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Per Fallschirm kommt der Tod

Ökologie. - Guam ist die größte und südlichste Insel des Marianen-Archipels im westpazifischen Ozean. Sie gilt als der Ort mit der höchsten Schlangen- und Spinnendichte weltweit. Vor allem die Braune Nachtbaumnatter gefährdet mittlerweile nicht nur das Ökosystem, weil sie eine Vogelart nach der anderen dort ausrotten, sondern die Reptilien verursachen auch wirtschaftliche Schäden. Nun wollen die US-Behörden die Schlangenplage mit einer neuen Methode stoppen.

Von Michael Stang |
    "Since about 1993 approximate about 150.000 snakes have been pulled out off Guam."

    Seit 1993 wurden auf der Insel Guam rund 150.000 Schlangen erlegt, sagt William Pitt vom National Wildlife Research Center auf Hawaii. Dennoch sei dies nur ein Tropfen auf den heißen Stein, denn hochgerechnet leben rund zwei Millionen Schlangen auf der 48 Kilometer langen und gut 18 Kilometer breiten Insel. Der Biologe ist unter anderem für den Naturschutz auf Guam verantwortlich. Vor allem die Braune Nachtbaumnatter (Boiga irregularis) macht dem US-Forscher Sorgen. Diese Reptilien kamen während des Zweiten Weltkriegs als blinde Passagiere mit Militärflugzeugen aus ihrem eigentlichen Verbreitungsgebiet rund um Neuguinea. In ihrer neuen Heimat fühlten sie sich pudelwohl. Es gab keine Feinde und reichlich Nahrung.

    "Das größte Problem auf Guam ist, dass diese Insel die größte Schlangendichte der Welt hat. Die Schlangen sind so zahlreich, dass sie die ganze Fauna verändert haben. Sie haben einen Großteil der Wirbeltiere ausgerottet, darunter zehn der zwölf auf Guam heimischen Vogelarten, hinzukommen Eidechsenspezies und Fledermäuse. Die Schlangen haben also praktisch von Grund auf die ganzen Wälder auf Guam verändert."

    Frühere Hochrechnungen ergaben, dass in Hochzeiten – als es noch Beutetiere in Hülle und Fülle gab - dort rund 50 Schlangen pro Hektar lebten.

    "Zweiter Punkt sind die wirtschaftlichen Kosten, die die Schlangen verursachen. Sie beißen in Stromleitungen und verursachen dadurch zahlreiche Stromausfälle. Im Schnitt sind das etwa 200 pro Jahr."

    Viele Schlangen verkriechen sich in Stromkästen oder beißen einfach in Überlandleitungen. Ein weiteres Problem sind Schlangenbisse, denn die Braune Nachtbaumnatter ist wie alle Nachtbaumnattern giftig. Diese Tiere verfügen über vergrößerte Zähne im hinteren Bereich des Oberkiefers, die mit einer Rinne für das Gift aus den Giftdrüsen versehen ist. Braune Nachtbaumnattern gelten als aggressiv und beißen, sobald sie sich bedroht fühlen, häufig ohne Vorwarnung zu. Ihr Gift ist ein Neurotoxin und kann zu leichten Lähmungen führen, vor allem Kinder leiden stark und müssen nach einem Biss im Krankenhaus behandelt werden, so William Pitt.

    "Wir haben zwei Aufgaben. Zum einen müssen wir die negativen Folgen der Schlangenplage, also Reduktion der biologischen Vielfalt, Stromausfälle und Schlangenbisse, in den Griff bekommen, zum anderen müssen wir, und das ist auch sehr wichtig, verhindern, dass diese Schlangen Guam verlassen und auf andere Inseln gelangen können, inklusive Hawaii."

    Um zu verhindern, dass die Schlangen erneut als blinde Passagiere eine neue Insel erobern, bedienen sich William Pitt und seine Kollegen verschiedener Methoden.

    "Wir arbeiten hauptsächlich mit Ködern, meist vergiftete Mäuse. Diese Köder sind speziell für braune Nachtbaumnattern entwickelt worden. Wir hängen sie vor allem an Zäunen in der Nähe vom Hafen und Flughafen auf. Dann kann man später mit einer Taschenlampe den Weg ablaufen und die ganzen vergifteten Schlangen wieder einsammeln. Dann haben wie Fallen, in die nur Schlangen und keine andere Tiere kriechen können. Und dann kommen noch speziell trainierte Hunde zum Einsatz, die sämtliche Frachtgüter nach Schlangen absuchen, bevor eine Ladung die Insel verlässt."

    Mithilfe dieser Methoden können sie die Schlangenplage aber nicht effektiv stoppen, denn auf diese Weise werden nur Schlangen in den besiedelten Gebieten reduziert. Da aber auch die Reptilien in den Wäldern dezimiert werden sollen, bedarf es anderer Ansätze. Einige schwer zugänglichen Gebiete wollen die Naturschützer nun aus der Luft erreichen. Pitt:

    "Wir haben nun eine Methode entwickelt, mit der wir Schlangen auch in entlegenen Gebieten vergiften können. Dazu haben wir tote Mäuse so präpariert, dass ihre Körper das Schmerzmittel Paracetamol enthalten, das für die Schlangen tödlich ist. Diese Mäuse werden von Hubschraubern aus über den Wäldern abgeworfen. Damit die Köder nicht auf den Waldboden fallen, haben wir kleine Papp-Fallschirme gebastelt damit die Mäuse im Geäst hängen bleiben."

    Also genau dort, wo die Schlangen leben. Haben die Schlangen den Köder geschluckt, verhindert das Paracetamol alsbald, dass die roten Blutkörperchen Sauerstoff aufnehmen und transportieren können. William Pitt zufolge reichen bereits 80 Milligramm aus, um auch eine ausgewachsene Braune Nachtbaumnatter zu töten, spätestens 60 Stunden nach dem Verschlingen der Maus sind die Schlangen tot. Bis zu 2000 Mäuse sollen nun im Frühjahr abgeworfen werden. Danach wird gerechnet. Erweist sich diese Methode als effektiv und einigermaßen kostengünstig, dann könnte es bald regelmäßig auf Guam vergiftete Mäuse regnen.

    "Vielleicht ist es möglich mithilfe dieser Methoden, die Schlangenpopulation zumindest in einigen Gebieten so zu reduzieren, dass dort wieder bestimmte Vogelarten leben können, vielleicht könnten wir auch alle Schlangen dort ausrotten. Aber das ist momentan nicht unser Ziel."

    Ein Ziel sei die Wiederansiedlung von Vögeln. Bevor die Schlangen alle Guamrallen aufgefressen hatten, konnten die Naturschützer vor mehreren Jahren einige dieser Vögel auf die benachbarte Insel Rota in Sicherheit bringen. Mittlerweile hat es dort einige erfolgreiche Bruten gegeben. Und damit besteht die Hoffnung, eines Tages zumindest diese Vögel wieder auf Guam zu etablieren.