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Pegida
"Das ist Verunglimpfung, das ist Hass"

Die Hass-Sprache der Pegida-Bewegung führe zu Taten wie dem Abbrennen von Asylbewerberunterkünften, sagte der Theologe Friedrich Schorlemmer im Deutschlandfunk. Meinungs- und Pressefreiheit seien ein hohes Gut, aber Hass, Hetze, Lüge und Aufputschung gehörten nicht zum demokratischen Verfahren.

Friedrich Schorlemmer im Gespräch mit Dirk Müller |
    Der Theologe Friedrich Schorlemmer steht am 28.09.2015 in seinem Arbeitszimmer in Lutherstadt Wittenberg (Sachsen-Anhalt).
    Der frühere DDR-Bürgerrechtler Friedrich Schorlemmer in seinem Arbeitszimmer (picture alliance / dpa / Jan Woitas)
    Dirk Müller: Pegida, die sächsische Hauptstadt, Hassparolen, Meinungsfreiheit oder Volksverhetzung - wir reden darüber mit dem früheren Bürgerrechtler und Pfarrer Friedrich Schorlemmer, der jetzt bei uns am Telefon ist. Guten Abend.
    Friedrich Schorlemmer: Guten Abend.
    Müller: Herr Schorlemmer, sollen sich die Anhänger von Pegida zum Teufel scheren?
    Schorlemmer: Die sind ja da schon. Da werden Ängste geschürt, dass wir Verlierer werden könnten im Angesicht von Menschen, die Verlierer sind. Diese Pegida-Leute, das sind für mich, wie ich das heute auch wieder gehört habe - das erschüttert mich -, das sind erbarmungslose und erbärmliche Leute, die kein Wort des Mitgefühls mit Flüchtlingen finden. Wenn man die Bilder sieht, wie die da im Morast sich dahinschleppen und zittern und frieren und so, das Erste muss doch auch ein Mitgefühl mit diesen Menschen sein. Davon höre ich nichts und ich höre auch von Pegida nicht und von AfD nicht irgendwo ein Bedauern oder ein Verurteilen von präventivem Abbrennen von Asylbewerber-Unterkünften. Es ist furchtbar. Ich glaube, wir leben gegenwärtig in einer tief gespaltenen Gesellschaft.
    "Lutz Bachmann, dieser politisierende Kleinkriminelle"
    Müller: Das, was Sie jetzt beschreiben, an Charakteristika den Pegida-Anhängern zuschreiben, trifft das auf alle Anhänger zu? Wir reden heute von 15, 20.000, die da aufmarschiert sind.
    Schorlemmer: Nein. Da kommen auch viele Leute hin, die haben einfach nur Frust. Ihre Ohnmachtsgefühle und ihre Abstiegsängste werden da zur Sprache gebracht. Aber sie werden auch noch geschürt und mit fahrlässig vereinfachenden Lösungen konfrontiert. Und wenn da der Lutz Bachmann, dieser politisierende Kleinkriminelle, muss man doch mal sagen, sagt, wir bleiben, um zu siegen, da frage ich, was heißt hier siegen? Da wird mir ganz anders. Wenn ich dann auch ein Bild sehe davon, dass der Oberbürgermeister Jung in Leipzig, dass da an einer Mülltonne steht, wir kriegen Dich, das kenne ich auch schon. Vor 15 Jahren haben sie auch gesagt, pass auf, wir kriegen Dich. Was ist los bei uns? Die Hass-Sprache, die dahinter steht, ist angefüllt mit Hassgefühlen, die dann zum Abbrennen von Asylbewerber-Heimen und von Wohnungen führen, und den Ressentiment geladenen Worten gehen Taten voraus. Den Worten folgen Taten und schaffen eine destruktiv-emotionale Atmosphäre. Und ich muss noch sagen: Wer Frust hat, es gibt Möglichkeiten, dies in einer Form der Demokratie auch auszusprechen. Was ich jedenfalls keinesfalls möchte, ist, dass die Demokratie zu einer Art Spaziergang wird, wobei die Regierenden von denen, die sich als das Volk gerieren, das machen sollen, was das Volk auf der Straße sagt. Ich sage, Demokratie ist kein Spaziergang, sondern ist ein tägliches Plebiszit von Demokraten, die die Demokratie ausfüllen und die sich nicht entpolitisieren, die Entscheidungsprozesse begleiten und mittun und auch wissen, dass Demokratie nicht schnell geht. Aber auch abwägen braucht jedenfalls nicht das populistische Gebrüll auch von Leuten, wir haben die Schnauze voll. Wenn ich die sehe, habe ich auch die Schnauze voll.
    Müller: Das sagen Sie jetzt, Herr Schorlemmer. Es gibt ja auch Pegida-Anhänger oder Sympathisanten, die zumindest nicht aktiv mit dabei sind. Diese Gruppierungen nehmen ja auch gerade dieses Plebiszit, was Sie gerade angesprochen haben, für sich in Anspruch, dass sie auf die Straße gehen können, dass sie demonstrieren können, dass sie vielleicht auch die Grenzen der Meinungsfreiheit ausreizen, ausschöpfen können. Wir haben das eben zusammen auch noch einmal gehört in unserem Korrespondentenbericht von Thielko Grieß: "Wir sind das Volk!" Sind viele von Pegida auch das Volk? Ist das das Volk?
    Schorlemmer: Ja. Das ist der Prozentsatz an Menschen, die wir, glaube ich, in jeder Gesellschaft haben, und leider kommt Nationalistisches und auch Chauvinistisches in mehreren europäischen Ländern wieder hoch. Aber ich finde, dass die Meinungs- und Pressefreiheit in der Tat ein hohes Gut ist. Aber diese Freiheit ist wertegebunden und Hass und Hetze und Lüge und Aufputschung gehören nicht zum demokratischen Verfahren. Und wenn da ein Plakat gezeigt wird, da steht dick drauf "Hochverrat" und darunter ist schablonenartig Angela Merkel zu sehen, das gehört nicht zur Freiheit. Das ist Verunglimpfung, das ist Hass.
    Schorlemmer: Offen über Probleme der Massenzuwanderung reden
    Müller: wir haben vor ein paar Monaten die Worte von Sigmar Gabriel gehört. Das ist alles Pack, davon hat er gesprochen. Dann waren hinterher die Meinungen zumindest in der veröffentlichten Meinung ja sehr divergent. War das jetzt klug, war das politisch klug und clever von Sigmar Gabriel, das jetzt zu sagen? - Nun sind wir ein paar Wochen weiter und jetzt werden die Worte auch wieder schärfer. Pack ist von anderen Politikern jetzt wiederholt worden. Es sind harte Nazis, es sind harte Rechtsradikale, das haben wir von Thomas de Maizière gehört. Ist das jetzt definitiv für Sie auch die Zeit, klare Kante auch rhetorisch zu zeigen?
    Schorlemmer: Ich bin sehr froh über das, was der Justizminister gestern im Fernsehen gesagt hat, wie er sich dem Björn Höcke gegenüber verhalten hat. Das war ja abenteuerlich, was dieser Mann dort in Erfurt erzählte. Und ich glaube auch, dass Thomas de Maizière, ein sehr besonnener Mann, so klar spricht, finde ich auch richtig. Aber was die Regierenden wirklich besser machen müssen ist, dass sie offen darstellen, welche Probleme mit der Massenzuwanderung auf uns zukommen, bei der Verteilung, bei der Begleitung, bei der Versorgung, bei der Integration, und die Flüchtlinge, die nach Deutschland wollen, haben auch zu hohe Erwartungen. Das müssen wir auch klar machen. Aber nun zu behaupten, das sind Leute, die wälzen sich auf ihrer Matratze und werden gewalttätig und vergewaltigen Frauen - was ist denn hier los? Dass so etwas gesagt werden darf, gehört für mich nicht zur Freiheit, sondern ist einfach unanständig und unzivilisiert, und ich denke, dass der liberale und sozial und universell orientierte Teil unserer Gesellschaft muss jetzt Flagge zeigen. Was vielleicht positiv sein könnte, dass sich jetzt wieder mehr Menschen politisieren. Das wäre wichtig.