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Pentagon und Kanada
Flugzeug im Iran vermutlich abgeschossen

Nach dem Absturz einer ukrainischen Passagiermaschine bei Teheran geht die kanadische Regierung von einem Abschuss durch den Iran aus. Laut Geheimdienstinformationen mutmaßlich von einer iranischen Boden-Luft-Rakete. Teheran weist diese Vorwürfe zurück, will nun aber internationale Untersuchungen zulassen.

Von Thilo Kößler |
Canadian Prime Minister Justin Trudeau speaks during a news conference on January 9, 2020 in Ottawa, Canada.
Bei dem Absturz nahe Teheran kamen alle 176 Insassen ums Leben. (picture alliance / Dave Chan )
Der kanadische Premier Justin Trudeau sprach von einer Tragödie, die nicht nur Kanada in Schock versetze, sondern die ganze Welt. Er müsse sich an die Öffentlichkeit wenden, sagte Trudeau sichtlich bewegt, weil Informationen der eigenen Geheimdienste, aber auch der Verbündeten, den Verdacht nahelegten, dass die Maschine von einer iranischen Boden-Luft-Rakete abgeschossen wurde.
Umfassende Untersuchung gefordert
Dabei sei nicht auszuschließen, dass es sich um ein Versehen gehandelt haben könnte. Deshalb müsse eine umfassende und gründliche Untersuchung die Ursachen dieser Katastrophe lückenlos aufklären. Trudeau forderte von der iranischen Regierung den ungehinderten Zugang zu allen Informationen und die umfassende Beteiligung an den Untersuchungen.
Proteste am 5. Januar 2020 vor dem US-Konsulat in Istanbul, Türkei. Demonstranten zeigen Poster mit US-Präsident Donald Trump und dem getöteten iranischen General Soleimani.
Der Iran-Irak-USA-Konflikt
Das Verhältnis zwischen beiden Ländern ist aber weiter angespannt. Was der Tod Ghassem Soleimanis für den Iran bedeutet, welche Rolle das Atomabkommen spielt und welchen Einfluss Europa hat – ein Überblick.
Außenminister Heiko Maas in Brüssel
EU-Außenministertreffen: Optionen bei der Suche nach Lösungen
Beim Treffen der EU-Außenminister in Brüssel geht es vor allem um den aktuellen Konflikt am Persischen Golf. Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen pocht auf Diplomatie – und ein Kernanliegen: die Wiederbelebung des Atomabkommens. Kritiker setzen auf die Reaktivierung des Handels.
Portrait des Politikers Omid Nouripour (Grüne) während der Bundespressekonferenz zum Thema Iran-Abkommen, 2018 in Berlin.
"Krisendiplomatie jetzt hochfahren"
Das Treffen der EU-Außenminister zum Iran-USA-Konflikt hätte sich Omid Nouripour (Grüne) früher gewünscht. Er kritisierte, dass bislang kein europäischer Außenminister vor Ort gewesen sei, um mit den Saudis zu sprechen. Ihre Rhetorik sei derzeit deeskalierend und konstruktiv, sagte er im Dlf.
Irans Außenminister Sarif habe sich bereits auf einen engen Dialog mit der kanadischen Regierung verpflichtet, sagte Trudeau. Allerdings werde es der Iran nicht zulassen, die Blackboxes mit allen Informationen über das Geschehen aus der Hand zu geben, teilte Trudeau mit. Den ukrainischen Ermittlern sei jedoch der Zugang zu den Flugschreibern zugesagt worden. Trudeau versprach den Angehörigen, nicht zu ruhen, bis das schreckliche Geschehen in allen Einzelheiten aufgeklärt sei.
Auch Trump vermutet Absturz
Für den Iran bedeutet diese Entwicklung eine erneute politische Belastungsprobe. Jedoch werden auch Fragen laut, ob das Geschehen nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit der extralegalen Tötung des iranischen Generals Kassem Sulaimani durch die Trump-Administration stehe. Justin Trudeau wich dieser Frage nach der Mitverantwortung der USA aus, indem er erklärte, für derartige Rückschlüsse und Einschätzungen sei es noch zu früh.
Rettungskräfte tragen die sterblichen Überreste eines Absturzopfers einer ukrainischen Passagiermaschine an der Absturzstelle in einem Leichensack.
Bei dem Absturz nahe Teheran kamen alle 176 Insassen ums Leben. (Mahmoud Hosseini/dpa)
Nur wenige Stunden vor dem öffentlichen Auftritt des kanadischen Premiers hatte US-Präsident Trump erste Verdachtsmomente geäußert. Er glaube nicht an technisches Versagen – eher an einen verhängnisvollen Fehler auf iranischer Seite, erklärte er im Weißen Haus. Das Flugzeug habe sich in einer ziemlich rauen Umgebung bewegt, so Trump wörtlich.
Trump muss sich mit dem Kongress auseinandersetzen
Trump steht wegen seines Vorgehens im Iran auch innenpolitisch in der Kritik. Selbst zwei republikanische Senatoren kritisierten den Präsidenten für den Anschlag auf Sulaimani und die gefährliche Eskalation am Golf. Den Kongress nicht zu informieren und eine Diskussion über die Angemessenheit der militärischen Intervention im Iran zu unterbinden, sei unamerikanisch, mit der Verfassung nicht zu vereinbaren und schlichtweg falsch, klagte der republikanische Senator Mike Lee.
Die Demokraten wollen deshalb dem Präsidenten beim militärischen Vorgehen gegen den Iran Grenzen setzen. Die Resolution dürfte aber an der republikanischen Mehrheit im Senat scheitern.