Hand aufs Herz! Sie sind doch auch auf Facebook & Co. unterwegs...
Aber zugleich sind Sie ein kritischer Geist und wissen deshalb: Die sozialen Netzwerke sind im Informations-Business wahre Supermächte – und mit Supermächten ist nicht zu scherzen.
Sehen Sie, da geht es Ihnen wie dem US-Präsidenten, quasi Ihrem großen Bruder im Geiste. Vorgestern zum Beispiel wollte Donald Trump mal wieder seine Abscheu über die Big Data-Giganten ausdrücken. Und deshalb hat er - zugegeben: etwas larmoyant - auf Twitter getwittert: "Facebook, Google, Twitter, ganz zu schweigen von den korrupten Medien, sind so sehr auf der Seite der linksextremen Demokraten."
Erklärte Feinde zahlen Millionen
Dabei tut der tapfere Trump mehr als jeder von uns, damit seine Ansichten nicht restlos untergehen und alles schön pluralistisch bleibt. Oder kennen Sie sonst noch jemanden, der in diesem Jahr bereits für 4,5 Millionen Dollar Social ads, also user-spezifische Anzeigen, gebucht hat?
Um das Geld nicht zu verplempern, musste Trump seine Anzeigen allerdings bei Facebook und Google schalten, die sich ins Fäustchen gelacht haben dürften. Wenn dir selbst deine erklärten Feinde Millionen bezahlen, kann dein Geschäftskonzept nicht ganz blöd sein.
Aber das heißt nicht, dass die Big-Data-Konzerne kein Gewissen haben. Und das reinste Gewissen von allen, das beansprucht seit jeher Marc Zuckerberg, der Goldjunge, der damals Facebook programmiert hat, um den Sexappeal seiner Kommilitoninnen auszutesten. In Zeiten von MeToo hätte das Projekt eventuell Anlaufschwierigkeiten gehabt, aber egal, jeder weiß, wie toll es ausging.
Marc Zuckerbergs Menschenliebe
Dabei ist das Erfolgsgeheimnis von Zuckerberg kein Geheimnis: Es ist seine Humanität, seine tiefe Menschenliebe. Verglichen mit Zuckerbergs schleimzartem Brief an seine neugeborene Tochter Maxima vor drei Jahren war die Bergpredigt ein echt schroffes Elaborat. Und anders als Jesu Bergpredigt erreichte Zuckerbergs frohe Botschaft per Facebook gleich die ganze Welt, an die sie in Wahrheit gerichtet war: Ich, Euer Marc, ich regle das mit der Zukunft.
Lange sollte Facebook ja der "Marktplatz" sein, auf dem wir alle uns tummeln. Doch dann wurden manche zickig. Ihnen fiel auf, dass man sich auf dem Marktplatz nicht so nackig macht wie auf Facebook. Ein Problem für den smarten Zuckerberg? Denkste! Er verlegte sein Geschäft letztes Jahr kurzerhand von draußen nach drinnen, metaphorisch jedenfalls. Facebook soll jetzt unser "Wohnzimmer" sein, in dem es schön zivilisiert zugeht. Deshalb sind Sittenwächter und Künstliche Intelligenzen am Start, um Hatern, Bashern und Pornobildchen-Postern auf die Finger zu klopfen.
dpa liefert Premium-Stempel für die Nachrichten
Und so ein seriöses Ambiente schreit natürlich auch nach seriösem Nachrichten-Umschlag. Tja, und deshalb soll nun die Deutsche Presse-Agentur die Fake News aus Facebook filtern. Das ist so, als würde der Fahrdienst Uber plötzlich nach ausgebildeteten Taxifahrern lechzen – aber mal ehrlich: Kann das jemandem schaden? Marc Zuckerberg gewiss nicht.
Wenn die ehrbare DPA ihren Premium-Stempel auf die News setzt, dann dürften die Stänkereien gegen das Nachrichten-Gomorrha Facebook, in dem angeblich die Wahrheit übel geschändet wird, deutlich nachlassen. Schon allein, weil die Kunden der DPA – fast alle hiesigen Medienunternehmen, also Zeitungen, Rundfunkanstalten, Verlage und so – zugleich die Gesellschafter der DPA sind. Vernünftigerweise werden sie in Zukunft kurz zögern, bevor sie sich mit Spott über Facebooks Fake News ins eigene Knie schießen.
Perpetuum mobile des Informationszeitalters
Ja, für Facebook, dieses unvergleichliche Welt-Datenleck, war 2018 ein schwieriges Jahr! Doch solange Zuckerberg mit seinen Feinden Geld verdient und seine Kritiker in die Firma locken kann, solange ist uns um seine Milliarden nicht bange.
Fall Sie übrigens auch mal jung waren, könnten Sie im Physikunterricht gehört haben, dass es keine Perpetua mobilia gibt – von wegen erster und zweiter Hauptsatz der Thermodynamik. Aber müsste nicht selbst ein Albert Einstein zugeben, dass Facebook nichts anderes ist als das Perpetuum mobile des Informationszeitalters?