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Per Express zum Mars

Ende August war der Nachbarplanet Mars der Erde so nah wie seit 60.000 Jahren nicht mehr. Eine günstige Gelegenheit für den "Mars Express" der europäischen Raumfahrtagentur ESA, den roten Planeten auf kurzem Weg zu erreichen. "Mars Express" hat seine 400 Millionen km lange Reise nun hinter sich. Am 19. Dezember soll die Muttersonde das Landekapsel Beagle 2, mit dem es seit dem Start am 2. Juni verbunden ist, ausklinken, die auf der Marsoberfläche Experimente durchführen soll.

Von Dirk Lorenzen | 21.12.2003
    Die Kapsel heißt "Beagle-2" - in Anspielung an das Expeditionsschiff von Charles Darwin. Kernfrage: Gab es einmal Leben auf Mars - oder gibt es sogar heute noch primitives Leben auf dem roten Planeten? In den letzten Jahren haben Raumsonden große Mengen an Wassereis im Marsboden entdeckt. Mit einem speziellen "Maulwurf" gräbt Beagle-2 bis zu zwei Meter tief in den Marssand und untersucht die Bodenproben auf Hinweise auf Leben. Kleine grüne Männchen wird die Sonde nicht entdecken, vielleicht aber Spuren früheren Lebens auf Mars.

    Meine Damen und Herren. Wir unterbrechen unser Musikprogramm für eine wichtige Mitteilung: Heute Abend um zwanzig vor acht hat Professor Farrell vom Mount Jennings Observatory einige Explosionen auf dem Planeten Mars beobachtet, die sich mit enormer Geschwindigkeit Richtung Erde bewegen.

    So begann die Invasion vom Mars - zumindest im legendären Hörspiel "Der Krieg der Welten" von Orson Welles, nach der Novelle von H.G. Wells. Eine Reise zum Mars war vor 65 Jahren noch kaum vorstellbar.

    Es wird berichtet, dass um zehn vor neun ein riesiges brennendes Objekt, vermutlich ein Meteorit, auf ein Feld in der Nähe von Grovers Mill, New Jersey gestürzt ist.

    Gut eine Stunde nach den ersten Explosionen auf Mars sind die Eindringlinge vom roten Planeten da: Der vermeintliche Meteorit erweist sich als großer Metallzylinder, der sich bald öffnet - gebannt beobachtet vom fiktiven Radioreporter Carl Philipps...

    Moment - jetzt tut sich was...
    Eine bucklige Figur zeigt sich im Krater. Ich erkenne einen schwachen Lichtstrahl, der auf einen Spiegel trifft. Was ist das? Vom Spiegel geht ein Flammenbündel aus direkt auf die Männer in der Umgebung. Oh Gott, sie brennen!

    Jetzt brennt das ganze Feld - die Bäume... - die Scheunen... - die Benzintanks der Autos... Es breitet sich überall aus. Es kommt auf mich zu. Etwa 20 Meter rechts von mir...


    Carl Philipps war verbrannt - und die Marsianer meuchelten munter weiter. Das Welles'sche Hörspiel sorgte am Abend des 30. Oktober 1938 für Panik bei vielen Zuhörern in den USA: Zu real erschien die dramatische Darstellung - zu selbstverständlich erschien vielen damals die Idee von hoch entwickeltem Leben auf Mars.

    Gab es früher einmal Leben auf Mars...?
    ...oder gibt es dort noch heute irgend eine Form von Leben?


    Forscher wie Jorge Vago, Projektwissenschaftler einer künftigen Mars-Sonde, sind sich beim Leben auf Mars nicht mehr ganz so sicher. Und selbst wenn es dort Leben gäbe - mit Feuer speienden Monstern hätte es nichts zu tun...

    "Man spricht natürlich von einfachem Leben, Mikroorganismen bestenfalls."

    ...erklärt Helmut Lammer, Marsforscher aus Graz. Da bis heute noch keine Marsianer zur Erde gekommen sind, machen sich nun eben die Erdlinge zum Mars auf. Dazu gehört auch der "Mars Express" der Europäischen Raumfahrtagentur ESA. Mars Express startete am 2. Juni und kommt Weihnachten am Mars an - mit "Beagle" als besonderem Geschenk im Gepäck, erklärt Lutz Richter vom Institut für Raumsimulation des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt in Köln:

    "Beagle ist ein kleines Landegerät, das von der Mars Express Sonde zum Mars mitgenommen wird und dort dann landet. ... Es geht darum, dass man erstmals Tiefenproben nimmt von dem Bodenmaterial aus bis zu zwei Metern Tiefe. Die werden auf dem Landegerät untersucht nach Spuren von organischem Material, die Hinweis sein können auf frühere Lebensprozesse. Zusätzlich macht man noch geologische und mineralogische Untersuchungen, um zu verstehen, wie sich das Gelände dort gebildet hat an der Landestelle. Aber das Neuartige ist, man geht in die Tiefe, holt Proben und nimmt die Frage wieder auf, die bei Viking schon kam, vor 25 Jahren: Gab es einmal Leben auf dem Mars? Oder gibt es vielleicht heute noch primitives Leben dort?"

    Bevor es so weit ist, muss Beagle erst einmal auf den Mars kommen - und das ist schwierig genug. Bei keinem anderen Planeten ist die Ausfallquote derart hoch. Nicht einmal die Hälfte aller bisher gestarteten fast 30 Missionen erreichte ihr Ziel. Auf Mars gelandet sind erst drei Sonden. Mars Express startete mit einer russischen Soyuz-Fregat-Rakete. Fünf Tage vor der Ankunft klingt sich Beagle aus und fällt dann wie ein geworfener Stein ohne eigenen Antrieb Richtung Mars. Mit einem Tempo von gut 20.000 Stundenkilometern erreicht Beagle den Planeten.

    "Der Mars hat ja eine Atmosphäre, die auch dicht genug ist, dass, wenn man schnell rein fliegt, ... man sich schützen muss durch einen Hitzeschild vor der Reibungswärme. Nach Abtrennung des Hitzeschildes wird ein Fallschirm ausgeworfen und mit dem kann man dann bis zur Oberfläche abbremsen bis auf etwa 20 Meter pro Sekunde."

    Das entspricht etwa 70 Stundenkilometern - langsamer wird Beagle in der dünnen Marsluft mit dem Fallschirm nicht. Dazu müsste der Fallschirm viel größer sein.

    "Deswegen werden kurz vor dem Aufsetzen Gassäcke um den Lander aufgeblasen, pyrotechnisch, und die dämpfen den Aufprall. Und in dem Moment wird der Fallschirm abgetrennt. Dieses ganze Landerpaket mit den Gassäcken hüpft dann noch ein paar Mal die Oberfläche entlang und die Gashüllen werden dann abgetrennt und der Lander ist dann direkt an der Oberfläche und klappt sich auf."

    Wenn alles gut geht, liegt zu Weihnachten die nur 30 Kilogramm schwere Sonde von der Form eines flachen Zylinders weich gebettet im Sand des Einschlagsbeckens Isidis Planitia.

    Ich weiß nicht, wie ich Ihnen das merkwürdige Geschehen vor meinen Augen beschreiben soll - es ist wie aus 1001 Nacht. ... Was ich von dem Objekt im Krater sehen kann, sieht nicht sehr nach einem Meteoriten aus - es ist mehr ein riesiger Zylinder.

    Auf Mars werden bestenfalls Mikroben Zeuge, wie Beagle über den Sand hüpft und dann liegen bleibt - Lutz Richter und seine Kollegen sehnen auf der Erde die erlösenden Worte herbei...

    "In Anlehnung an Neil Armstrong, der gesagt hat, 'The Eagle has landed', könnte man hier natürlich sagen, 'The Beagle has landed.'"

    Bisher ist Beagle nur in der modellierten Marslandschaft in der Montagehalle des Kölner DLR-Instituts gelandet - die gut 60 cm große goldbeschichtete Dose liegt im rostroten Geröll...

    "Hier haben wir ein Modell des Beagle-2-Landers in voller Größe - und zwar im aufgeklappten Zustand. Wie gesagt, zunächst eine flache Dose, dann Deckel aufgeklappt noch mal daneben und aus dem Deckel heraus noch mal vier Solarpaneele zur Energieversorgung an der Marsoberfläche. Im zentralen Abschnitt des Landers, also dieser flache Zylinder, wie eine Schale sage ich mal, ist integriert ein Greifarm, den man hier auch von Hand herausheben kann. Am Ende des Greifarms ist ein Instrumententräger, wo verschiedene Spektrometer dran sind, Kameras und unser Pluto-Probennehmer."

    Ausgeklappt ist der Greifarm 80 Zentimeter lang und steuert mit dieser Reichweite die direkte Umgebung an. Der Probennehmer Pluto - Planetary Underground Tool - kann sich bis zu zwei Meter tief in den Marsboden graben. Die Forscher sprechen bei dem gemeinsam mit dem Institut Transmash in St. Petersburg gebauten Instrument auch schlicht vom Maulwurf...

    "Der sitzt längs an dem Instrumententräger, Paw, das heißt einfach Pfote im Englischen. Und das ganze sieht auch aus wie eine Tierpfote, wie so eine Hand mit Fingern und die Finger sind Instrumente, die hier vorne drauf sitzen, die Messungen an Steinen machen können, an Bodenmaterial und hier an der langen Seite sitzt unser Maulwurfsystem, Pluto."

    Der Maulwurf ist ein matt silbern glänzendes Rohr, etwa so groß wie ein ganz dicker Filzstift. Aus dem Führungsrohr ragt ein etwas dünneres Rohr mit einer Spitze heraus. In einem Werkstattraum gräbt ein Duplikat des Maulwurfs - aber nicht im Marsboden, sondern in einem großen Becherglas voller feinem Sand.

    So ähnlich hallt es in einigen Monaten über den Mars, wenn Beagle eine Probennahme vorbereitet... - ein Spannmechanismus lässt alle vier Sekunden ein kleines Gewicht von innen gegen die Maulwurfspitze schlagen. Dadurch ruckt der Maulwurf ein Stück weiter voran.

    Ist der Maulwurf in der gewünschten Tiefe - zwei Meter sind maximal möglich - öffnet sich an der Spitze eine kleine Vorrichtung. Sie entnimmt eine winzige Bodenprobe, kaum so groß wie ein Kirschkern. Der Maulwurf ist über ein Stahlseil mit dem Greifarm verbunden. Das Seil wird aufgerollt und der Maulwurf gelangt so zurück zur Sonde.

    Über die Wesen aus dem Raketenzylinder in Grovers Mill kann ich nichts sagen - weder über ihre Natur und Herkunft, noch was sie hier auf der Erde wollen.

    Doch was die irdischen Forscher bzw. ihre Boten auf dem Mars wollen, das ist klar: Untersuchen, ob es Leben gibt oder gegeben hat und - wenn ja - wo es herkommt. Die mit dem Maulwurf entnommenen Proben werden dem Gasanalyse-Instrument "Gap" übergeben, erklärt Garant Morgan von der Open University im englischen Milton Keynes - gewissermaßen dem Heimathafen von Beagle:

    Unser Instrument sucht nach Leben auf Mars - sowohl nach früherem als auch nach vielleicht heute noch existierendem Leben. Wir nehmen dazu die Bodenproben und erhitzen sie. Das frei werdende Gas analysieren wir auf organische Bestandteile: Am aufregendsten wäre Methan - das wäre ein Hinweis, dass es auf Mars noch heute bakterielle Aktivität gibt.

    Methan wird in der Marsatmosphäre schnell zerstört. Sollte die Marsluft auch nur Spuren von Methan enthalten, so müsste es auf Mars noch lebende Organismen geben. Dass das eher unwahrscheinlich ist, weiß auch das Team um Garant Morgan. Viel einfacher ist die Suche nach Resten früheren Lebens: Die Forscher lassen die Marsproben buchstäblich verbrennen. Dabei wird der gesamte Kohlenstoff aus den Proben zu Kohlendioxid.

    Je nachdem woher der Kohlenstoff in den Proben kommt, verbrennt er bei unterschiedlichen Temperaturen. Durch Lebensprozesse eingebauter Kohlenstoff verbrennt bereits bei 300 bis 400 Grad Celsius zu Kohlendioxid. Dagegen verbrennt Kohlenstoff aus geologischen Prozessen - etwa Diamant oder Karbid - erst bei 800 bis 1000 Grad. Mit Hilfe der Temperatur unterscheiden wir also organische Bestandteile von den anderen Komponenten.

    Das Gaslabor an Bord von Beagle-2 ist etwa so groß wie ein Schuhkarton - es enthält 12 winzige Öfen, die vom Max-Planck-Institut für Aeronomie in Katlenburg-Lindau am Harz stammen. In den Öfen werden die Proben schrittweise erhitzt und dann warten die Forscher gespannt, bei welchen Temperaturen welche Gase austreten.


    Ein starkes Signal bei rund 400 Grad wäre sehr schön. Unser Instrument mißt zudem die Kohlenstoffisotope. Der Stoffwechsel von lebenden Organismen meidet Kohlenstoff-13: In Strukturen, die durch Leben entstanden sind, gibt es viel mehr "normalen" Kohlenstoff-12 als in unbelebten Strukturen. Die Isotopenverhältnisse geben uns also einen weiteren Hinweis auf mögliche Lebensaktivität auf Mars.

    Das ganze Minilabor wiegt nicht einmal 6 Kilo und darf nur so viel Energie verbrauchen wie eine 60-Watt-Lampe. Und doch wird es den Marsboden so genau wie nie zuvor untersuchen - und womöglich Spuren von Leben finden. Schon der Name des Landers lässt die Ambitionen des Projekts erkennen, erklärt Lutz Richter:

    "Es gibt seit dem Schiff von Charles Darwin im 19. Jahrhundert, was Beagle hieß, womit er seine Fahrt gemacht für seine Theorie der Evolution, in der britischen Marine immer ein Schiff, das Beagle heißt, auch heute. Deshalb ist der Marslander Beagle-2. Warum Beagle? Eben in Anlehnung an Darwin, der sich mit der Evolution des Lebens auf der Erde beschäftigt hat und Beagle-2 versucht eben, der Frage nachzugehen: Gab es jemals Leben auf dem Mars?"

    Mit "Ja" könnte die heutige "Beagle-Besatzung" dann antworten, wenn die untersuchten Proben bereits bei 400 Grad Kohlendioxid freisetzen und einen auffallend hohen Anteil an Kohlenstoff-12 haben. Für die Suche nach Leben auf Mars bzw. dessen Resten ist der Maulwurf von entscheidender Bedeutung. Denn direkt an der Marsoberfläche sind die Bedingungen heute extrem lebensfeindlich - die starke UV-Strahlung und das Teilchenbombardement zersetzen alle organischen Moleküle. Aber in ein bis zwei Metern Tiefe könnten Spuren früheren Lebens noch immer existieren.

    Dass es der Marsboden wahrlich in sich hat, zeigen auch erste Ergebnisse der Sonde Mars Odyssey, die seit mehr als einem Jahr den Mars umkreist. Mit Instrumenten, die Neutronen und Gamma-Strahlen messen, lässt sich der Wasserstoffgehalt im Marsboden bestimmen - denn die kosmische Teilchenstrahlung dringt einige Meter tief in den Boden ein, erklärt Igor Mitrofanow vom Institut für Weltraumforschung der Russischen Akademie der Wissenschaften in Moskau:

    Wir machen also sozusagen eine Röntgenuntersuchung des Marsbodens - nur dass in unserem Fall die ursprüngliche Strahlung kosmisch ist und im Marsboden verändert wird. Wir beobachten große Bereiche, in denen sehr viel Wasserstoff im Boden vorkommt - und der häufigste chemische Stoff mit Wasserstoff im Boden ist H2O, Wasser. Wir beobachten also viel Wasser in Bodenschichten bis zu drei Metern unter der Oberfläche.

    Also doch Wasser auf dem Mars... Das hatten die Astronomen schon einmal - fast als Massenpsychose. Im Jahre 1878 beobachtete der italienische Astronom Giovanni Schiaparelli auf Mars nicht nur die leicht erkennbaren weißen Polkappen und dunklen Oberflächenmerkmale, sondern auch merkwürdige Linien. Schiaparelli bezeichnete sie als "canali". Sofort sahen viele darin ein großes Kanalsystem, mit dem eine dürstende Mars-Zivilisation Wasser aus den Polargebieten in gemäßigte Breiten leitet. Die Mär von den Marskanälen hielt sich hartnäckig.

    "Not canals, I can assure you, Mr. Phillips, although that's the popular conjecture of those who imagine Mars to be inhabited. From a scientific viewpoint the stripes are merely the result of atmospheric conditions peculiar to the planet. "

    Es sind bestimmt keine Kanäle, auch wenn das eine beliebte Vermutung all jener ist, die Mars für bewohnt halten. Wissenschaftlich gesehen sind sie Linien bloß das Ergebnis der besonderen atmosphärischen Bedingungen auf dem Planeten.

    Heute wissen wir, dass die "canali" Schiaparellis nur eine optische Täuschung waren - dass es aber dennoch Wasser auf Mars gibt. In polnahen Bereichen ab etwa 60 Grad nördlicher und südlicher Breite gibt es geradezu Permafrostboden, der mehr als 50 Prozent Wassereis enthält.

    Wir waren von diesen starken Hinweisen auf Wasser überrascht. Viel Wassereis liegt dicht unter der Oberfläche. Die Landestelle der Viking 2-Sonde befindet sich auch in so einem Permafrostbereich. Vielleicht war nur etwa 50 Zentimeter unter Viking 2 Eis!

    Ironie der Marsforschung - da setzt ein ausgeklügelt konstruiertes Meßgerät auf dem roten Planeten auf, kratzt ein wenig im Staub herum und kommt zum Ergebnis, Mars sei trocken und unbelebt. Dabei steht das Raumschiff auf einer dicken Eisschicht...
    Bei so viel Wasser im Boden kann Mars nicht immer so trocken und kalt gewesen sein wie heute, schließt Igor Mitrofanow:

    Für die Marsgeschichte bedeuten diese vielen Eisfunde, dass Mars ein hydrologisch aktiver Planet war oder vielleicht noch ist. Vieles von dem, was wir heute auf Mars beobachten, hat etwas mit diesem Wasser und Eis zu tun. Früher - etwa in der ersten Milliarde Jahre - war Mars wohl ein nasser und warmer Planet. Genauso wie die Erde damals. Jetzt wissen wir, dass Wasser den Übergang zum trockenen und kalten Planeten im Boden überstanden hat. Vielleicht gibt es in tieferen Schichten sogar flüssiges Wasser, gleichsam Grundwasser. Mars könnte also auf ganz andere Art als die Erde ebenfalls eine Wasserwelt sein.

    Was hat auf Mars den großen Klimawandel verursacht, bei dem aus "naß und warm", "trocken und kalt" wurde? Eine entscheidende Rolle spielte das Magnetfeld, erklärt Helmut Lammer vom Institut für Weltraumforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Graz:

    "Wie wir wissen vom Mars Global Surveyor, hatte Mars in der Vergangenheit früher mal ein Magnetfeld gehabt so wie die Erde auch. Ein Magnetfeld schützt die Atmosphäre vom Sonnenwind, diesen geladenen Teilchen. ... Gegenwärtig hat er nur mehr Überbleibsel von diesem Magnetfeld und man schätzt, dass er seit drei Milliarden Jahre sicher kein Magnetfeld mehr hatte. Dann kann dieser Sonnenwind, diese Teilchen, die Atmosphäre erodieren, kann man sagen."

    Ohne Magnetfeld wurde die Marsatmosphäre - und mit ihr ein Teil des Wassers - buchstäblich vom Sonnen-Winde verweht. Für das Leben auf Mars wurde es damit sehr ungemütlich. Es starb entweder ab oder musste sich mit dem Bodeneis abfinden.

    Hugh Kieffer, geradezu Marsurgestein beim US Geological Survey, beschäftigt sich seit den späten 60er Jahren mit Mars. Er war schon bei den ersten Mariner-Sonden dabei. Kieffer und sein Team messen mit der Odyssey-Sonde die Temperatur der Marsformationen, also von Bergen, Kratern, Dünen, Abhängen usw. Dabei interessiert die Forscher vor allem, wie schnell sich die unterschiedlichen Bereiche aufheizen und wieder abkühlen.

    Aus diesen Beobachtungen kann man physikalische Eigenschaften und chemische Zusammensetzung abschätzen. So verhält sich Staub anders als Fels - außerdem hängt das Temperaturverhalten von den mineralogischen Stoffen ab. Die Marsoberfläche hat sich als viel interessanter herausgestellt, als wir erwartet hatten. Wir haben sogar Bereiche entdeckt, in denen die Oberfläche blanker Fels ohne jeden Staub ist. Die meisten Daten verstehen wir noch nicht. Aber es ist schon jetzt klar, dass Mars eine ziemlich bewegte geologische Geschichte hat.

    Diese Infrarot- oder Wärmeaufnahmen lassen sich jederzeit machen - sie sind unabhängig vom Sonnenstand. Die Forscher beobachten auf diese Weise erstmals die Strukturen auf Mars in allen Details bei Tag und bei Nacht.

    Die Oberflächenstrukturen deuten daraufhin, dass in der Vergangenheit viel Wasser auf Mars geflossen ist - zumindest zeigt die Oberfläche das, was wir von so einem Prozeß erwarten würden. Die Experten streiten, ob es auf der tiefer liegenden Nordhalbkugel wirklich mal einen großen Ozean gegeben hat. Das steht 50 - 50 dafür und dagegen. So ein Ozean hätte ganz grundlegende Bedeutung für die Geschichte des Mars - aber wir können das bis heute nicht klären.

    Immerhin scheint es Flussbetten auf Mars zu geben - dann war die Kanal-Euphorie doch nicht so ganz unbegründet. Aber wie zu Schiaparellis Zeiten tun sich die Wissenschaftler heute mit der richtigen Interpretation der Bilder schwer. Hugh Kieffer warnt vor einer Art Betriebsblindheit - denn keiner der Marsforscher stammt vom Mars...

    Unser generelles Verständnis von Mars basiert darauf, dass wir Menschen sind, die auf der Erde aufgewachsen sind und hier alle Prozesse studiert haben. Mein Gefühl sagt mir, dass auf Mars ganz andere Dinge abgelaufen sind. Da gilt dieselbe Physik wie hier, aber die unterschiedlichen Vorgänge und ihre Bedeutung in der Marsgeschichte haben die Oberfläche auf eine Art geformt, die wir bisher nicht verstanden haben.

    Noch betreiben die Geologen die Marsforschung ferngesteuert. Doch in etwa 20 Jahren, so hoffen viele, werden Wissenschaftler persönlich vor Ort sein.

    Meine Damen und Herren: So unglaublich es scheinen mag, aber die wissenschaftlichen Beobachtungen und auch unsere eigene Wahrnehmung führen unausweichlich zur Annahme, dass die komischen Wesen, die heute Abend auf den Feldern von Jersey gelandet sind, die Vorhut einer Invasionsarmee vom Planeten Mars sind.

    Jeffrey Plaut, Projektwissenschaftler von Mars Odyssey, weist auf das Instrument "Marie" an Bord seiner Sonde hin. Marie misst die Strahlenbelastung am Mars und ermittelt so das Risiko von Astronauten.

    Unser Strahlungsmonitor zeigt, dass die Bedingungen am Mars nicht ungeeignet sind für einen Besuch von Astronauten. Menschen könnten zum Mars reisen, sich in der Umlaufbahn aufhalten, einige Zeit an der Oberfläche verbringen und zur Erde zurückkehren, ohne eine gefährliche Strahlendosis abzubekommen.

    Ein Flug zum Mars brächte nur eine zweieinhalbfach höhere Strahlenbelastung als ein ebenso langer Aufenthalt auf der Internationalen Raumstation. So sehr die Wissenschaftler heute von der Fernerkundung profitieren und so trickreich die einzelnen Instrumente auch immer gebaut werden. Auf einem Planeten wie Mars können ferngesteuerte Instrumente bei ganz speziellen Fragestellungen nicht viel ausrichten. Könnte man auf der Erde mit ferngesteuerten Sonden Fossilien finden?

    Im Moment konzentrieren wir uns auf eine robotische Erkundung des Planeten. Die Landefähren, Fahrzeuge und Orbiter, die wir hinschicken, arbeiten als unsere Augen, Ohren und in gewisser Weise auch als unser bis zum Mars projizierter Verstand. Aber nichts kann den Einsatz von Menschen direkt vor Ort ersetzen. Auch auf dem Mond haben Astronauten Aspekte der lunaren Geologie entdeckt, die uns sonst entgangen wären.

    Konkrete Pläne für einen bemannten Marsflug gibt es noch nicht. Es wäre zudem ein extrem kostspieliges Unterfangen, das eine Nation allein kaum schultern könnte - von
    den technischen Problemen so eines Fluges ganz zu schweigen. Auf absehbare Zeit werden unbemannte Sonden Mars erkunden.

    Doch wenn eines Tages Menschen zur Erforschung des Lebens auf Mars aufbrechen sollten, reisen sie dann vielleicht nur den Weg, den das Leben schon Milliarden Jahre zuvor gegangen ist? Jorge Vago ist Projektwissenschaftler von ExoMars, einer für das Jahr 2009 geplanten europäischen Marsmission, bei der ein großes automatisches Fahrzeug auf Mars herumfahren und Lebensspuren finden soll.

    So wie wir Meteoriten auf der Erde finden, die vom Mars kommen, hat es mit Sicherheit auch Meteoriten gegeben, die von der Erde zum Mars gelangt sind. Diese Meteoriten haben dann auch die Mikroben mitgenommen, die es damals auf der Erde gab. Könnten sich diese Mikroben auf Mars in der Frühgeschichte des Planeten eingenistet haben, bevor sich das Klima verändert hat? Wir meinen, dass diese frühen Lebensformen, so es sie gegeben hat, in Steinen als Mikrofossilien erhalten sein müssen - und danach möchten wir gerne suchen.

    Kam das Leben auf Mars womöglich von der Erde? Wurden irdische Mikroben auf interplanetare Reisen geschickt? Wurden so die Lebenskeime verstreut? Im "Krieg der Welten" - geschrieben von H.G. Wells 1898 - werden die eindringenden Marsianer nicht vom Militär besiegt, sondern von den für sie ungewohnten irdischen Krankheitskeimen... Wenn Wells das gewusst hätte. Dabei äußerte sich sein Professor Pierson - gesprochen von Orson Welles - gegen Ende des "Kriegs der Welten" geradezu prophetisch...

    Bevor dieser Zylinder auf die Erde fiel, war die generelle Überzeugung, dass in den Tiefen des Weltalls kein Leben jenseits der unbedeutenden Oberfläche unseres winzigen Planeten existierte. Jetzt sehen wir weiter. Noch etwas undeutlich, aber doch wunderbar ist die Vorstellung, die sich in meinem Kopf festsetzt - von Leben, das sich langsam von dieser kleinen Brutstätte im Sonnensystem aufmacht in die unbelebten Weiten des Sternenraumes.