Die selbst ernannten "Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes" (Pegida) versammelten sich auf dem Theaterplatz vor der Semperoper zu ihrer inzwischen 13. Kundgebung - laut Polizei waren es rund 17.000 Teilnehmer. Auf dem benachbarten Schloßplatz trafen sich rund 5.000 Gegendemonstranten zur Protestaktion "Dresden Nazifrei". Am Montag vor zwei Wochen beteiligten sich nach Polizeiangaben etwa 25.000 Anhänger an einer Pegida-Kundgebung, so viele wie noch nie. In der vergangenen Woche waren alle Veranstaltungen in Dresden verboten worden, weil es eine islamistische Terrordrohung gegen den inzwischen zurückgetretenen Pegida-Chef Lutz Bachmann gibt.
Nun zog Pegida die für Montag angekündigte Kundgebung vor, um, wie es hieß, Zusammenstöße mit Gegendemonstranten zu vermeiden. Vor allem aber ist für diesen Montag unter dem Motto "Offen und bunt - Dresden für alle" ein Konzert des Vereins Dresden Place to be mit Künstlern wie Herbert Grönemeyer angekündigt. Das Konzert richtet sich dezidiert gegen Fremdenfeindlichkeit und für Weltoffenheit und Toleranz. Die Pegida-Organisatoren begründeten die Vorverlegung ihrer Kundgebung damit, dass sich Pegida-Anhänger "dieses kostenlose kulturelle Großerlebnis nicht entgehen lassen müssen".
Der Zentralrat der Juden in Deutschland verurteilt die Pegida-Proteste. "Ich erwarte von jedem, der dort mitläuft, dass er sich bewusst ist, welches Gedankengut dort transportiert wird, und wem er dort folgt", sagte der Zentralrats-Präsident Josef Schuster der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (Montagsausgabe). Ihn stimme es "sehr positiv", wenn spontan für ein offenes Deutschland demonstriert werde, wie die 20.000 Menschen gestern in Freiburg.
"Pegida spricht nicht für Deutschland"
Bundesaußenminister Steinmeier sieht angesichts der andauernden Pegida-Demonstrationen das Ansehen Deutschlands in der Welt beschädigt. "Bei uns wird unterschätzt, welchen Schaden die fremdenfeindlichen und rassistischen Sprüche und Plakate der Pegida schon jetzt angerichtet haben", sagte der SPD-Politiker der "Bild am Sonntag". "Ob wir das wollen oder nicht: Gerade bei diesen Fragen blickt die Welt mit großer Aufmerksamkeit nach Deutschland."
Bei seinen Besuchen im Ausland werde er ständig auf das Thema angesprochen. "In vielen Ländern wird das, was sich auf unseren Straßen abspielt, sehr genau verfolgt. Umso wichtiger ist es, dass wir klar und deutlich sagen: Pegida spricht nicht für Deutschland."
Pegida sei nicht die schweigende Mehrheit, sagte Steinmeier. "Mich nervt diese Attitüde von Pegida, die behauptet, man dürfe in Deutschland nicht alles sagen oder niemand einem würde zuhören." Dies sei nur ein "Vorwand, um mit unsinnigen Formulierungen Ängste zu schüren". Deutschland sei ein weltoffenes Land, "das Anteil nimmt und nicht wegschaut, wenn Millionen Menschen zur Flucht gezwungen werden."
Kritik an SPD-Chef Gabriel
Wie Steinmeier lehnt auch SPD-Chef Sigmar Gabriel einen Dialog mit den Pegida-Verantwortlichen ab. Der Vizekanzler nahm am Freitagabend überraschend an einer Diskussionsveranstaltung mit Anhängern und Gegnern der Pegida-Bewegung in Dresden teil - als "Privatmann", betonte Gabriel. "Ich finde, mit den Menschen müssen wir besser in Kontakt kommen", sagte der Politiker. "Reden ist das Einzige, was man in der Demokratie machen kann."
Gabriels Erscheinen bei der Diskussion in Dresden hatte für Kritik gesorgt, etwa bei den Grünen. Der SPD-Politiker verteidigte seinen Auftritt in "Leipziger Volkszeitung" (Montagsausgabe) mit den Worten "Zuhören schadet auch nicht". Politiker, Medien oder Wirtschaftsvertreter dürfen "nicht glauben, dass unsere 'Elitendialoge' identisch mit den Alltagsdialogen der Menschen sind".
Der Historiker Heinrich August Winkler forderte "eine offensive und keine schönrednerische Auseinandersetzung" mit Pegida. "Wir haben es mit einer Bewegung zu tun, die altdeutsche Vorbehalte gegen die westliche Demokratie in einer Weise konserviert, wie wir es bis zum Herbst 2014 nicht mehr für möglich gehalten haben", sagte er dem "Tagesspiegel am Sonntag".
(sdö/sima)