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Personal-Schwierigkeiten bei der Bundeswehr
"Es knirscht an allen Ecken und Enden"

Der Wehrbeauftragte des Bundestags, Hans-Peter Bartels, befürwortet die Pläne von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen, bei der Bundeswehr Personal aufzustocken. Die Armee sei viel zu klein für ihre vielen Aufgaben, sagte er im DLF. Die Personalgröße sei in den vergangenen Jahren willkürlich und nicht strukturell festgelegt worden.

Hans-Peter Bartels im Gespräch mit Tobias Armbrüster |
    Der Wehrbeauftragte des Bundestages, Hans-Peter Bartels (SPD).
    Der Wehrbeauftragte des Bundestages, Hans-Peter Bartels (SPD). (dpa/Soeren Stache)
    Dass die Bundeswehr nach dem Ende des Kalten Krieges verkleinert worden sei, sei richtig gewesen, so Bartels. Allerdings sei in den letzten Jahren viel zu viel Personal abgebaut worden, ohne vorher durchzurechnen, wie viel benötig werde. "Da muss jetzt nachgesteuert werden."
    Als Arbeitgeber attraktiver werden
    Das neue Personal nun zu gewinnen, könnte laut Bartels in manchen Bereichen schwierig werden. "Die Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt ist riesengroß." Besonders für die Informationstechnik, Technik in der Marine und im Sanitätsbereich finde man oft nicht genug Leute. Die Bundeswehr müsse als Arbeitgeber noch attraktiver werden: "Die Pendlerfreundlichkeit ist ein Riesenproblem." Denn seit die Wehrpflicht ausgesetzt wurde, habe sich auch das Durchschnittsalter der Angestellten nach oben verschoben. "Das ist eine Familienarmee. Die Menschen haben ihren Lebensmittelpunkt an einem festen Ort."
    Bartels sprach sich außerdem für eine Erhöhung des Verteidigungshaushalts aus. "Mehr Personal geht nicht ohne Geld." Aus dem Kabinett höre man von Plänen von einer Erhöhung um sechs Prozent: "Das geht schon in die richtige Richung."

    Das Interview in voller Länge:
    Tobias Armbrüster: Die Bundeswehr soll personell aufstocken. Von diesen Spekulationen und Ideen hören und lesen wir seit einigen Tagen. So viel scheint festzustehen: Seit der Wiedervereinigung wurde die Zahl der Soldaten immer stärker abgebaut, von einst 600.000 auf aktuell 185.000. Jetzt will Ursula von der Leyen, die Verteidigungsministerin, wieder mehr junge Leute gewinnen. Von 7.000 neuen Soldaten ist die Rede. Einzelheiten will sie heute den Verteidigungspolitikern in Berlin präsentieren. - Bei uns am Telefon ist jetzt der Wehrbeauftragte des Deutschen Bundestages, der SPD-Politiker Hans-Peter Bartels. Schönen guten Morgen, Herr Bartels.
    Hans-Peter Bartels: Schönen guten Morgen, Herr Armbrüster.
    Armbrüster: Herr Bartels, "Trendwende Personal", so soll dieses Papier heißen, das Frau von der Leyen da heute in Berlin vorstellt. Wissen Sie schon, was drinsteht?
    Bartels: Offiziell weiß ich auch nichts. Was man aus den gut unterrichteten Kreisen hört ist, dass es tatsächlich neue Personalzahlen geben soll. Die Bundeswehr ist ja, wie Sie richtig sagten, in den letzten zweieinhalb Jahrzehnten von Jahr zu Jahr immer kleiner geworden, am Ende zu klein für die vielen Aufgaben.
    Armbrüster: Wissen Sie denn genau, wie viele Soldaten zusätzlich kommen sollen?
    Bartels: Nein. Auch nur das, was jetzt spekuliert wird, 6.900 zusätzliche Dienstposten für Soldaten und 4.400 für Zivilbeschäftigte, was man auch nicht unterschätzen darf, denn auch der zivile Personalkörper ist ja drastisch reduziert worden.
    Armbrüster: Und Sie als Wehrbeauftragter, würden Sie sagen, das geht in die richtige Richtung, das reicht aus?
    "Es knirscht an allen Ecken und Enden"
    Bartels: Ob es ausreicht, wird man sehen müssen. Vielleicht wird sich Frau von der Leyen da auch noch eine Tür offenhalten und sagen, das ist jetzt mal der Anfang. Hier sind wir sehr sicher, dass es zusätzliches Personal braucht. Etwa die Umsetzung der neuen Arbeitszeitrichtlinie wird ja in diesem Jahr auch noch mal zeigen, an welchen Stellen eigentlich zu wenig Soldaten da sind, an welchen Stellen die Beschäftigten der Bundeswehr, zivil und militärisch, ihren Arbeitgeber mit ihrer Arbeitszeit subventionieren. Es knirscht an allen Ecken und Enden. Wir sehen das bei den Einsätzen, wo die Pausen zwischen zwei Einsätzen für Marinesoldaten, für Luftwaffensoldaten, für Heeressoldaten immer kürzer werden.
    Armbrüster: Dann würde ich gern mal Ihre Berechnung hören. Welche Zahlen müsste Frau von der Leyen denn heute präsentieren, um Sie zufriedenzustellen?
    Bartels: Ich werde den Teufel tun und die Arbeit des Ministeriums machen. Rechnen müssen die schon selber. Was ich erkennen kann ist jedenfalls, dass es an allen Enden zu wenig Personal gibt. Die Decke ist zu kurz. Es sind ja die 185.000 Soldaten, die da sein müssten, nicht mal da. Es sind jetzt 177.000. Selbst an der kleinsten Zielzahl, die die Bundeswehr jemals hatte, ist die Realentwicklung inzwischen vorbeigestürmt. Jede Zahl, die nach oben geht, ist erst mal richtig. Das gilt übrigens ja nicht nur fürs Personal. Auch beim Material ist drastisch gekürzt worden, die Haushalte sind in den letzten Jahren immer weiter runtergegangen. Trendwende ist schon das richtige Wort.
    Armbrüster: Wie zuversichtlich sind Sie denn, dass die Bundeswehr überhaupt so viele Jobinteressenten findet, wenn wir jetzt mal von 7.000 neuen Soldaten ausgehen?
    Bartels: Na ja, banal ist das nicht, denn wenn man sieht, dass man auch jetzt schon seinen Personalbedarf nicht komplett decken kann, dann wird es, wenn man zusätzlichen Bedarf anmeldet, natürlich nicht einfacher, sondern noch ein bisschen schwieriger.
    Armbrüster: Ich wollte jetzt eher wissen: Haben Sie den Eindruck, ist die Bundeswehr inzwischen ein so attraktiver Arbeitgeber, dass man da relativ schnell 7.000 neue Soldaten gewinnen kann?
    Bartels: Die Bundeswehr ist attraktiv in manchen Bereichen, in anderen nicht. Für IT-Personal oder für Sanitätspersonal, für technische Verwendung in der Marine stellen wir seit Jahren fest gibt es zu wenig Bewerber. In anderen Bereichen findet man die Leute, die man haben will. Die klassische Antwort ist, da kommt es drauf an. Man hat natürlich erst mal eine Möglichkeit, relativ schnell nachzusteuern, indem man Personal, das man schon hat und das man ausgebildet hat, länger verpflichtet.
    "Die Konkurrenz am Arbeitsmarkt ist riesengroß"
    Armbrüster: Aber Sie sind zuversichtlich, dass es gelingt, diese 7.000 neuen Leute zu gewinnen? Oder gibt es da Stellschrauben oder Fehlentwicklungen, die man erst beseitigen müsste, um diese Leute mit an Bord zu holen?
    Bartels: Nein, das muss möglich sein, das zusätzliche Personal zu gewinnen. Ob es jetzt 190.000 sind oder 185.000, das ist ja kein kategorialer Unterschied. Das muss in einer Gesellschaft wie der deutschen möglich sein. Nur es wird von Jahr zu Jahr schwerer, weil die Jahrgänge kleiner werden und die Zahl der ausscheidenden Menschen, die aus dem Berufsleben ausscheiden, eher größer wird. Das sind jetzt die geburtenstarken Jahrgänge, die weggehen. Die Konkurrenz am Arbeitsmarkt ist riesengroß. Die Bundeswehr ist dabei, Bedingungen zu verbessern. Da gibt es noch viele Probleme.
    Armbrüster: Können Sie uns ein Problem nennen, wo es hakt?
    Bartels: Ja. Die Pendlerfreundlichkeit ist ein Riesenproblem. Wir haben es letzte Woche im Bundestag diskutiert bei der Diskussion meines Jahresberichts. Die Bundeswehr ist ja keine Wehrpflichtarmee mehr von ganz jungen Leuten, sondern eine reine Freiwilligenarmee. Das heißt, jeder muss jetzt auf dem Arbeitsmarkt gewonnen werden. Die Leute sind im Schnitt deutlich älter. Das heißt, es ist auch eine Familienarmee. Und man hat einen Lebensmittelpunkt irgendwo in Deutschland gegründet. Dahin pendeln in der Regel die Soldaten. 40 Prozent sind Wochenendpendler, 30 Prozent sind Tagespendler. Auf diese Situation ist die Bundeswehr heute immer noch nicht gut eingestellt.
    Armbrüster: Herr Bartels, wenn wir jetzt heute an diesem Dienstag tatsächlich von einer Trendwende Personal sprechen bei der Bundeswehr, können wir dann auch sagen, dass die Verkleinerung der Truppe in den vergangenen 25 Jahren, dass die ein Fehler war?
    Bartels: Nein, das kann man so nicht sagen. Nach dem Ende des Kalten Krieges haben wir ja alle gehofft, dass Zeiten von Kooperation und Partnerschaft in Europa anbrechen würden, und das sah ja zunächst mal auch so aus. Es gab eine Friedensdividende, die man einfahren konnte. Man brauchte nicht mehr 500.000 Bundeswehrsoldaten. Man hatte auch längst nicht mehr so viele alliierte Soldaten in Westdeutschland oder im Osten stationiert. Die Soldatendichte konnte extrem abnehmen in Deutschland. Nur in den letzten Jahren sind weitere Aufgaben dazugekommen. Die Lage im Osten Europas hat sich verändert. Es fühlen sich unsere Bündnispartner dort bedroht durch den großen Nachbarn Russland. Wir müssen heute Solidarität leisten; das tun wir mit jetzt wirklich einer ernst gemeinten Beteiligung an der NATO Response Force, 5.300 dieses Jahr. Die Bundeswehr ist an Übungen beteiligt im Osten Europas, es gibt das Air Policing im Baltikum, an dem wir uns beteiligen. Es wird demnächst eine rotierende Präsenz in den baltischen Staaten geben, an denen die Bundeswehr sich beteiligt, und daneben weiterhin die Auslandseinsätze Afghanistan, Afrika, Balkan.
    "Die Bundeswehr wird nicht tatsächlich größer"
    Armbrüster: Und dann, Herr Bartels, müsste man ja aus heutiger Sicht sagen, da wurde in Sachen Personalabbau ein bisschen über das Ziel hinausgeschossen?
    Bartels: Ja. Die Zahl, die bei der letzten Bundeswehrreform gesetzt wurde, die 185.000, war ja keine errechnete Zahl. Das war eine gesetzte Zahl. Wenn man gerechnet hätte, wäre man vielleicht auf eine andere Zahl gekommen. Das wird jetzt nachgeholt. Die Bundeswehr wird nicht tatsächlich größer, es gibt keine neuen Strukturen, sondern die Strukturen, die da sind, sollen jetzt voll aufgefüllt werden, was ich absolut vernünftig finde, denn die alternative ist ja, ein Soldat macht die Arbeit für zwei.
    Armbrüster: Können wir denn dann sagen, die beiden Vorgänger von Frau von der Leyen, Herr zu Guttenberg und Herr de Maizière, die haben Fehler gemacht?
    Bartels: Jedenfalls die von ihnen gesetzte Personalzahl war eher willkürlich als strukturell begründet.
    Armbrüster: Gut.
    Bartels: Das muss nachgesteuert werden und das ist jetzt genau der Prozess, der stattfindet. Ob die Zahlen, die heute genannt werden, die endgültigen sind, da wäre ich gar nicht so sicher, aber erst mal gilt der Grundsatz, alles was mehr ist hilft den Soldaten der Bundeswehr.
    Armbrüster: Gut. Das ist jetzt heute ein lange, seit einigen Tagen, angekündigter Termin von Frau von der Leyen, und viele Beobachter, wenn ich das richtig lese auch in den Kommentaren in den Zeitungen, haben ein bisschen den Eindruck, Frau von der Leyen wird hier heute vollmundig ein Konzept präsentieren für die Personalaufstockung bei der Bundeswehr, aber auslöffeln müssen das wahrscheinlich die Nachfolger von Frau von der Leyen im Amt des Verteidigungsministers. Ist das eine korrekte Sicht?
    Bartels: Das ist ja immer so. Wenn Sie Dinge auf etwas längere Zeit anlegen, können Sie nicht sicher sein, dass Sie es selber noch zu Ende bringen können. Vielleicht hätten ja Herr Guttenberg und Herr de Maizière sich auch vorgestellt, dass sie die Nachsteuerung an ihrem Konzept noch selbst hätten vornehmen können. Aber dass jetzt nachgesteuert wird, ist richtig. Es muss auch Geld dazu. Personal gibt es ja nicht umsonst. Der Verteidigungshaushalt muss entsprechend erhöht werden. Es geht nicht um beliebig große Summen, sondern um eine moderate Erhöhung, die es vielleicht im nächsten Jahr gibt. Man hört, das Kabinett hat sich auf Eckwerte geeinigt, die jetzt eine Erhöhung von sechs Prozent beim Verteidigungsetat vorsehen. Das wäre schon mal die richtige Richtung. Ob das ausreicht, muss man sehen, wenn man die Zahlen heute hört.
    Armbrüster: Ursula von der Leyen, die Bundesverteidigungsministerin, wird heute ihre Pläne zur personellen Aufstockung bei der Bundeswehr präsentieren, zunächst vor den Verteidigungspolitikern in Berlin. Wir haben darüber gesprochen mit Hans-Peter Bartels, dem Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages. Vielen Dank, Herr Bartels, für Ihre Zeit heute Morgen.
    Bartels: Sehr gerne!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.