Archiv

Peru
Ein Technokrat als neuer Staatspräsident

Das neue peruanische Staatsoberhaupt Pedro Pablo Kuczynski bekam 50,12 Prozent der Stimmen und lag damit vor seiner sehr viel jüngeren Konkurrentin, die allerdings Spross einer alten Diktatorenfamilie ist. Kuczynski ging mit der Vorstellung seiner Agenda auf die Opposition zu - dennoch könnte es schwierig werden, die Parlamentsmehrheit zu überzeugen.

Von Ivo Marusczyk |
    Peruanischer Präsident Pedro Pablo Kuczynski
    Der peruanischer Präsident Pedro Pablo Kuczynski. (dpa, picture alliance, Ernesto Arias)
    Er ist ein Technokrat - und er gibt es sogar offen zu:
    "Alle nennen mich einen Technokraten, aber ich finde es ist besser, Technokrat zu sein, als keine Ahnung zu haben
    Pedro Pablo Kuczynski hat sein neues Amt als Präsident von Peru angetreten. Und das hätte er vor einem halben Jahr selbst wohl kaum geglaubt. Das Ergebnis der Stichwahl fiel noch knapper aus, als bei der Präsidentenwahl in Österreich. Nur mit hauchdünnem Vorsprung setzte Kuczinsky sich gegen seine Widersacherin Keiko Fujimori durch.
    "Mit 50,12 Prozent der gültigen Stimmen."
    "Wir haben nur um Haaresbreite gewonnen, wie bei einem Flug über den höchsten Pass der Anden, bei dem das Fahrwerk des Flugzeugs fast schon die Berge streift.
    PPK- im Wahkampf trat er nur unter diesen Initialen auf - ging gegen eine charismatische junge Frau ins rennen. Er selbst ist 77 Jahre alt. Er geht langsam und vornüber gebeugt, er spricht schleppend, manchmal schwerfällig. Dass er die Wahl gewonnen hat, verdankt er vor allem dem Namen seiner Gegnerin.
    Keiko Fujimori ist Tochter von Alberto Fujimori, der das Land von 1990 bis 2000 regierte. Zunächst demokratisch gewählt, dann aber zunehmend autokratisch und am Schluss diktatorisch. Und im Kampf gegen die Rebellen des "Leuchtenden Pfads" machte er sich schwerster Menschenrechtsverletzungen schuldig.
    Der Kampf gegen eine Rückkehr des Fujimorismus einte jetzt politische Gegner - und nur so konnte Kuczynski tatsächlich gewählt werden.
    "Wir nehmen dieses Ergebnis mit großer Bescheidenheit an. Denn Peru steht vor großen Herausforderungen."
    Kuczynski ist der Sohn eines Berliner Arztes mit jüdischen Wurzeln, der vor den Nazis nach Südamerika floh. Er selbst machte eine internationale Wirtschaftskarriere. Er arbeitete für die Weltbank, bei Investmentbanken, und bei verschiedenen Großkonzernen, vor allem im Bergbausektor und dann bei der peruanischen Zentralbank. Nach einem Militärputsch ging er 1968 ins Exil:
    "Ich bin vor der Militärregierung geflüchtet, bevor sie mich einsperren konnten."
    Zwei Mal im Exil
    1980 kehrte er nach Perú zurück und wurde Minister für Energie und Bergbau. Als die Rebellen des "Leuchtenden Pfads" immer größere Teile des Landes unter ihre Kontrolle brachten, verließ Kuczynski das Land erneut, was ihm seine Gegner zum Vorwurf machten. Er selbst verteidigt sich so:
    "Die Terroristen haben mein Bild nicht nur an der Plaza San Martin am Laternenmast aufgehängt, sondern auch meine Wohnung angegriffen. Deswegen habe ich mich am Schluss beim Präsidenten bedankt und bin geflohen, so wie drei Millionen andere Peruaner auch."
    Nach seiner Rückkehr nach Peru stieg Kuczynski Mitte der 2000er-Jahre wieder zum Wirtschafts- und zum Premierminister auf und bewarb sich 2011 erstmals für das Amt des Präsidenten. Damals schaffte der Wirtschaftsliberale es nicht in die Stichwahl. Jetzt konnte er sich mit Unterstützung der Fujimori-Gegner doch noch durchsetzen. Nach dem harten, schmutzigen Wahlkampf muss der neue Präsident jetzt allerdings auf seine Gegner zugehen. Er versucht, als Versöhner aufzutreten;
    "Unseren Gegnern biete ich den besten Willen zum Dialog an."
    Denn im Parlament haben die Fujimori-Anhänger die Mehrheit. Und deswegen ging Kuczynski, kaum hatte er den Eid geleistet und die rot-weiße Schärpe des Präsidenten angelegt, auch auf seine Gegner zu. Seine Agenda ist nicht die eines neoliberalen Technokraten, im Gegenteil:
    "Ich will eine soziale Revolution für mein Land."
    Ankündigung eines Sozialprogramms
    Er kündigte ein Programm an, das möglichst wenige Angriffspunkte bietet und auf Forderungen der ärmeren und der Landbevölkerung eingeht, der Klientel seiner Gegner. In den Mittelpunkt seiner Amtszeit will er den Kampf gegen die Korruption stellen.
    "Wir brauchen einen Präsidenten, der sich voll und ganz dem Kampf gegen die Korruption verschreibt."
    Darüber hinaus will Kuczynski, der die längste Zeit seines Lebens bei Banken gearbeitet hat, für eine gerechtere Einkommensverteilung sorgen. Er kündigte an, für eine bessere Bezahlung im Niedriglohnsektor zu sorgen. Und außerdem kündigte er an:
    "Alle Peruaner müssen Zugang zu gutem Trinkwasser und eine Abwasserversorgung bekommen, und zwar rund um die Uhr."
    Was in den ländlichen Gebieten von Peru noch ein großes Problem ist. Gleichzeitig soll dieses Investitionsprogramm hunderttausende Arbeitsplätze schaffen. Kuczynskis wirtschaftsliberale Ausrichtung wurde in seiner ersten Rede als Präsident nur an einer Stelle deutlich. Er versprach, auf die Einhaltung der Umweltgesetze zu achten und Einwände gegen Großprojekte ernst zu nehmen.
    "Aber trotzdem werde ich auch persönlich, Dorf für Dorf, versuchen, den Menschen zu erklären und sie davon zu überzeugen, wie groß der Nutzen ist, den Investitionen von Bergbau- und Rohstoffunternehmen für den Arbeitsmarkt und für die Staatseinnahmen bringen."
    Peru ist der zweitgrößte Kupferproduzent der Welt und baut viele weitere Bodenschätze ab - der wirtschaftliche Aufschwung der letzten Jahre beruht vor allem auf dem Erzexport.
    Noch ist nicht klar, ob der neue Präsident die Parlamentsmehrheit damit überzeugen kann. Deren Anführerin Keiko Fujimori verlangte als erste Geste des neuen Präsidenten, ihren Vater zu begnadigen. Kuczynski ist bereit, die restliche Haftstrafe von Ex-Präsident Alberto Fujimori in Hausarrest umzuwandeln, aber eine Begnadigung lehnt er ab.