden, dürfte nicht zu seinem Wohlbefinden beitragen.