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Pestizidbelastung
Französisches Dorf erlässt eigenmächtig Verbot

Glyphosat im Urin: Als Bewohner eines 600-Einwohner-Ortes in der Bretagne das feststellten, wurde der Bürgermeister aktiv. Er erließ eigenmächtig ein Verbot. Beim Ausbringen von Pestiziden gilt nun ein Sicherheitsabstand von 150 Metern zu Wohnhäusern. Doch ein Gericht widerspricht.

Von Suzanne Krause |
Ein Traktor spritzt in Thüringen auf einem Feld im Mai Pflanzenschutzmittel auf.
Frankreich diskutiert darüber, wie nah an Siedlungen Pestizide ausgebracht werden dürfen (picture alliance / Klaus Nowottnick)
Seit Tagen steht bei Daniel Cueff das Telefon nicht mehr still, rufen Journalisten, Umweltaktivisten, Sympathisanten an. Denn vergangenen Donnerstag hat der Bürgermeister von Langouët vor dem Verwaltungsgericht in Rennes seinen Erlass zum Schutz der 600 Dorfbewohner verteidigt. Der gibt vor: Beim Ausbringen von Pestiziden sollen Landwirte 150 Meter Sicherheitsabstand zu Wohn- und Nutzbauten wahren. Die Maßnahme ist landesweit ein Präzedenzfall. Gerade fiel das Urteil: Der Richter befand, der Ortsvorsteher habe seine Kompetenzen überschritten und hob die Umsetzung des Erlasses vorläufig auf. Daniel Cueff wird das Urteil anfechten.
"In einigen Monaten ist ein Grundsatzverfahren zu Inhalt und Form des Erlasses anberaumt. Wir gehen gegen das Urteil an."
Bürgermeister setzt auf grünen Strom und Bioessen
Denn seit nunmehr 25 Jahren, seit er die Geschicke von Langouët lenkt, setzt Daniel Cueff konsequent auf nachhaltige Entwicklung. Auf grünen Strom, auf Öko-Wohnbau. Die Schulkantine serviert ausschließlich Bio-Essen, auf dem kommunalen Grund ist der Einsatz von Pestiziden seit 1999 verboten. Soll heißen: 17 Jahre bevor ein Gesetz frankreichweit den Kommunen den Griff zur chemischen Keule untersagte. Seit letztem Januar müssen auch Privatleute auf Pestizide verzichten. Mit seinem Schutzzonen-Erlass will Daniel Cueff ein Zeichen setzen.
"Ein Anstoß dazu kam von einigen Dorfbewohnern. Sie hatten bei gezielten Tests erfahren, dass sie viel Glyphosat im Urin haben - obwohl die meisten nur Bio-Ware verzehren. Somit war klar, dass sie die Pestizide über die Luft aufgenommen haben. Als die Leute sich kundig machten, stießen sie auf eine EU-Schutzverordnung von 2009. Da die Regelung bislang nicht im französischen Gesetz verankert ist, fragten die Dorfbewohner, was sie tun könnten. Und was ich zu ihrem Schutz tun könne."
In seiner Zulassungsverordnung von Oktober 2009 formulierte das EU-Parlament: "Die Verwendung von Pestiziden darf keine sofortigen oder verzögerten schädlichen Auswirkungen auf die Gesundheit von Menschen oder von Tieren haben, weder direkt noch indirekt."
Ein Leitwort, dass Ragster hochhält. Der Bürgerverein will dafür sorgen, dass die Landbevölkerung Pestiziden so wenig wie möglich ausgesetzt ist. Im Rathaus von Langouët rannte Ragster offene Türen ein und gab Daniel Cueff für das Gerichtsverfahren Rechtsbeistand, sagt Vereinssprecherin Aline Read.
"Inzwischen haben 20 Gemeinden in Frankreich ähnliche Erlasse herausgegeben. In allen Fällen geht die Präfektur dagegen vor."
Große Mehrheit befürwortet den Schutzzonen-Erlass
Seit 2007 hat Paris mehrere Pläne aufgelegt, die ausgebrachten Pestizid-Mengen deutlich zu senken, bislang erfolglos. Seit eineinhalb Jahren wirbt der größte Bauernverband mit seiner "Nachbarschaft-Charta" für Absprache mit den Anwohnern, wenn ein Landwirt seine Felder spritzt. Um Verboten vorzukommen. Die Bevölkerung aber wünscht sich striktere Regelungen: 96 Prozent der Franzosen, so eine aktuelle Umfrage, befürworten den Schutzzonen-Erlass von Langouët. Das hat auch Umweltministerin Elisabeth Borne mitbekommen, wie sie im öffentlichen Radiosender France Inter erklärte.
"In den nächsten Tagen werde ich eine neue Verordnung zur Konsultation vorlegen. Sie wird verbieten, Pestizide in zu großer Nähe von Häusern auszubringen."
Ein Projekt, das von der Regierung getragen werde, versichert die Ministerin.