Fast fällt sie nicht auf zwischen den Kindern, die über den Platz toben, den Ball vor sich herschieben, das gegnerische Tor fest im Blick. Sie trägt eine weiße Schieberkappe, ist kaum größer als ihre 10-jährigen Schützlinge und mit ebensolcher Leidenschaft dabei - auch mit 93 Jahren noch. "Das macht mir Freude", sagt Maria Angelica Ramos, "ein tolles Gefühl! Ich sehe diese Kinder, sie wachsen heran und ich alte Frau zeige ihnen, wie es geht."
Maria Angelica Ramos ist die wohl älteste Fussball-Trainerin der Welt. La Vieja nennen sie alle liebevoll, die Alte. Auch ihr Apotheker Ignacio Yanasca, der ihr jeden Tag den Blutdruck misst - aber nur, weil es die Krankenversicherung so will. "Als sie mir ihr Alter sagte", so Yanasca, "habe ich gestaunt. Andere in ihrem Alter sitzen im Rollstuhl oder gehen am Stock, sie ist so fit!"
"Springen, dehnen, nicht quatschen!"
Vier Mal pro Woche steht La Vieja auf dem Platz, hier in einem armen Arbeitervorort von Perus Hauptstadt Lima, wo sie selbst aufgewachsen ist - kaum jemand, den sie dort nicht trainiert hat. Nachbarin Rosa Perez sagt: "Ich habe drei Kinder und alle sind gut geraten, sie haben keine Laster, sie sind nicht kriminell. Das verdanke ich La Vieja, die sie streng erzogen hat."
"Springen, dehnen, nicht quatschen!" ruft die kleine, zierliche Frau ihren Schützlingen zu. An die 50 Pokale hat sie mit ihren verschiedenen Teams durch die Jahre hinweg gewonnen. Und immer wieder kommen Scouts der großen Klubs vorbei, auf Talentsuche - trotzdem reicht es oft nicht für das Nötigste. Manchmal verkaufe sie Kuchen, um ihr Hobby Fussball finanzieren zu können.
"Auf jeden Fall sterbe ich auf einem Fussballplatz"
"Mir fehlen Trikots für die Kinder", erzählte La Vieja der ARD, "das tut mir weh. Vielleicht kann ich mir die irgendwann leisten, aber jetzt habe ich kein Geld." Das war vor einem halben Jahr. Tausende sahen die TV-Reportage und was dann passierte, kann La Vieja selbst nicht glauben: Dutzende Pakete werden aus Deutschland nach Südamerika geschickt, die TV-Kollegen bringen Kisten voller Leibchen, Torwarthandschuhen, Shorts und Fussballschuhen zu La Vieja - nun verliert auch die älteste Fußballtrainerin der Welt die Fassung, Tränen stiegen ihr in die Augen.
Am nächsten Tag verteilt sie die Trikots - lila für die eine, gelb für die andere Mannschaft. Es gab so viele Geschenke, dass La Vieja einiges davon an Teams aus den Nachbarvierteln abgibt: "Auch dort gibt es Teams mit armen Kindern, die können es gut gebrauchen."
La Vieja lebt für ihre Schützlinge, für den Fussball - Hobby und größte Leidenschaft, die einst ihr Mann in ihr entfachte. Doch der ist längst gestorben. "Wenn der da oben sagt, Vieja, es ist Zeit, werde ich für immer gehen", sagt die 93-Jährige, "auf jeden Fall sterbe ich aber auf einem Fussballplatz."