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Pegida
"Die Islamisierung ist voll im Gange"

In Dresden sind vergangenen Montag 18.000 Anhänger von Pegida auf die Straße gegangen. Einer von ihnen ist Martin Lenkeit. Er ist keiner der Organisatoren, hat aber trotzdem im Deutschlandfunk erläutert, warum er die Pegida-Kundgebungen unterstützt.

Martin Lenkeit im Gespräch mit Martin Zagatta |
    Pegida-Demo in Dresden am 15. Dezember 2014
    Pegida-Demo in Dresden am 15. Dezember 2014 (imago stock&people)
    "Ich gehe für meine Enkel auf die Straße", sagte Lenkeit, der Mitglied der AfD ist. Er erklärt seine Teilnahme damit, dass er nicht möchte, dass es in Dresden eines Tages, Zitat "Zustände gibt wie in Berlin-Kreuzberg oder im Ruhrgebiet". Er begründet das mit einer "Islamisierung", die nach seinen Worten "voll im Gange" ist.
    Zum Thema Ausländer sagte Lenkeit, dass er eine gute Nachbarschaft befürwortet. Er habe aber die Sorge, dass man nicht immer unterscheiden könne, wer hierher komme und sich gut integriere - und wer nicht.
    Asylgesetze werden "sehr lax" gehandhabt
    Lenkeit findet, dass die Asylgesetze in Deutschland "nur sehr lax" gehandhabt würden. Er beklagt, es gebe viele Asylbewerber, die eigentlich keine "richtigen" Asylbewerber seien - und auch nicht "zurückgeführt" würden. Dadurch würden in Deutschland Plätze für die "wirklichen" Asylbewerber besetzt.
    Auf die Frage, ob es denn in Dresden im Straßenbild viele Muslime gebe, oder etwa Frauen mit Burka, entgegnete Lenkeit, so viele gebe es nicht. Aber man sehe doch zunehmend Frauen, die verschleiert seien, wenn auch nicht in dem Ausmaß wie im Ruhrgebiet. Er selbst sei in Wuppertal und Solingen gewesen und habe dort beobachtet, "wie unsere Kultur aussehen könnte".
    "Bin der NPD nicht zugetan"
    Lenkeit betonte, er gehe auch nicht wegen des umstrittenen Pegida-Organisators Bachmann in Dresden auf die Straße, "sondern wegen der Probleme, die bei uns im Lande anstehen." Auch sei Bachmann nur einer von zwölf Organisatoren. Lenkeit gab auch an, dass er der NPD "nicht zugetan" sei. Aber bei tausenden Teilnehmern könne man kaum regeln, dass auch Leute mitgingen, die nicht gewollt seien. Auch sei die NPD noch nicht verboten.
    Lenkeit hat sich nach eigener Darstellung über den früheren DDR-Bürgerrechtler Schorlemmer geärgert. Schorlemmer hatte die Verwendung des Slogans "Wir sind das Volk" bei den Pegida-Kundgebungen kritisiert. Lenkeit hat einen Brief an Schorlemmer geschrieben, aus dem er im Interview zitiert. Er schreibt, er habe bei den Protesten gegen das DDR-Regime 1989 sein Leben und das seiner Familie aufs Spiel gesetzt. Laut seiner Stasi-Akte habe er auch zu den Kandidaten für ein Internierungslager gezählt. Er lasse sich das Recht nicht nehmen, auch heute den Slogan "Wir sind das Volk" zu rufen.
    Kontroverse Debatte über Pegida
    Die Pegida-Kundgebungen haben in den vergangenen Wochen in Deutschland für eine lebhafte und kontroverse Debatte gesorgt. Strittig ist dabei vor allem die Frage, ob und wie ein Dialog mit Pegida möglich und sinnvoll wäre.
    Bundeskanzlerin Angela Merkel etwa hat dazu aufgerufen, Pegida nicht zu folgen. Kritiker werfen der Bewegung und insbesondere ihren Organisatoren vor, Ängste zu schüren, etwa gegen Asylbewerber. Zuletzt hatten in mehreren deutschen Städten tausende Menschen gegen Pegida demonstriert, während zu den eigentlichen Pegida-Veranstaltungen nur wenige kamen. Allein in Dresden liegt die Zahl der Pegida-Anhänger bei den Kundgebungen deutlich über jener der Gegner.

    Das Interview in voller Länge:
    Martin Zagatta: Die von Islamisten verübten Morde in Frankreich, die können Experten zufolge dazu führen, dass die Pegida-Demonstration in Dresden am nächsten Montag weiteren Zulauf erhält. Woche für Woche gehen dort ja Tausende auf die Straßen und folgen dem Aufruf der Bewegung, die sich "Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes" nennt. Für Kritiker sind die Proteste eine Schande für Deutschland, andere setzen auf Dialog und raten, die Anliegen der Menschen nicht einfach abzutun, die da Woche für Woche auf die Straße gehen. Was genau treibt die Pegida-Anhänger um? Dieser Frage will ich jetzt nachgehen im Gespräch mit einem Teilnehmer an diesen Demonstrationen. Martin Lenkeit ist am Telefon, er lebt in Dresden, hat lange Zeit als Ingenieur für Kunststofftechnik gearbeitet. Schönen guten Morgen, Herr Lenkeit!
    Martin Lenkeit: Guten Morgen, Herr Zagatta, guten Morgen, liebe Zuhörer!
    Zagatta: Herr Lenkeit, zur Klarstellung für unsere Hörer: Sie gehören nicht zu den Organisatoren, Sie sind kein Sprecher der Pegida-Bewegung, aber Sie demonstrieren mit, Sie nehmen an diesen Protesten teil, und vorneweg sollte ich vielleicht auch noch sagen, dass wir in Kontakt gekommen sind mit Ihnen, weil Sie sich über eines unserer Interviews geärgert haben, in dem der frühere DDR-Bürgerrechtler Schorlemmer der Pegida-Bewegung verübelt hat, dass sie den Sprechchor der DDR-Revolution „Wir sind ein Volk" benutzt. Sie ärgern sich deshalb, weil Sie als DDR-Bürger damals auch schon mit auf der Straße waren. Herr Linkheit, dazu kommen wir auch sicher gleich. Aber können Sie uns vielleicht doch zunächst einmal sagen: Was veranlasst Sie oder was hat Sie veranlasst, zu diesen Pegida-Demonstrationen, zu diesen Protesten zu gehen?
    Lenkeit: Tja, zuerst ist es natürlich: Ich möchte gern für meine Enkel auf die Straße gehen, weil ich befürchte oder auch nicht möchte, dass es in Dresden Zustände gibt wie zum Beispiel in Berlin-Kreuzberg oder im Ruhrgebiet. Und es ist ja zu befürchten, dass durch die allgemeine Islamisierung solche Zustände auch in den Städten oder Orten möglich sind, also auch in Dresden, wo man früher sagte, das Tal der Ahnungslosen, dass also diese Probleme auch hier auftreten können.
    Zagatta: Was meinen Sie mit allgemeiner Islamisierung?
    Lenkeit: Ja, die Islamisierung als solche ist ja im Prinzip schon voll im Gange. Ich erinnere, es gibt zum Beispiel von der kirchlichen Nachrichtenagentur Idea einen Bericht, wo also das eindeutig dargelegt wird, dass also schon eine Islamisierung vonstatten gegangen ist oder vonstatten geht.
    Zagatta: Also den Bericht kenne ich jetzt nicht, aber gibt es Ihnen zu viele Ausländer oder was meinen Sie damit?
    Lenkeit: Nein, wir oder ich persönlich bin also der Meinung, dass wir etwas dafür tun sollten, dass diese Zustände nicht auch bei uns einkehren, dass wir zwar mit unseren Ausländern eine gute Nachbarschaft pflegen, aber natürlich nicht zu solchen Zuständen kommen, wie wir sie dort schon haben beziehungsweise wie sie auch in bestimmten Medien oder Berichten zum Beispiel von Herrn Heinz Buschkowsky beschrieben werden.
    Zagatta: Was meinen Sie da genau? In Berlin gibt es ja diese Demonstrationen in diesem Ausmaß nicht, also die Leute dort scheint es nicht so zu stören, in Köln, da soll jeder zehnte schon Muslim sein und man lebt hier friedlich und ganz vielleicht locker auch miteinander zusammen.
    Lenkeit: Ja, aber wir können ja nun nicht unterscheiden, wer zu uns kommt und wer sich gut integriert und wer nicht, und deswegen sollte also von vornherein auch die Politik dort bessere Möglichkeiten schaffen. Es ist ja bekannt, dass es in Deutschland kein Einwanderungsgesetz bisher gibt und die Asylgesetze nur sehr lax behandelt werden, sodass also, wir kennen die Situation, viele Asylbewerber, die es im Prinzip gar nicht sind, auch nicht wieder zurückgeführt werden und damit Probleme entstehen, unter anderem auch dadurch, dass - ich sage es mal so - die Plätze besetzt sind für die wirklichen Asylbewerber.
    Zagatta: Herr Lenkeit, was man sich ja immer wieder fragt, die Frage wird gestellt: Diese Demonstration ist ja besonders in Dresden so stark, sie hat dort auch ihren Ausgang genommen. Sie haben das von Anfang an, glaube ich, in Dresden miterlebt, Sie leben dort. Haben Sie in Dresden schon mal eine Frau in Burka gesehen, also gibt es da viele Ausländer?
    Lenkeit: Ach, na so viele gibt es nicht, aber man sieht schon zunehmend Frauen verschleiert, aber das ist ja gerade unser Wunsch, dass das nicht in dem Ausmaße hier entsteht wie in anderen Städten oder wie im Ruhrgebiet. Ich selbst war schon im Ruhrgebiet und durfte dort in Wuppertal oder in Solingen sehen, wie unsere Kultur dann aussehen könnte.
    Zagatta: Herr Lenkeit, wenn Sie da auf die Straße gehen - und das muss man ja zugestehen, das sind ja relativ friedliche Demonstrationen -, stört es Sie eigentlich nicht, dass dieser Protest oder dass diese Demonstrationen von jemand wie Lutz Bachmann organisiert werden, der ja mehrfach vorbestraft sein soll, etwa wegen Diebstahls oder schweren Einbrüchen? Stört Sie so was nicht?
    Lenkeit: Nein, und zwar aus einem ganz einfachen Grunde: Ich gehe nicht wegen Herrn Bachmann auf die Straße, sondern wegen der Probleme, die bei uns im Lande anstehen. Ich müsste ja eigentlich auch noch mal klarstellen: Der Herr Bachmann ist nur einer von zwölf Leuten, die also diese Pegida-Demonstrationen organisieren. Die sind alle gleichberechtigt. Nur: Herr Bachmann war derjenige, der sich am Anfang getraut hat, vor Menschen zu reden und deswegen eher in das Rampenlicht geraten ist. Die andere Seite ist natürlich die: Er ist vorbestraft. Aber - und da muss ich in den Raum zurückwerfen eine Gegenfrage: Wie kann es sein, dass in München 12.000 Leute angeblich einem Konstantin Wecker, in Anführungsstrichen, hinterhergelaufen sind, der wegen des gleichen Deliktes genauso vorbestraft ist? Also hier wird scheinbar mit zweierlei Maß gemessen.
    Zagatta: Wegen Drogendelikte.
    Lenkeit: Und auf der anderen Seite könnte man jetzt formulieren: Auf der einen Seite gibt es böse Verbrecher und auf der anderen Seite gibt es gute Verbrecher? So kann es ja wohl doch nicht sein.
    Zagatta: Herr Linkheit, den Unterschied wollen wir nicht machen. Was ein bisschen jetzt auch so anklingt: Bei diesen Demonstrationen wird ja auch sehr viel Medienschelte betrieben. Gehören Sie auch zu denen, die da „Lügenpresse!" brüllen?
    Lenkeit: Ich brülle erstens nicht mit, aber zum anderen ist es ja bekanntlicherweise so, Sie wissen selber: Kürzlich kam ein Bericht über das Vertrauen in die Berichterstattung bei politischen Ereignissen, es war ein Fernsehbericht. Dort ging es zwar hauptsächlich um die Ukraineberichterstattung, aber 63 Prozent der Zuschauer haben wenig oder gar kein Vertrauen mehr in die Medien. Ist das nicht erschreckend? Und deswegen ist dieses Wort "Lügenpresse" zwar nur eine Kurzformulierung, ein Ruf, aber es steckt weitaus mehr dahinter. Und da sollten sich mal alle Medien hinterfragen, ob sie noch dem Volke dienlich arbeiten.
    Zagatta: Sie hören ja den Deutschlandfunk, also ich hoffe, Sie haben nicht diesen Eindruck, aber noch die Frage: Die NPD unterstützt ja die Pegida. Müssten Sie da nicht auf die Distanz gehen? Oder hegen Sie persönlich Sympathien da für rechtsextreme Parteien?
    Lenkeit: Das ist genauso wieder eine Frage. Also ich persönlich hege überhaupt keine, na, wie soll man sagen, ... bin der NPD überhaupt nicht zugetan. Auf der anderen Seite ist es ja so: Wie wollen Sie regeln, dass bei 20.000 Teilnehmern an so einer Demonstration auch Leute dabei sind, die nicht gewollt sind oder eigentlich auch nicht dazugehören? Das können Sie gar nicht regeln und es ist ja auch eine Frage der Demokratie. Wie wollen wir diesen Leuten - auch die NPD ist noch nicht verboten - verwehren, an solchen Demonstrationen teilzunehmen? Das können Sie ganz einfach nicht, und das ist logistisch oder sonstwie nicht zu regulieren. Und demzufolge erübrigt sich eigentlich so eine Frage mittlerweile.
    Zagatta: Herr Lenkeit, in Kontakt gekommen sind wir ja, weil Sie sich geärgert haben über ein Interview, dass ich hier auch mit dem Bürgerrechtler Schorlemmer geführt habe. Da ging es um "Wir sind das Volk!". Können Sie denn nicht nachvollziehen, dass Bürgerrechtler - er ist ja nicht alleine - wie Schorlemmer sich da maßlos ärgern, dass Sie den Slogan der DDR-Revolution 1989 jetzt für sich benutzen oder dass der bei diesen Pegida-Demonstrationen benutzt wird?
    Lenkeit: Darf ich Ihnen an der Stelle einen kurzen Abschnitt vorlesen aus meinem Schreiben an den Herrn Schorlemmer?
    Zagatta: Ganz kurz bitte, weil die Zeit drängt schon ein bisschen.
    Lenkeit: Ja, ja, gut. "Herr Dr. Schorlemmer, wer sind Sie eigentlich, dass Sie so abwertend über Menschen urteilen dürfen? Sind Sie Pfarrer? Ich habe 1989 bei den Auseinandersetzungen, beginnend am 4. Oktober, mein Leben und das meiner Familie riskiert, und das jeden Tag, später dann jeden Montag."
    Zagatta: Also Sie waren damals auch schon bei diesen Demonstrationen dabei?
    Lenkeit: Ja, ja, und zwar an vorderster Front. "Laut meiner Stasi-Akte gehörte ich auch zu den Auserwählten für ein Internierungslager. Erst waren wir nur ein paar Hundert, und dann auch mehrere Tausend, und wir relativ Wenigen haben gerufen: 'Wir sind das Volk!', und die anderen 450.000 bis 500.000 Dresdner sind lieber zu Hause geblieben und haben sich dann später dazugetan, als es ungefährlich wurde. Auch deshalb nehme ich für mich heute in Anspruch, 'Wir sind das Volk!' zu rufen, und das lasse ich mir von niemandem verbieten, auch von Ihnen nicht."
    Zagatta: Herr Lenkeit, Botschaft ist angekommen. Eins wollte ich Sie jetzt noch fragen: Am nächsten Montag, da sollen bei dieser Pegida-Demonstration Trauerbinden auch für die ermordeten Journalisten in Paris getragen werden. Passt das zusammen, da Trauerbinden zu tragen? Viele in Ihrer Menge, Sie wohl nicht, aber viele in Ihrer Menge tragen dann Trauerbinden für Journalisten und rufen gleichzeitig "Lügenpresse"?
    Lenkeit: Erstens mal ist es jedem seine persönliche Sache, ob er eine Trauerbinde anlegt und ob er "Lügenpresse" ruft. Zum anderen ist es also so: Ich darf Sie hier wieder darauf hinweisen, dass es von Pegida zu den Anschlägen in Paris eine kurze Stellungnahme gibt, aus der hervorgeht, dass das zwar möglicherweise zu einem Zulauf führen könnte, aber auf der anderen Seite sich Pegida davon nicht vereinnahmen lassen will, sondern weiterhin ihren Abendspaziergang in ruhiger und in Trauer und Demut geführter Atmosphäre absolvieren will und an die Opfer und die Leute denken möchte, die davon betroffen sind. Wir werden also am Montag wieder spazieren gehen, und zwar schweigend und mit einem Trauerflor, übrigens schweigend geht Pegida immer.
    Zagatta: Martin Lenkeit, einer der Pegida-Anhänger in Dresden, der uns heute Morgen einmal geschildert hat, wie er denkt, was ihn dazu bewegt, an diesen umstrittenen Protesten teilzunehmen. Herr Lenkeit, ich danke Ihnen ganz herzlich dafür!
    Lenkeit: Bitteschön!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.