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Personeller Neuanfang beim DFB
"Das ist die sportpolitische Bankrotterklärung"

Der Deutsche Fußball-Bund will sich neu aufstellen: Präsident Keller hat seinen Rücktritt angekündigt, Generalsekretär Curtius wird den Verband verlassen und Vize Koch und Schatzmeister Osnabrügge werden beim DFB-Bundestag im Januar nicht mehr antreten. Sportpolitik-Experte Thomas Kistner glaubt, dass es für Koch schon in den kommenden Monaten eng werden könnte.

Thomas Kistner im Gespräch mit Matthias Friebe |
Beim DFB-Bundestag am 25.05.2020: Der 98. DFB-Bundestag wurde erstmals virtuell durchgefuehrt, hier im Livestream sind Fritz Keller (DFB-Präsident, links), Dr. Friedrich Curtius (DFB-Generalsekretär, Mitte) und Dr. Rainer Koch (1. DFB-Vizepräsident, rechts) auf einem Laptop sowie einem Smartphone zu sehen.
Werden ihre Posten im DFB demnächst abgeben: Präsident Keller, Generalsekretär Curtius und Vizepräsident Koch (von links). (IMAGO / osnapix)
Nachdem sich entscheidende DFB-Funktionäre heillos zerstritten und in unterschiedliche Affären verstrickt hatten, gab der DFB am Dienstagabend bekannt: Präsident Fritz Keller wird kommende Woche von seinem Amt zurücktreten und der Vertrag mit Generalsekretär Friedrich Curtius aufgelöst. Vizepräsident Rainer Koch und Schatzmeister Stephan Osnabrügge werden bei einem vorgezogenen DFB-Bundestag nicht mehr für ihre Ämter antreten.

"Sportpolitische Bankrotterklärung"

Ein kompletter Neustart sei das nicht, sondern eine "sportpolitische Bankrotterklärung", sagte der Sportpolitik-Experte von der Süddeutschen Zeitung, Thomas Kistner. Dass Generalsekretär Curtius und Schatzmeister Osnabrügge "von der Bühne des deutschen Fußballs verschwinden werden, ist ohne Frage zu begrüßen", so Kistner im DLF-Gespräch. Präsident Keller habe zwar eine größere Integrität als andere Fußball-Funktionäre, aber: "Er hat leider auch das Talent, in Fettnäpfchen zu treten – sogar in solche, die es gar nicht gibt." Darüber sei er mit dem Vergleich des DFB-Vizepräsidenten Rainer Koch mit dem Nazi-Richter Roland Freisler weit hinaus gegangen. Kistner ist sicher: "Wäre das nicht passiert, hätte Keller da die Contenance bewahrt, dann würde er heute als strahlender Sieger dastehen." Keller hätte dann anders als seine Widersacher Koch, Curtius und Osnabrügge die Krise beim DFB überstehen können.
Fritz Keller mit Blumenstrauß in der Hand nach der Wahl zum DFB-Präsidenten.
Machtkampf im DFB - Pokal für die schlechteste Verbandsführung
Nachdem DFB-Präsident Fritz Keller seinen Vize Rainer Koch in einer Präsidiumssitzung mit dem Nazi-Richter Roland Freisler verglichen hat, wird der Machtkampf im Verband weiter offen ausgetragen. Für den Fußballstandort Deutschland ist das nur noch peinlich, kommentiert Marina Schweizer. Was es bräuchte, wäre eine Revolution von unten.
Keller habe – ebenfalls anders als andere Funktionäre beim DFB – "keine Leichen im Schrank, die man finden könnte, wenn er weg ist". Kistner vermutet, dass der Stress der vergangenen Monate nicht spurlos an dem Präsidenten vorbeigegangen ist: "So etwas belastet ja auch gesundheitlich." Keller gibt sein Amt allerdings erst am kommenden Montag ab. Das wiederum hänge mit dem Urteil des DFB-Sportgerichts zusammen, das vor dem Wochenende erwartet wird, erklärte Kistner. Wenn Keller vorher sein Amt abgebe, gebe es das Urteil im Verfahren um Kellers Freisler-Zitat nicht mehr. Seine Gegner im Verband könnten dann behaupten, dass Keller über dieses Urteil ohnehin gestolpert wäre: "Wenn es ein Urteil gibt, dann kann es auch keine neuen Legenden geben."

Koch als kommissarischer DFB-Präsident: "Ein Skandal im Skandal"

Vizepräsident Rainer Koch übernimmt zum dritten Mal kommissarisch die Führung des Verbandes - dieses Mal gemeinsam mit dem anderen Vizepräsidenten Peter Peters. Koch sei allerdings ein "Kernbestandteil der vorhandenen Probleme und keinesfalls ein Teil der Lösung", analysierte Kistner: "Koch ist aber Koch und ein mit allen Wassern gewaschener Funktionär."
Rainer Koch sitzt vor einer Grafik eines verschwommenen DFB-Wappens.
DFB-Vize Koch im Sportstudio - "Diese Mail kenne ich nicht"
Es geht drunter und drüber im DFB. DFB-Vizepräsident Rainer Koch kam deshalb ins ZDF-Sportstudio, zum ersten Mal seit dem Bekanntwerden der Skandale. Ein erinnerungswürdiger Auftritt.
Er bewege sich seit 15 Jahren an der Spitze des Verbandes und sei auch mit Funktionären auf den unteren Ebenen gut vernetzt. Intern könne der Vizepräsident immer noch die Strippen ziehen, obwohl er im Profilager kein Ansehen mehr genieße und auch im eigenen Amateur-Lager die Stimmung gespalten sei. Das ausgerechnet Koch den DFB interimsmäßig führen werde, sei "ein Skandal im Skandal".
Der DFB-Bundestag soll auf kommenden Januar vorgezogen werden. Dort werden Neuwahlen des Präsidiums stattfinden. Für Kistner ist aber nicht sicher, dass Koch "die kommenden Monate übersteht". Kistner erwartet dass "die Informationslage" rund um Koch weiter zunimmt.