Die aktuelle Bedeutung des aus fernen Zeiten und hermetische Kunstförmigkeit hindurch grüßenden Aischylos-Partikel unterstreicht die wie in einen Setzkasten gepackte statische Bebilderung des Aachener Intendanten und Regisseurs Paul Esterhazy. Zwischen einer Leichenkammer, in der eine bleiche Hand noch zuckt, und dem Aktenraum, aus dem die Sopran-Partie des Xerxes dringt: eine Sanduhr, die Mutter des Großkönigs, der Bote als armer Schuster im Keller so duster, eine Zirkus-Prinzessin mit vielen Lufteiern und ein ewig grinsend weiterreitender Cowboy.
Eine Woche nach den neuen "Persern" in Aachen, ausgehend vom selben uralten Text und ebenfalls neu: Frederic Rzweskis "Perser"-Theater in Bielefeld. Andrej Worons Realisierung, voll von Zeichen der politischen Bekundung, sorgt von Anfang bis Ende dafür, dass die Botschaft unmittelbarer genommen werden muss. Einzelfeuer, brutal gesetzte Schüsse hinterm Blechtor, weisen den akustischen Weg. Dann hängt der Himmel voller Flieger: Der siebenköpfige Reichsrat zu Susa gafft dem Entschwinden einer Armada von papiernen Jagdbombern nach. Derweil rieselt leise der Kalk oder der Sand, der die Zeit bemisst: Die vielen Krieger kommen nicht zurück vom Hellespont. Wiebke Frost, als "Chorführerein" eine mit modernen Medienwassern gewaschene Schlange, moderiert mit atemberaubender Anschmiegsamkeit die wechselnden Stimmungslagen in der Hauptstadt; Combo und Batterie, in zwei Etagen rechts und links von der Bühne postiert, sekundieren der Rekonstruktion eines Fiaskos. Die Analyse der globalen Interessen, des Finanzmarkts und der Rüstungsanstrengungen kommt zielstrebig zur Sache.
Frederic Rzewski nahm Anleihe bei der Form des Radio-Lehrstücks von Bertolt Brecht und Kurt Weill aus den späten 20er Jahren, schaltete wilde freie Schlagzeug-Improvisation zwischen die Sprechszenen und Sprechgesangs-Partien. Mancher Solo-Song verweist auf Hanns Eislers Hollywood-Lieder und der Klang der Steine auf das, was Josef A. Riedl in den 70er Jahren veranstaltete. Überhaupt erinnern die scharf profilierten Tableaus intensiv an gewisse Ansätze politischen Theaters nach 1968. Das entwickelt heute wieder eigentümlichen Charme, zumal durch die surrealistischen Brechungen Worons, die bei der Beschwörung des toten Dareios, der Babylonischen Sprachverwirrung und dem Stühlerücken bei Rückkehr des Xerxes aus dem Krieg ihre besten Momente vorweisen. Kaputt. Müll. Tod. Das Stadt-Musiktheater in Aachen und Bielefeld ist jetzt wieder ganz vorn; es hat seine zugleich bildungsträchtigen und politisch gemünzten Hausaufgaben fürs erste wieder erledigt.
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