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Pegida-Demo in Dresden
"Keinen Dialog mit organisierten Neonazis"

Die Pegida-Kundgebungen in Dresden haben weiter Zulauf. Die Organisatoren, die die Ängste der Menschen instrumentalisieren, würden sich als Gesprächspartner ausschließen, sagte Henning Homann, SPD-Politiker im sächsischen Landtag, im DLF. Allerdings müssten die Ängste der Menschen ernst genommen und entkräftet werden.

Henning Homann im Gespräch mit Dirk-Oliver Heckmann |
    Mehrere Pegida-Demonstranten halten ein Banner mit der Aufschrift "Gewaltfrei und vereint gegen Glaubenskriege auf deutschem Boden!"
    In Dresden gingen am Abend 15.000 Menschen auf die Straße um gegen eine Islamisierung Deutschland zu demonstrieren. (imago/Peter Blick)
    Sandra Schulz: Zehntausend Menschen waren in der vergangenen Woche in Dresden auf die Straße gegangen, dem Aufruf der islamfeindlichen Pegida-Bewegung gefolgt. Die Politik ringt um eine Haltung zu dem Bündnis, das auch Rechtsextreme und Hooligans anzieht. Die Kanzlerin geht auf Distanz, wie eben gehört, und warnt, jeder, der mitgehe, der müsse aufpassen, nicht von den Organisatoren instrumentalisiert zu werden. Darum war gestern die spannende Frage: Wie viele gehen in dieser Woche mit? Es sind wieder mehr geworden, geschätzt 15.000.
    Einem ähnlichen Aufruf waren auch in Bonn ein paar Hundert Menschen gefolgt. Das Bündnis dort nennt sich Bogida und in Bonn war das Besondere: Die Gegendemonstration war besser besucht als die eigentliche Kundgebung.
    Aber die in Dresden weiter gewachsenen Demonstrantenzahlen, die zwingen uns dazu, uns weiter mit Pegida zu beschäftigen. Mein Kollege Dirk-Oliver Heckmann hat gestern mit Henning Homann gesprochen, dem stellvertretenden Vorsitzenden der SPD-Fraktion im sächsischen Landtag.
    Dirk-Oliver Heckmann: Ein paar Tausend Leute demonstrieren und die Republik steht Kopf. Ist die Aufmerksamkeit, die Pegida auf sich zieht, noch angemessen?
    Henning Homann: Ich denke, in jedem Fall. Wir haben es hier mit einem offensichtlichen Phänomen zu tun, das wir in der bundesdeutschen Politik vielleicht noch nicht so kennen. Da manifestiert sich etwas, was bisher nur in der Politikwissenschaft in Studien beschrieben wurde, dass es eine sehr verbreitete Ausländerfeindlichkeit bis in die Mitte der Gesellschaft hinein gibt, und diese Ressentiments manifestieren sich in diesen Pegida-Demonstrationen, was es eben so schwer macht, weil es nicht nur Nazis sind, die leicht zu identifizieren wären, sondern weil es auch die besorgte Mutter ist, die Vorurteile hat, aber ganz sicherlich nicht in den rechtsextremen Bereich einzusortieren ist. Und das ist neu und deshalb muss man da genau hingucken.
    Heckmann: Jetzt heißt es ja immer wieder, die Politik habe versäumt, bestimmte Dinge zu erklären, zum Beispiel in der Flüchtlingspolitik. Andererseits ist es so: Wenn am 1. Mai Autonome durch die Straßen Kreuzbergs ziehen, dann sagt auch kein Mensch, die Politik hat Fehler gemacht. Sind wir also zu nachsichtig möglicherweise mit Anhängern rechtspopulistischer Bewegungen?
    Homann: Ohne Frage müssen wir uns den Rechtspopulismus insofern genau angucken, dass er in den meisten Fällen wirklich einen ausländerfeindlichen Kern hat, und auch wenn Positionen vertreten werden, die in Teilen mit anderen durchaus Volksparteien übereinstimmen, muss man gerade an dem Punkt auch immer wieder klar herausstellen, dass sie im Kern immer wieder auf ausländerfeindliche Positionen zurückkommen.
    "Wir müssen ihre Ängste ernst nehmen und versuchen, sie zu entkräften"
    Heckmann: Jetzt ist es ja bekannt, dass ein gewisser Prozentsatz der Bevölkerung ausländerfeindliche Einstellungen hat, ebenso wie ja auch antisemitische Einstellungen. Der Anteil ist gar nicht mal so klein laut Untersuchung. Weshalb sollten wir, wenn es jetzt heißt, man muss den Dialog aufnehmen mit diesen Personen, Verständnis aufbringen für Extremisten aus der Mitte?
    Homann: Jetzt ist die Frage, was sind denn jetzt Extremisten aus der Mitte. Es darf keinen Dialog mit organisierten Neonazis geben. Auch die Organisatoren von Pegida, die ja bewusst die Ängste der Menschen instrumentalisieren, schließen sich eigentlich als Gesprächspartner aus. Ich finde es doch trotzdem wichtig, genau hinzugucken, dass man die besorgten Eltern von Kindern, um deren Ecke eine Asylsuchenden-Unterkunft eröffnet wird, die mit so etwas keine Erfahrung haben, dass man diese Ängste schon ernst nimmt, auch wenn sie irrational sind. Wir erleben das ja jetzt gerade in Dresden, da wird vor Islamisierung gewarnt; in Sachsen gibt es 0,4 Prozent Muslime. Da wird vor Salafisten gewarnt, aber es gab im ganzen letzten Jahr in Dresden drei ausländerextremistische Straftaten. Diese Ängste sind irrational, das müssen wir aber den Leuten erklären. Wir müssen ihre Ängste ernst nehmen und versuchen, sie zu entkräften.
    "Die Politik muss Haltung bewahren"
    Heckmann: Aber wenn Sie sagen, Herr Homann, dass man versuchen müsste, diese Menschen ernst zu nehmen, dann heißt das ja auch oder hat das zur Voraussetzung, dass man sie überhaupt noch erreicht, und man hat doch eher den Eindruck von dem, dass die Menschen, die bei diesen Demonstrationen dabei sind, sich ausgeschlossen fühlen, nicht verstanden fühlen, dass Sie sie von der Politik her gar nicht mehr erreichen können.
    Homann: Das ist eine Sache, über die müssen wir in der Tat reden. Die Studien, die sich mit rechtsextremen Einstellungen in der Mitte der Gesellschaft auseinandersetzen, beschreiben ja auch immer wieder, dass es zunehmend Leute gibt, die sich überhaupt nicht mehr als Teil des politischen Prozesses fühlen. Und ich glaube, da gibt es eine ganze Menge von Schnittmengen. Wir haben das vor vielen Jahren unter dem Thema Prekarisierung diskutiert. Das bedeutet aber auch, dass wir als Politik uns vielleicht überlegen müssen, wie wir unsere Formen der Ansprache verändern. In vielen Stadtteilen finden jetzt sogenannte Einwohnerversammlungen statt. Ich glaube, wir müssen da als Politik stärker hingehen und dort auch Haltung beweisen und den Leuten sagen, ja, wir werden in Sachsen Zuwanderung haben, auch in Zukunft Zuwanderung haben, weil wir Zuwanderung brauchen, und müssen uns dann auch diesen Ängsten stellen. Das heißt, wir können uns nicht wegducken, die Politik muss Haltung bewahren, auch wenn es mal wehtut.
    Pegida und die AfD
    Heckmann: Alexander Gauland war bei der Demonstration dabei, hat sich das angeschaut, wie er sagte. Er hat aber auch gleich dazu gesagt, dass diese Demonstranten natürliche Verbündete der AfD, der Alternative für Deutschland seien. Was halten Sie von der Positionierung der AfD in dem Zusammenhang?
    Homann: Ich glaube, Herr Gauland beschreibt das ganz treffend. Ich glaube, die AfD und Pegida-Demonstrationen, genauso wie diese besorgen Eltern-Demonstrationen, die sich irgendwie gegen Homosexualität und gegen die Gleichstellung von Lebenspartnerschaften organisieren, ich glaube, das sind die Phänomene des gleichen gesellschaftlichen Problems, nämlich dass Ungleichwertigkeitsvorstellungen in der Gesellschaft an Terrain gewinnen, weil Menschen selber Angst um ihren Anteil am Wohlstand in der Gesellschaft haben. Und da kann ich mir vorstellen, dass die AfD natürlich auf Pegida hofft. Man liest auch, heute wurden in einer großen deutschen Tageszeitung die Hintermänner von Pegida vorgestellt. Da war doch ein erstaunlich hoher und auch ein logisch hoher AfD-Wähleranteil dabei. Von daher: Herr Gauland hat das schon gut beurteilt und wir müssen gemeinsam schauen, dass wir dem etwas entgegensetzen.
    Schulz: Henning Homann, der stellvertretende Vorsitzende der SPD-Fraktion im sächsischen Landtag, im Gespräch mit dem Deutschlandfunk. Die Fragen stellte Dirk-Oliver Heckmann.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.