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Personalauswahlverfahren
Passgenauer Mitarbeiter durch Assessment Center

Der Weg zum Job führt über das Assessment Center - das gilt längst nicht mehr nur bei großen Konzernen. Auch kleinere Unternehmen und sogar Hochschulen suchen ihr Personal mit diesem Verfahren. Die Vorbereitung darauf findet bereits im Studium statt.

Von Thomas Wagner |
    Ein Mann und eine Frau in Business-Look beugen sich gemeinsam über einen Laptop-Computer
    Bei Assessment Centern sollen Bewerber ihre Fachkompetenzen zeigen. (imago / McPHOTO)
    "Das waren beide Male sehr klassische Assessment Center. Die Übungen waren wie zu erwarten: Es war eine Präsentationsübung. Es waren zwei Gruppendiskussionen, die einen fachlich, die anderen zu einem allgemeinen Thema. Es gab ein Rollenspiel, es gab ein Interview. Es gab einen Intelligenztest."
    Wenn Silke Hell über Assessment Center redet, weiß sie, wovon sie spricht: Am Anfang ihrer Laufbahn hat sie selbst zwei Mal an solchen Auswahlverfahren teilgenommen, musste dabei zweierlei unter Beweis stellen: Fachkompetenz - und die Fähigkeit, sich damit in eine Gruppe einzubringen. Darauf, so die Personalexpertin der Universität Konstanz, kann man trainieren - am besten bereits mit Beginn des Studiums.
    "Dass man beispielsweise Verantwortung übernimmt in Diskussionen mit Kollegen, mit Kommilitonen im privaten Bereich. Dass sich man mal ausprobiert: Wie bin ich in einer Führungsrolle? Wie kann ich eine Führungsrolle ergreifen? Wie kann ich gut im Team operieren? Wie kann ich moderieren?"
    Darüber hinaus, stellt Silke Hell fest, lernen Studierende heute besser denn je bereits in den Hörsälen jene Fähigkeiten, die bei Assessment Center gefragt sind:
    "Zum einen sind bestimmte Schlüsselqualifikationen heute Lehrinhalt geworden, was früher nicht der Fall war: Die heutigen Studierenden lernen präsentieren, lernen, in Gruppen zu agieren, sie lernen oft schon Führungskompetenzen. Zum anderen werden freie Engagements in AStA, in Fachschaften, in anderen freien Gremien auch gezielt gefördert."
    Dies allerdings kommt nicht von ungefähr: Denn immer häufiger werden nach den Beobachtungen von Silke Hell Assessment Center eingesetzt, um eine bestimmte Stelle passgenau mit dem geeignetsten Bewerber zu besetzen.
    "Assessment Center sind häufiger geworden. Zwei Drittel aller Dax-100-Unternehmen setzen Assessment Center ein. Das sind natürlich die Großen. Kleinere Unternehmen ziehen nach, haben nachgezogen. Die Verbreitung ist deutlich größer geworden. Das zeigen mehrere Studien. Inzwischen zieht sich das durch alle Branchen."
    Assessment Center zahlen sich aus
    Und das ist kein Wunder, findet Claudius Marx, Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer Hochrhein-Bodensee: Selbst bei Mittelständlern habe sich in den letzten Jahren herumgesprochen: Assessment Center zahlen sich aus.
    "Wenn Sie daran denken, wie teuer ein Recruiting ist, wenn es erfolglos bleibt: Also wenn Sie einen Bewerber suchen und finden ihn nicht oder Sie sind erfolglos, weil der Sie in der Probezeit wieder verlässt, weil er der Falsche war, und Sie müssen das mehrfach machen, dann wäre am Ende ein gutes Assessment billiger gewesen, wenn Sie es nur durchgeführt hätten. Also das ist nicht mehr so, dass das nur ein Siemens oder Bosch kann. Das kann auch durchaus ein kleineres Unternehmen sinnvollerweise machen."
    Ein weiterer Trend: Assessment Center werden zunehmend wichtig auch für die Karriereplanung einzelner Mitarbeiter, die sich im eigenen Unternehmen verändern wollen. Silke Hell:
    "Wenn ein Mitarbeiter durch das Assessment Center die Rückmeldung über die eigenen Kompetenzen erhält und dann aber auch über Fördermaßnahmen, die auf das Profil zugeschnitten sind, und sich dadurch weiter entwickeln kann - das ist ein ganz klassisches Personalentwicklungsinstrument geworden."
    Und längst sind es nicht nur Unternehmen, die über Assessment Center nach geeignetem Personal suchen:
    "Beispielsweise auch Hochschulen bei der Auswahl von Promovierenden, bei der Auswahl anderer Mitarbeiter. Da werden immer mal wieder Assessment Center eingesetzt."
    Fehlende Vertrauchlichkeit
    Allerdings stoßen Assessment Center auch an ihre Grenzen. Claudius Marx, Chef der IHK Hochrhein-Bodensee, weist bei der Besetzung von Führungspositionen auf ein Problem hin: die fehlende Vertraulichkeit der Bewerbung.
    "Assessment Center setzen aber voraus, dass die Bewerber mit der dann nicht gegebenen Vertraulichkeit zurechtkommen. Denn die Bewerbung wird ja dann sichtbar für die anderen Mitbewerber. Sie können dem Bewerber dann keine Vertraulichkeit mehr garantieren."
    Weil die Kandidaten viele Aufgaben in der Gruppe lösen müssen. Ein weiteres Problem: Assessment Center funktionieren nur dann, wenn sich eine Vielzahl von Bewerbern um eine Stelle reißen. Dem steht bereits heute der Fachkräftemangel in bestimmten Branchen entgegen.
    "Wenn ich nicht eine gewisse Mindestzahl an potenziellen Bewerbern habe, macht es auch keinen Sinn, mit ihnen ein Assessment Center zu veranstalten. IT zum Beispiel ist ein Bereich, der sehr leergefegt ist, wo sie dann froh sind, wenn überhaupt bei den Bewerbern welche dabei sind, wo Sie sagen: Die sind geeignet - und ich kann sie mir leisten."
    Silke Hell: "Assessment Center: Souverän agieren - gekonnt überzeugen"
    Deutscher Taschenbuch, 2011, Verlag 208 Seiten