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Personaldebatte in der SPD
Amtsverzicht aus Rücksicht auf Partei

Am Ende war der Druck zu groß: Martin Schulz verzichtet darauf, in einer möglichen neuen großen Koalition das anvisierte Außenamt in der Regierung zu übernehmen.

Von Paul Vorreiter |
    Martin Schulz, SPD Parteivorsitzender. 07.02.2018, Berlin.
    SPD-Chef Martin Schulz will mit seinem Verzicht auf ein Regierungsamt eine Zustimmung der SPD-Mitglieder für eine Große Koalition nicht gefährden. (imago stock&people / Xander Heinl)
    Ein Schritt, den er in einer schriftlichen Erklärung begründete. Darin zählte Martin Schulz die inhaltlichen Verhandlungsergebnisse aus den Koalitionsgesprächen auf: Bildung, Pflege, Rente, Arbeit, Steuer. Alles Themen, bei denen die SPD das Leben der Menschen in Deutschland verbessern könnte, so die Argumentation von Schulz und alles auch Gründe, die dafür sprechen sollen, beim SPD-Mitgliederentscheid dem Gang in die Große Koalition zuzustimmen. Dieses Ja sah Schulz gefährdet, daher der Verzicht auf ein Regierungsamt.
    Trotz mancher Erleichterung über den Schritt resümierte SPD-Vize Ralf Stegner am Abend in den Tagesthemen: "Jedenfalls war das heute kein guter Tag und wenn man daran denkt, dass wir gerade schwierige Koalitionsgespräche hinter uns haben, die wir eigentlich gar nicht wollten sondern nur zustande gekommen sind, weil Jamaika geplatzt ist und dann haben wir ein gutes Ergebnis, doch statt darüber zu disktuieren, was das für die Menschen bringt, in den Fragen, die sie interessieren, ob das Rente oder Arbeit oder Gesundheit oder Pflege oder Bildung ist oder bezahlbares Wohnen werden Personaldiskussionen geführt und das verstehen die Menschen nicht, auch die Parteimitglieder nicht."
    Neben Kritik gab es auch Lob: "Ich habe großen Respekt vor der Entscheidung von Martin Schulz er hat sich entschieden, dass er seine eigenen Interessen zurückstellt für die Interessen unseres Landes und für die Interessen unserer Partei", sagte die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer. Fraktionschefin Andrea Nahles, die zuvor noch Schulz wegen dessen Europaexpertise für einen geeigneten Außenminister hielt, begrüßte den Schritt und attestierte ihm nun so wörtlich "beachtliche, menschliche Größe": "Ich kann nur hoffen, dass mit der Entscheidung von Martin Schulz sich jetzt alles auf die Inhalte konzentriert, die wir herausgehandelt haben, denn darum soll es ja bei dem Mitgliederentscheid gehen: ist die Basis - der Koalitionsvertrag - den wir ausgehandelt haben, eine gute Basis für ein Regierungsbeteiligung? Ich denke ja."
    Jusos halten an Anti-GroKo-Kampagne fest
    Juso-Chef Kevin Kühnert will trotz des Verzichts von Martin Schulz auf das Außenamt an seiner Kampagne gegen die Große Koalition festhalten und warnt vor anderen möglichen Personaldebatten: "Jetzt, nachdem die Personalie Schulz vom Tisch ist, nicht wieder die nächsten Personalien aufzurufen. Wir haben uns extra darauf vereinbart, dass im Koalitionsvertrag noch nicht festgelegt ist, wer die Ministerien ggf. übernehmen würde, aus guten Gründen, weil wir keine Personal- sondern eine Inhaltsdebatte führen wollten."
    Doch ob die Personaldebatte damit wirklich aufhört und die Genossen rasch zur inhaltlichen Debatte übergehen, ist fraglich. Denn: Die Stimmung in der SPD ist angespannt, erklärte Thorsten Schäfer Gümbel, Landeschef der hessischen Sozialdemokraten: "Wir machen es uns ja offensichtlich nicht so sehr leicht in diesen Tagen und Wochen, erstmal eine Situation, die glaube ich, viele aufwühlt."
    Großer Druck auf Martin Schulz
    Der Verzicht Martin Schulz auf das Außenamt kam nicht überraschend. Der Druck auf ihn war in den vergangenen Tagen stark gestiegen. Am Mittwoch soll es nach Abschluss der Koalitionsverhandlungen im Parteivorstand und in der Bundestagsfraktion Unmut über dessen Ambitionen im Kabinett gegeben haben. Schließlich hatte Schulz im Wahlkampf immer wieder beteuert, für eine Regierung Merkel nicht zur Verfügung zu stehen.
    Vor allem im mächtigen Landesverband in Nordrhein-Westfalen soll dieses Vorgehen auf Unverständnis gestoßen sein. SPD-Chef Michael Groschek hatte ein Glaubwürdigkeitsproblem moniert. Für besonderen Druck sorgte ein Interview vom amtierenden Außenminister Sigmar Gabriel, das in den Zeitungen der Funke-Mediengruppe zu lesen war. Gabriel hatte Schulz Respektlosigkeit vorgeworfen und kritisiert, dass ein gegebenes Wort in der SPD offenbar nicht mehr zähle. Das war Anlass für Mutmaßungen, Schulz könnte Gabriel versprochen haben, ihn in einer neuen großen Koalition als Außenminister im Amt zu lassen. Vor einem Jahr hatte Gabriel zugunsten von Schulz auf den Parteivorsitz und die Kanzlerkandidatur verzichtet.
    Union hofft auf Ende der SPD-Personaldiskussion
    Unionsfraktionschef Volker Kauder sagte der "Passauer Neuen Presse", dass er hoffe, dass die Sozialdemokraten jetzt zur Ruhe kommen würden, damit letztlich eine stabile Regierung gebildet werden könne. Der Rechtspolitiker und Bundestagsabgeordnete Heribert Hirte twitterte dagegen, "wenn die SPD nicht in der Lage sei, eine Regierung zu stellen, sollte man neu über die Ressortverteilung nachdenken." In der CDU gibt es ohnehin Kritik an der Vergabe der Ministerien: vor allem der Verlust des einflussreichen Finanzressorts ärgert viele Christdemokraten.
    FDP-Vize Wolfgang Kubicki sagte, politisch gescheitert sei das Schicksal von Schulz tragisch. Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch äußerte gegenüber der "Saarbrücker Zeitung", dass die SPD ein kaltes und brutales Gesicht zeige. AfD-Fraktionschefin Alice Weidel bezeichnete den Verzicht von Martin Schulz als Ergebnis einer in sich völlig zerrissenen Partei, der man die Führung Deutschlands keinesfalls anvertrauen dürfe. Katrin Göring-Eckardt, Fraktionsvorsitzende der Grünen beobachtet bei Martin Schulz eine besondere Art der Selbstgeißelung. Kommende Woche will die SPD-Spitze überlegen, wie sie ihre Parteimitglieder davon überzeugen kann, für einen Gang in die Große Koalition zu stimmen. Ob die Chancen für ein Ja mit dem Rückzug von Martin Schulz nun gestiegen sind, ist alles andere als sicher.

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