Dirk Müller: Es gibt angenehme und unangenehme Themen für Angela Merkel bei ihrem Besuch in China, der heute offiziell beginnt. Zu den angenehmen dürften die Wirtschaftsbeziehungen zwischen Berlin und Peking gehören; diese sind auf einem guten Weg, könnten aber noch besser werden, hofft jedenfalls die Kanzlerin. Zu den weniger angenehmen Themen gehören die Euro-Krise, dann der Iran, Syrien und die Menschenrechte samt Tibet. Was kann, was will die deutsche Regierungschefin im Reich der Mitte erreichen? - Darüber sprechen wir nun mit Professor Eberhard Sandschneider, Forschungsdirektor bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik. Guten Morgen.
Eberhard Sandschneider: Schönen guten Morgen.
Müller: Herr Sandschneider, Angela Merkel in China - ist das inzwischen ein Besuch unter Partnern?
Sandschneider: Ja, ich glaube, das kann man schon so sagen. Es ist der fünfte China-Besuch der Kanzlerin und sie fährt mittlerweile ja auch auf der Grundlage einer festen institutionellen Vereinbarung, nämlich die bilateralen Beziehungen in Form von Regierungskonsultationen zu gestalten. Das tut Deutschland nur mit ganz wenigen, mit ausgesuchten Partnern. Das haben wir 1962 ursprünglich einmal mit Frankreich begonnen. Also das zeigt, da hat sich manches verstetigt, auch institutionalisiert und ist zum Teil selbstständig geworden. Im Übrigen: Mittlerweile kennt man sich natürlich aus den vielfältigen Besuchen, natürlich auch persönlich ganz gut. Das hilft auch der Außenpolitik.
Müller: Wie ist das Image der Kanzlerin?
Sandschneider: Na ja, sie gilt in China als die starke Frau Europas - wahrscheinlich nicht ganz zu Unrecht -, und bei allen ursprünglichen Zögerlichkeiten, die es gegeben hat, was ihre Einstellung zu China angeht, hat sich das bilaterale Verhältnis doch deutlich normalisiert, auch in den sensitiven Fragen, die Sie vorhin angesprochen haben. Insofern ist das Image der Kanzlerin in China sicherlich gut.
Müller: Reden wir über den Handel, reden wir über die Wirtschaft. Wenn wir das richtig recherchiert haben, ist China inzwischen der zweitwichtigste Exportmarkt für die deutsche Wirtschaft. Soll das so weitergehen?
Sandschneider: Das wird vermutlich so weitergehen, zumindest ist das auch die Erwartung der deutschen Unternehmen, die auf dem chinesischen Markt besonders aktiv sind. Nehmen Sie beispielsweise den Fall BMW: Die Firma hat im letzten Jahr stolze 37 Prozent Umsatzzuwachs vermeldet auf dem chinesischen Markt. Es gibt wenig Märkte auf der Welt, von denen deutsche Unternehmen das sagen können. Und dieses Wachstum hat man natürlich aus unternehmerischer Sicht im Blick, wenn man nach China schaut. Insofern steht schon zu erwarten, dass bei allen Abhängigkeiten, die dann natürlich auch entstehen, das Interesse am chinesischen Markt sehr, sehr groß bleibt.
Müller: Für China wiederum ist Deutschland die Nummer vier. Wird China weiterhin versuchen, besonders auch Europa, besonders auch Deutschland mit in den Fokus zu nehmen?
Sandschneider: Ja und nein. Die chinesische Strategie ist natürlich zunächst einmal eine globale. Und wenn man aus chinesischer Sicht nach Europa schaut, dann schaut man zunächst nach Deutschland. Das hat mit den Handelsbeziehungen zu tun, das hat natürlich auch damit zu tun, dass man das deutsche Gewicht innerhalb der Europäischen Union sieht, das hat letztendlich auch mit Technologien zu tun, über die deutsche Unternehmen immer noch verfügen und die für China ausgesprochen interessant sind. Also wenn China sich auf Europa orientiert, dann schon primär nach Deutschland.
Müller: Aber es soll ja, Herr Sandschneider, nicht alles Gold sein, was glänzt. Es gibt immer noch Handelsbeschränkungen, gerade für Hightech-Exporte, beispielsweise von Europa, von Deutschland nach China. Wird sich dort Peking in irgendeiner Form bewegen?
Sandschneider: Langsam und immer dann, wenn Peking glaubt, dass es seinen eigenen Interessen dient. Das ist etwas - man kann es vielleicht als Pragmatismus bezeichnen -, was wir seit Jahren beobachten. Die Chinesen sind mittlerweile stark genug, auch selbstbewusst genug, auf Druck von außen, auf die schlichte Anmahnung von Problemen nicht ohne Weiteres zu reagieren, es sei denn, sie können das alles selbst zu ihrem Vorteil ummünzen. Wenn dieser Punkt erreicht ist, werden sie das tun. Gerade in der Frage der Handelsbeschränkungen versucht China, natürlich massiv die eigenen Unternehmen in China vor unliebsamer internationaler Konkurrenz zu schützen. Gleichzeitig drängt es seine Unternehmen dazu, global wettbewerbsfähig zu werden, und immer wenn der Punkt erreicht ist, dass ein solches Unternehmen die Wettbewerbsfähigkeit erreicht, werden solche Handelsbeschränkungen fallen - nicht früher. Da macht auch der Besuch einer Kanzlerin im Wesentlichen keinen Unterschied.
Müller: Wir haben in den zurückliegenden Jahren hier im Deutschlandfunk auch mit Ihnen ganz häufig über das Thema Raubkopien beispielsweise geredet. Da ging es ja auch um das Kopieren von Patentrechten und so weiter. Ist das Thema immer noch virulent?
Sandschneider: Ja natürlich ist es noch virulent. Es wird nicht mehr ganz so politisch prominent diskutiert, wie das noch vor geraumer Zeit der Fall war. Aber für Unternehmen ist es immer noch eine der wichtigsten Herausforderungen, wenn sie sich entschließen, auf den chinesischen Markt zu gehen. Wer von Technologie abhängt und unvorsichtige Schritte nach China macht, der ist schnell auch letztendlich in seinem Bestand gefährdet, wenn es ein Mittelständler ist, beispielsweise, der Technologie braucht, um seine Marktposition zu behaupten. Das bleibt nach wie vor schwierig, auch wenn die Situation sich ganz langsam verbessert.
Müller: Jetzt wollen wir, die Deutschen, die Europäer, dass uns China bei der Eurokrise hilft. Ist das naiv?
Sandschneider: Ja das ist zumindest, wenn man so möchte, ein Treppenwitz der Weltgeschichte, dass die westlichen kapitalistischen Staaten ausgerechnet auf die finanzielle Hilfe eines der letzten kommunistischen Systeme angewiesen sind, um ihre Finanzordnung stabil zu halten. Naiv ist das wahrscheinlich tatsächlich doch nicht, denn Chinas Interesse, mit seinen gewaltigen Devisenreserven tatsächlich auch politischen Einfluss aufzubauen zum einen, zum anderen aber auch schlicht und ergreifend nach Rendite, einträglicher Rendite zu suchen, ist eine Seite der Medaille. Die andere Seite: China hat - wir wissen nicht genau, in welchem Umfang - doch schon erheblich auch in den Euro investiert. Insofern hat das Land auch ein gewaltiges Interesse daran, dass der Euro als Währung stabil bleibt, und wird schon von daher helfen, wo es kann, unabhängig davon, dass man aus Pekinger Sicht an solche Hilfen mittlerweile natürlich auch politische Bedingungen knüpft.
Müller: Welche sind das?
Sandschneider: Das sind im Wesentlichen zwei, die eigentlich seit vielen Jahren immer wieder in den bilateralen Beziehungen als Klage von der chinesischen Seite vorgetragen werden: die Verleihung des Marktwirtschaftsstatus', die im Jahre 2016 im Rahmen des WTO-Beitrittes Chinas ohnehin erfolgen wird. Die möchte man natürlich früher haben, weil man sich daraus Vorteile in diversen Handelsstreitigkeiten verspricht. Und dann gibt es das für die Europäer sicherlich sehr, sehr leidige, wenn auch nur symbolisches Thema des Waffenembargos, das aus chinesischer Sicht auch immer wieder auf den Tisch gelegt wird.
Müller: ... spielt auch bei Iran und Syrien eine Rolle. Die Rolle Chinas ist nach wie vor umstritten, viele sagen, sie ist kontraproduktiv, sie ist destruktiv. Wird sich Peking dort bewegen können?
Sandschneider: Vermutlich nicht. Das Grundproblem ist nicht nur die Tatsache, dass China auch mit diesen Staaten sehr enge wirtschaftliche und vor allen Dingen auf Ressourcen bezogene Beziehungen hat. Gerade auch nach der Libyen-Entscheidung, wo China etwas freundlich gegenüber dem Westen war und hinterher den Eindruck gewinnen musste, dass es sich die Finger verbrannt hat, gerade dieses Beispiel hat gezeigt, wie vorsichtig die Chinesen daran gehen, solche Zugeständnisse an westliche Aktivitäten zu machen. Insofern darf man sich nicht wundern, wenn die negativen Effekte auch der Libyen-Entscheidung zu einem etwas störrischen Verhalten Chinas auf internationaler Ebene, wenn es an die beiden anderen genannten Fälle geht, führen.
Müller: In diesem Jahr, Herr Sandschneider, steht ja ein Generationenwechsel an in der politischen Führung in Peking. Wird das etwas ändern?
Sandschneider: Ja das wissen wir noch nicht. Wir wissen ja noch nicht einmal genau, wie dieser Personenwechsel aussieht. An dieser Stelle ist China immer noch ein kommunistisches System, das erst am Ende eines solchen Prozesses verrät, was wirklich rausgekommen ist. Der ständige Ausschuss des Politbüros - das ist das entscheidende machtpolitische Gremium in China - hat neun Mitglieder derzeit. Wir wissen, dass sieben ausgetauscht werden. Also das ist schon ein mächtiger, praktisch, Generationenwechsel in der chinesischen Führung. Wir wissen nicht genau, welche Kandidaten sich da durchsetzen werden, und vor allen Dingen haben wir keine Garantie, dass der Mechanismus, der in der Vergangenheit funktioniert hat - die chinesische Führung ist pragmatisch und macht keine wesentlichen Fehler, auch in der Gestaltung ihrer Innenpolitik -, dass dieser Mechanismus auch in Zukunft passiert. Wie man am Beispiel Nordafrikas gesehen hat, können manchmal winzige Ereignisse an dieser Stelle gewaltige Effekte haben, und China hat gewaltige Probleme, insbesondere im sozialen und wirtschaftlichen Bereich.
Müller: Jüngere Kräfte stehen also nicht automatisch für liberalere Kräfte?
Sandschneider: Nein! Das kann man so mit Sicherheit im Falle Chinas nicht sagen. Die "Kräfte", die in China am Ende dieses Jahres an die Macht kommen, sind sorgfältig beobachtet worden über Jahre, sie sind gepflegt worden, sie sind vorbereitet worden, sie sind innerhalb der chinesischen Elite sicherlich sehr viel besser bekannt als noch nach außen, und ich glaube nicht, dass man da irgendwelche abenteuerlichen Figuren auch nur in die Nähe der Macht lässt, bevor man sicher ist, dass die eine pragmatische und im Sinne der alten Elite auch fortsetzende Politik betreiben.
Müller: Bei uns heute Morgen im Deutschlandfunk Professor Eberhard Sandschneider, Forschungsdirektor bei der Deutschen Gesellschaft für auswärtige Politik. Vielen Dank für das Gespräch und auf Wiederhören.
Sandschneider: Bitte sehr!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Eberhard Sandschneider: Schönen guten Morgen.
Müller: Herr Sandschneider, Angela Merkel in China - ist das inzwischen ein Besuch unter Partnern?
Sandschneider: Ja, ich glaube, das kann man schon so sagen. Es ist der fünfte China-Besuch der Kanzlerin und sie fährt mittlerweile ja auch auf der Grundlage einer festen institutionellen Vereinbarung, nämlich die bilateralen Beziehungen in Form von Regierungskonsultationen zu gestalten. Das tut Deutschland nur mit ganz wenigen, mit ausgesuchten Partnern. Das haben wir 1962 ursprünglich einmal mit Frankreich begonnen. Also das zeigt, da hat sich manches verstetigt, auch institutionalisiert und ist zum Teil selbstständig geworden. Im Übrigen: Mittlerweile kennt man sich natürlich aus den vielfältigen Besuchen, natürlich auch persönlich ganz gut. Das hilft auch der Außenpolitik.
Müller: Wie ist das Image der Kanzlerin?
Sandschneider: Na ja, sie gilt in China als die starke Frau Europas - wahrscheinlich nicht ganz zu Unrecht -, und bei allen ursprünglichen Zögerlichkeiten, die es gegeben hat, was ihre Einstellung zu China angeht, hat sich das bilaterale Verhältnis doch deutlich normalisiert, auch in den sensitiven Fragen, die Sie vorhin angesprochen haben. Insofern ist das Image der Kanzlerin in China sicherlich gut.
Müller: Reden wir über den Handel, reden wir über die Wirtschaft. Wenn wir das richtig recherchiert haben, ist China inzwischen der zweitwichtigste Exportmarkt für die deutsche Wirtschaft. Soll das so weitergehen?
Sandschneider: Das wird vermutlich so weitergehen, zumindest ist das auch die Erwartung der deutschen Unternehmen, die auf dem chinesischen Markt besonders aktiv sind. Nehmen Sie beispielsweise den Fall BMW: Die Firma hat im letzten Jahr stolze 37 Prozent Umsatzzuwachs vermeldet auf dem chinesischen Markt. Es gibt wenig Märkte auf der Welt, von denen deutsche Unternehmen das sagen können. Und dieses Wachstum hat man natürlich aus unternehmerischer Sicht im Blick, wenn man nach China schaut. Insofern steht schon zu erwarten, dass bei allen Abhängigkeiten, die dann natürlich auch entstehen, das Interesse am chinesischen Markt sehr, sehr groß bleibt.
Müller: Für China wiederum ist Deutschland die Nummer vier. Wird China weiterhin versuchen, besonders auch Europa, besonders auch Deutschland mit in den Fokus zu nehmen?
Sandschneider: Ja und nein. Die chinesische Strategie ist natürlich zunächst einmal eine globale. Und wenn man aus chinesischer Sicht nach Europa schaut, dann schaut man zunächst nach Deutschland. Das hat mit den Handelsbeziehungen zu tun, das hat natürlich auch damit zu tun, dass man das deutsche Gewicht innerhalb der Europäischen Union sieht, das hat letztendlich auch mit Technologien zu tun, über die deutsche Unternehmen immer noch verfügen und die für China ausgesprochen interessant sind. Also wenn China sich auf Europa orientiert, dann schon primär nach Deutschland.
Müller: Aber es soll ja, Herr Sandschneider, nicht alles Gold sein, was glänzt. Es gibt immer noch Handelsbeschränkungen, gerade für Hightech-Exporte, beispielsweise von Europa, von Deutschland nach China. Wird sich dort Peking in irgendeiner Form bewegen?
Sandschneider: Langsam und immer dann, wenn Peking glaubt, dass es seinen eigenen Interessen dient. Das ist etwas - man kann es vielleicht als Pragmatismus bezeichnen -, was wir seit Jahren beobachten. Die Chinesen sind mittlerweile stark genug, auch selbstbewusst genug, auf Druck von außen, auf die schlichte Anmahnung von Problemen nicht ohne Weiteres zu reagieren, es sei denn, sie können das alles selbst zu ihrem Vorteil ummünzen. Wenn dieser Punkt erreicht ist, werden sie das tun. Gerade in der Frage der Handelsbeschränkungen versucht China, natürlich massiv die eigenen Unternehmen in China vor unliebsamer internationaler Konkurrenz zu schützen. Gleichzeitig drängt es seine Unternehmen dazu, global wettbewerbsfähig zu werden, und immer wenn der Punkt erreicht ist, dass ein solches Unternehmen die Wettbewerbsfähigkeit erreicht, werden solche Handelsbeschränkungen fallen - nicht früher. Da macht auch der Besuch einer Kanzlerin im Wesentlichen keinen Unterschied.
Müller: Wir haben in den zurückliegenden Jahren hier im Deutschlandfunk auch mit Ihnen ganz häufig über das Thema Raubkopien beispielsweise geredet. Da ging es ja auch um das Kopieren von Patentrechten und so weiter. Ist das Thema immer noch virulent?
Sandschneider: Ja natürlich ist es noch virulent. Es wird nicht mehr ganz so politisch prominent diskutiert, wie das noch vor geraumer Zeit der Fall war. Aber für Unternehmen ist es immer noch eine der wichtigsten Herausforderungen, wenn sie sich entschließen, auf den chinesischen Markt zu gehen. Wer von Technologie abhängt und unvorsichtige Schritte nach China macht, der ist schnell auch letztendlich in seinem Bestand gefährdet, wenn es ein Mittelständler ist, beispielsweise, der Technologie braucht, um seine Marktposition zu behaupten. Das bleibt nach wie vor schwierig, auch wenn die Situation sich ganz langsam verbessert.
Müller: Jetzt wollen wir, die Deutschen, die Europäer, dass uns China bei der Eurokrise hilft. Ist das naiv?
Sandschneider: Ja das ist zumindest, wenn man so möchte, ein Treppenwitz der Weltgeschichte, dass die westlichen kapitalistischen Staaten ausgerechnet auf die finanzielle Hilfe eines der letzten kommunistischen Systeme angewiesen sind, um ihre Finanzordnung stabil zu halten. Naiv ist das wahrscheinlich tatsächlich doch nicht, denn Chinas Interesse, mit seinen gewaltigen Devisenreserven tatsächlich auch politischen Einfluss aufzubauen zum einen, zum anderen aber auch schlicht und ergreifend nach Rendite, einträglicher Rendite zu suchen, ist eine Seite der Medaille. Die andere Seite: China hat - wir wissen nicht genau, in welchem Umfang - doch schon erheblich auch in den Euro investiert. Insofern hat das Land auch ein gewaltiges Interesse daran, dass der Euro als Währung stabil bleibt, und wird schon von daher helfen, wo es kann, unabhängig davon, dass man aus Pekinger Sicht an solche Hilfen mittlerweile natürlich auch politische Bedingungen knüpft.
Müller: Welche sind das?
Sandschneider: Das sind im Wesentlichen zwei, die eigentlich seit vielen Jahren immer wieder in den bilateralen Beziehungen als Klage von der chinesischen Seite vorgetragen werden: die Verleihung des Marktwirtschaftsstatus', die im Jahre 2016 im Rahmen des WTO-Beitrittes Chinas ohnehin erfolgen wird. Die möchte man natürlich früher haben, weil man sich daraus Vorteile in diversen Handelsstreitigkeiten verspricht. Und dann gibt es das für die Europäer sicherlich sehr, sehr leidige, wenn auch nur symbolisches Thema des Waffenembargos, das aus chinesischer Sicht auch immer wieder auf den Tisch gelegt wird.
Müller: ... spielt auch bei Iran und Syrien eine Rolle. Die Rolle Chinas ist nach wie vor umstritten, viele sagen, sie ist kontraproduktiv, sie ist destruktiv. Wird sich Peking dort bewegen können?
Sandschneider: Vermutlich nicht. Das Grundproblem ist nicht nur die Tatsache, dass China auch mit diesen Staaten sehr enge wirtschaftliche und vor allen Dingen auf Ressourcen bezogene Beziehungen hat. Gerade auch nach der Libyen-Entscheidung, wo China etwas freundlich gegenüber dem Westen war und hinterher den Eindruck gewinnen musste, dass es sich die Finger verbrannt hat, gerade dieses Beispiel hat gezeigt, wie vorsichtig die Chinesen daran gehen, solche Zugeständnisse an westliche Aktivitäten zu machen. Insofern darf man sich nicht wundern, wenn die negativen Effekte auch der Libyen-Entscheidung zu einem etwas störrischen Verhalten Chinas auf internationaler Ebene, wenn es an die beiden anderen genannten Fälle geht, führen.
Müller: In diesem Jahr, Herr Sandschneider, steht ja ein Generationenwechsel an in der politischen Führung in Peking. Wird das etwas ändern?
Sandschneider: Ja das wissen wir noch nicht. Wir wissen ja noch nicht einmal genau, wie dieser Personenwechsel aussieht. An dieser Stelle ist China immer noch ein kommunistisches System, das erst am Ende eines solchen Prozesses verrät, was wirklich rausgekommen ist. Der ständige Ausschuss des Politbüros - das ist das entscheidende machtpolitische Gremium in China - hat neun Mitglieder derzeit. Wir wissen, dass sieben ausgetauscht werden. Also das ist schon ein mächtiger, praktisch, Generationenwechsel in der chinesischen Führung. Wir wissen nicht genau, welche Kandidaten sich da durchsetzen werden, und vor allen Dingen haben wir keine Garantie, dass der Mechanismus, der in der Vergangenheit funktioniert hat - die chinesische Führung ist pragmatisch und macht keine wesentlichen Fehler, auch in der Gestaltung ihrer Innenpolitik -, dass dieser Mechanismus auch in Zukunft passiert. Wie man am Beispiel Nordafrikas gesehen hat, können manchmal winzige Ereignisse an dieser Stelle gewaltige Effekte haben, und China hat gewaltige Probleme, insbesondere im sozialen und wirtschaftlichen Bereich.
Müller: Jüngere Kräfte stehen also nicht automatisch für liberalere Kräfte?
Sandschneider: Nein! Das kann man so mit Sicherheit im Falle Chinas nicht sagen. Die "Kräfte", die in China am Ende dieses Jahres an die Macht kommen, sind sorgfältig beobachtet worden über Jahre, sie sind gepflegt worden, sie sind vorbereitet worden, sie sind innerhalb der chinesischen Elite sicherlich sehr viel besser bekannt als noch nach außen, und ich glaube nicht, dass man da irgendwelche abenteuerlichen Figuren auch nur in die Nähe der Macht lässt, bevor man sicher ist, dass die eine pragmatische und im Sinne der alten Elite auch fortsetzende Politik betreiben.
Müller: Bei uns heute Morgen im Deutschlandfunk Professor Eberhard Sandschneider, Forschungsdirektor bei der Deutschen Gesellschaft für auswärtige Politik. Vielen Dank für das Gespräch und auf Wiederhören.
Sandschneider: Bitte sehr!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.