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Per Photonen-Antrieb durchs All

Tolle Idee. - In den neunziger Jahren herrschte so eine Art Aufbruchstimmung in der Raumfahrt, was mögliche neue Antriebe für's All angeht. Sonnensegel hieß das Zauberwort – leichte Folien, die von den Sonnen-Photonen beschleunigt werden und so Nutzlasten quer durch das Planetensystem transportieren sollen. Danach aber passierte erst einmal lange nichts, bis zufällig zeitgleich im August dieses Jahres Japan und die USA einen ersten Erfolg in Sachen Sonnensegeln vermelden konnten.

Von Guido Meyer |
    Ein Sonnensegler ist ein treibstoffloser Raumfahrtantrieb. Wir nutzen hier den Lichtdruck der Sonne, rein durch die Impulsübertragung der Photonen, die an einem hochreflektierenden Segel reflektiert werden. Und dieser treibt das Raumschiff dann an.

    Beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt in Köln herrschte vor vier Jahren noch Optimismus; Manfred Leipold war das, damals beim DLR-Institut für Weltraumsensorik und Planetenerkundung. Dass das Prinzip funktioniert, ist unbestritten, doch an der Umsetzung dieser Antriebe hakt es nunmehr seit einem Jahrzehnt, aus verschiedenen Gründen.

    Im Moment sind natürlich die solarelektrischen sehr weit entwickelt. Man sieht ja jetzt schon bei Missionen, dass sie, auch schon um Energie zu sparen, sehr oft an Planeten vorbeifliegen, um dort Energie zu holen. Und das wird irgendwann für noch höherenergetische Missionen nicht mehr möglich sein. Dann kriege ich Missionsdauern von 20, 30 Jahren, und muss zehn von diesen Flybys machen. Und solche Missionen können dann nur noch mit Solarsails realisiert werden. Aber ob Solarsails jetzt schon in allernächster Zeit kommen, ist komischerweise am schwierigsten zu beurteilen, weil es im Moment noch eine sehr starke Lobby für die solarelektrischen gibt. Und die sind ja jetzt auch über 30 Jahre entwickelt worden. Und diese Investitionen will man natürlich nicht versunken sehen.

    Der eher nüchterne Standpunkt des DLR heute: Berndt Dachwald vom dortigen Institut für Raumsimulation. Einerseits simple Besitzstandwahrung bei den Raumfahrtkonzernen, die weiterhin ihre chemischen Triebwerke, ihre Ionenantriebe und Solarzellen einsetzen wollen. Auf der anderen Seite technische Schwierigkeiten bei der Umsetzung der Segel - vom Reißbrett in die reale Welt. Manfred Leipold:

    Denkt man jetzt an die bemannte Raumfahrt, gehen die Massen sehr schnell in den Bereich von einigen Tonnen, und damit müssten dann auch diese Sonnensegel erheblich größer werden. Das geht dann schon in den Bereich von mehreren hundert Metern oder Kilometern, die man bräuchte, um ein vernünftiges Masse-zu-Fläche-Verhältnis zu erreichen, um dann auch den Lichtdruck effizient nutzen zu können.

    Während die deutschen und europäischen Experimente mit Solarsails derzeit ruhen, hat die japanische Weltraumbehörde JAXA im Sommer gleich zwei solcher Segel ins All geschossen. In Höhen zwischen 120 und 170 Kilometern haben sich die Folien fächerartig entfaltet, die mit ihren 7,5 Mikrometern gerade mal so dick sind wie ein Haar. Shinsuke Takeuchi vom Institut für Raumfahrtwissenschaften (ISAS) in Tokio:

    Wir öffnen die Nasenspitze der Rakete und setzen so das Segel frei. Da die Rakete selbst rotiert, öffnet sich die Struktur allein durch Zentrifugalkraft.

    Ausgefaltet maßen die Segel zehn Meter im Durchmesser. Obwohl jedes einzelne Sonnenphoton nur einen winzigen Impuls übertragen kann, könnte eine ungeheure Menge solcher Partikel ein Segel im luftleeren Weltraum beschleunigen. Dazu müsste es allerdings etwa zehnmal höher steigen, bis auf mindestens 1000 Kilometern, um die letzten Reste der Erdatmosphäre zu überwinden.

    Ebenfalls im August hat die US-Raumfahrtbehörde NASA ebenfalls zwei Sonnensegel mit ebenfalls zehn Meter Durchmesser getestet, und zwar in zwei Vakuumkammern in Virginia und in Ohio. Dabei wurden die Segel von einem Mast aus Graphit gehalten, der sich per Fernsteuerung spiralförmig entfalten lässt und sich so in die Höhe schraubt. Ende dieses Jahr soll auch ein privat finanziertes Segel ins All geschossen werden: Cosmos 1. Ann Druyan von der Planetary Society, Witwe des Kosmologen Carl Sagan:

    Später im Jahr werden wir erstmals ein Sonnensegel ins All schicken. Die Nutzlast wird dabei in der Spitze einer russischen Interkontinentalrakete vom Typ Volna untergebracht sein, die wiederum von einem U-Boot in der Barentssee starten soll. Entfaltet wird das Segel mehr als zwanzig Meter Durchmesser haben und damit mehr als doppelt so groß sein wie alle bisherigen. Da es das Sonnenlicht reflektiert, wird es Tag und Nacht mit bloßem Auge von der Erde aus zu sehen sein. Es bedient sich der Lichtteilchen der Sonne - so wie ein Segelboot den Wind einfängt und als Antrieb nutzt.