"Ich habe eine Idee! Ein Dinner-Club – Männer und Frauen von Ansehen. Dienstags Dinner um 8 Uhr abends im Restaurant Florence." - So spontan soll Catherine Amy Dawson-Scott auf die Idee gekommen sein, einen Literatenclub zu gründen. Die englische Schriftstellerin hatte bereits einen Verein zur Förderung junger Autorinnen und Autoren ins Leben gerufen, ihr neues Vorhaben stieß in der Londoner Literaturszene sofort auf Begeisterung: Am 5. Oktober 1921 trafen sich 44 Autoren und Autorinnen zur Gründung des P.E.N. – das Kürzel stand für die verschiedenen Literaturgattungen. Dawson-Scott schwebte von Anfang an ein internationaler Club vor, der nach dem Ersten Weltkrieg der Völkerverständigung dienen sollte, wie sie 1926 in Berlin erklärte.
Ein Versöhnungssignal nach dem Ersten Weltkrieg
1922 entstand in Frankreich das erste ausländische PEN-Zentrum, mit dem Kongress in New York 1924 begann die Tradition jährlich wechselnder Tagungsorte. Dass bereits 1926 ein Kongress in Berlin stattfinden konnte, war ein wirkungsvolles Versöhnungssignal - es war das erste große internationale Treffen in Deutschland nach dem Krieg. Aber dafür gab es hier auch die schärfste Kritik am PEN, den junge Autoren wie Alfred Döblin als elitär-konservativ brandmarkten:
"Ich erwarte von der Tagung des PEN-Clubs gar nichts. Die deutsche Gruppe ist absolut nicht die Vertreterin der deutschen Geistigkeit, die kriegsgegnerische und junge Dichtergeneration ist nicht vertreten."
Von Beginn Streit um politische Positionierung
Aber am meisten störte die jungen Autoren die vom ersten PEN-Präsidenten John Galsworthy postulierte Maxime, der PEN müsse unpolitisch sein. Doch diese Linie war spätestens 1933 unrealistisch - auf dem Kongress in Ragusa gab sein Nachfolger im Präsidentenamt, H.G. Wells, dem deutschen Emigranten Ernst Toller Gelegenheit, eine flammende Rede gegen die Nazis zu halten. Eine politische Positionierung, die umstritten war: Neben der gleichgeschalteten deutschen Delegation verließen auch andere aus Protest den Saal. Ein Jahr später gründete sich in London der deutsche Exil-PEN.
"Und die haben dann versucht, Schriftsteller freizubekommen, sie auf sicheren Transitwegen ins Ausland zu schaffen. Und von da ab ist der deutsche PEN und der internationale PEN nie mehr unpolitisch gewesen, das war ein Erweckungserlebnis."
So Johano Strasser - von 2002 bis 2013 Präsident des deutschen PEN-Zentrums. Aber in der verschärften Krisenlage Ende der Dreißigerjahre verstummte der PEN weitgehend. Der erste Nachkriegskongress 1946 verabschiedete als Lehre aus Krieg und Faschismus Grundsätze gegen Völker- und Rassenhass. Im Kalten Krieg verschoben sich jedoch die Prioritäten des PEN. Stand vorher der Völkerfrieden im Zentrum, kamen nun stärker die Verhältnisse innerhalb der Staaten in den Blick, so Johano Strasser:
"Weil in der Sowjetunion und in den von ihr abhängigen Staaten wurde ja die Meinungsfreiheit immer mehr unterdrückt, und dann hatte man es in der Dritten Welt zu tun mit autoritären Regimen, dort gab es Schriftsteller, die man unterstützen musste."
Bölls politische Lesart der PEN-Charta
1960 wurde das Writers-in-Prison-Komitee zur Unterstützung verfolgter Schriftsteller gegründet. In den Sechzigerjahren begann der PEN auch Verstöße gegen die Meinungsfreiheit im Westen anzuprangern. Diesen kritischen Kurs forcierte ab 1971 PEN-Präsident Heinrich Böll mit seiner politischen Interpretation der PEN-Charta:
"Ich glaube, wenn man sich die Charta anguckt, entdeckt man kaum literarische Anleitungen oder die Aufforderung zu literarischen Gesprächen. Die Charta verpflichtet jedes Mitglied, gegen Zensur, gegen Rassenhass, gegen Nationalismus aufzutreten, und ich sehe darin fast rein politische Aufgaben."
"Unterhalb der Wahrnehmungsschwelle"
In den letzten Jahrzehnten ist oft kritisiert worden, der PEN werde als kritische Stimme nicht mehr wahrgenommen. Dazu Johano Strasser:
"Ein Großteil der Arbeit, die der PEN macht, rutscht unterhalb der Wahrnehmungsschwelle durch. Es ist so viel Kleinkram, von uns aus gesehen Kleinkram, für die Empfänger ist das alles oder nichts."
Etwa finanziell dotierte Preise für bedrängte Autoren. Und die Exil-Zentren bieten Dissidenten eine öffentliche Plattform. Der Umgang mit den offiziellen PEN-Zentren autoritärer Regime ist dagegen immer eine Gratwanderung. Aber der Club kann Konkretes bewirken: 1999 hat das deutsche PEN-Zentrum das Writers-in-Exile-Programm gestartet, das Schriftstellern im Exil eine Existenz in Deutschland ermöglicht.